In Russland gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch keine demokratische Struktur. An der Spitze des zaristischen Russlands stand unangefochten Zar Nikolaus II. Wie er Russland führte und welche Probleme sein Reich plagten erklären wir dir in diesem Skript.
Imperialismus
Als einzige europäische Großmacht besaß Russland keine Kolonien in Übersee. Allerdings herrschte der Zar über die größte zusammenhängende Landmasse der Erde und unterstützte
Expansionsvorhaben an den Grenzen seines Reiches. Als Russland und Japan über den Einfluss in der Mandschurei und Korea in einen Konflikt kamen, brach
1904 der Russisch-Japanische Krieg aus.
Nach der Schlacht um Port Arthur, den russischen Niederlagen bei Mukden und in der Seeschlacht bei Tsushima nahm der Zar im September 1905 ein Vermittlungsangebot des amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt an. Am 5. September 1905 schloss das Zarenreich mit Japan Frieden. Die Niederlage in Fernost stoppte die imperialistischen Ambitionen des Zarenreiches und führte zu inneren Unruhen.
Abb. 1: Zar Nikolaus II. *1868 - † 1918.
Abb. 1: Zar Nikolaus II. *1868 - † 1918.
Petersburger Blutsonntag
Angeführt vom orthodoxen Priester und Arbeiterführer
Gregory Gapon erschienen tausende Arbeiter (Schätzungen rangieren zwischen 3.000 und 50.000) am 22. September vor der St. Petersburger Residenz des Zars. Dies war eine übliche Praxis im zaristischen Russland und demonstrierte den Obrigkeitsglauben der Bevölkerung.
Die
Petition enthielt Kritikpunkte die angespannte soziale Lage und der harsche Umgang mit streikenden Arbeitern betraf. Der Zar war über den Protestzug informiert und war am Tag des Ereignisses nicht in der Stadt. Als die Protestierenden sich sammelten, kam es wiederholt zu Übergriffen durch das Militär. Am Ende des Tages zählte man, offiziellen Angaben zufolge, 96 Tote und 333 Verletzte. Die Unruhen in St. Petersburg lösten eine
Streikwelle in Russland aus und zwangen den Zaren zu einer Antwort auf die politischen Unruhen. Als Reaktion auf die Petersburger Ereignisse lies Zar Nikolaus ein Pamphlet mit demokratischen Zugeständnissen verfassen.
Abb. 2: Gregory Gapon, *17.02.1870 - † 10.04.1906.
Abb. 2: Gregory Gapon, *17.02.1870 - † 10.04.1906.
Oktobermanifest
Unter der Federführung von Sergei Witte verfasst, versprach das
Oktobermanifest die Einführung eines
Zweikammerparlamentes, bestehend aus dem
Staatsrat und der neu zu bildenden
Duma (Volksversammlung). Auch wurde das allgemeine
Wahlrecht für männliche Bürger in Aussicht gestellt. Bürgerliche Grundrechte wurden der Bevölkerung ebenfalls versprochen: Persönlichkeitsrechte, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit. Das Oktobermanifest war damit der Vorläufer der ersten russischen Verfassung und wurde begeistert von der Bevölkerung aufgenommen. In
Abbildung 3 seht ihr ein zeitgenössisches Gemälde, welches die Reaktion einfing.
1906 wurde die Russische Verfassung verabschiedet.Die Wahlen für die
Duma erfolgten nach einem Wahlrecht, das dem preußischen
Dreiklassenwahlrecht ähnelte. Dadurch waren die Städte, Bauern und nichtrussische Minderheiten unterrepräsentiert. Auch behielt sich die Regierung das Recht vor, während der Sitzungspausen per
Notverordnungen zu regieren. Eine Neuerung die wegweisend für die Zukunft Russlands war, war das die Duma den politischen Parteien eine Plattform bot. Hier gilt es vor allem die Arbeiterparteien
Bolschewiki und
Menschewiki zu nennen, die beim Verlauf der Revolutionen 1917 tonangebend waren.
Auch wenn das Oktobermanifest und die danach gewählte Duma de facto die Macht des Zaren nicht beschränkte, werden
die Ereignisse um den Blutsonntag und das Oktobermanifest als
Russische Revolution von 1905 bezeichnet.
Abb. 3:Oktobermanifest von
Ilja Repin, 1907.
Abb. 3: Oktobermanifest von Ilja Repin, 1907.
Innere Reformen
Um die Lage in Russland zu stabilisieren, versuchte die Regierung die
ländliche Bevölkerung zu stärken.
1906 setzte der russische
Premierminister Pjotr Stolypin mit einem Erlass des Zaren das Recht auf Privateigentum an Land für Kleinbauern durch. Um die Bauernschaft mit ausreichend finanziellen Mitteln und Fachwissen auszustatten, entwarf er ein Ausbildungsprogramm und förderte die Vergabe von speziellen,
geringverzinsten Krediten an Bauern. Ebenso initiierte er ein
System von Kooperativen, die Bauern die Möglichkeit gaben, ihre Produktion durch den gemeinsamen Kauf und die Nutzung von Maschinen zu steigern.
Abb. 4: Die Transsibirische Eisenbahn ist mit 9288 km die längste Eisenbahnstrecke der Welt.
Abb. 4: Die Transsibirische Eisenbahn ist mit 9288 km die längste Eisenbahnstrecke der Welt.
Bereits 1891 wurden mit dem Beginn der
Bauarbeiten an der Transsibirschen Eisenbahn versucht, neue Märkte für die Agrarprodukte des Zarenreiches zu erschließen. Das Mammutprojekt wurde erst 1916 abgeschlossen. Auch entstand durch die Ansiedelung von über 2,8 Millionen Menschen in Sibirien und Mittelasien, zwischen 1908 und 1914, ein riesiges wirtschaftliches Wachstumspotenzial im Osten des Landes.
Durch diese Maßnahmen sollte dem bäuerlichen Teil der Bevölkerung mit dem russischen Staat und dem Kapitalismus versöhnt werden und somit die mögliche Wurzel einer gewalttätigen Revolution gekappt werden.
Auch wenn es 1905 die Erste Revolution in Russland gab und Demokratische Strukturen eingeführt wurden, hatte sich grundlegend nicht viel geändert. Das Land setzte bei der Modernisierung vor allem auf die Landwirtschaft und die Lebensbedingungen der Arbeiter waren immer noch in einem unbefriedigenden Zustand.