Thema 1: Rollenbiografie
Thema
Mirjam Pressler: Nathan und seine Kinder – Eine Rollenbiografie schreiben
Aufgabenstellung
Stelle die Figur des Tempelritters aus dem Roman Nathan und seine Kinder von Mirjam Pressler mit einer Rollenbiografie vor.
Dabei versetzt du dich in die Rolle der Figur und erzählst in der Ich-Form, wie sie sich selbst und ihr Leben sieht.
Im Mittelpunkt der Rollenbiografie sollen Aspekte der Figur stehen, die das Handlungsgeschehen wesentlich beeinflussen. Die in der Übersicht dargestellten Aspekte bieten dir Anregungen.
Schreibe diese Rollenbiografie.
Für den Wahlteil erreichbare BE: 30
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Ich bin ein Tempelritter, jung, stolz und doch innerlich zerrissen. Schon an meiner weißen Kutte mit dem roten Kreuz erkennt man, welchem Orden ich angehöre. Sie steht für Reinheit, Glauben und Tapferkeit. Dennoch frage ich mich oft, ob ich diesen Idealen wirklich gerecht werde. Mein Gesicht trägt Spuren von Sonne und Wind, aber auch die unsichtbaren Narben vieler Kämpfe, die ich im Namen Gottes geführt habe.
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Ich stamme aus einem christlichen Adelsgeschlecht und wurde schon als Kind in den Orden aufgenommen. Gehorsam, Mut und Opferbereitschaft waren von Anfang an die höchsten Tugenden. Man lehrte mich, dass wir Ritter die Auserwählten seien, die das Heilige Grab beschützen und die Feinde des Glaubens bekämpfen sollten.
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Doch mit der Zeit wuchsen in mir Zweifel. Ich sah, wie Menschen starben – Christen, Juden und Muslime gleichermaßen. Ich hörte ihre Schreie und fragte mich, ob Gott das wirklich gewollt haben konnte.
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Nach Jahren im Krieg kehrte ich nach Jerusalem zurück, müde und voller Zweifel. Dort geschah etwas, das mein Leben veränderte. Ein Haus brannte, und ohne zu zögern rannte ich in die Flammen, um ein junges Mädchen zu retten. Ich wusste nicht, wer sie war, nur dass sie in Lebensgefahr schwebte. Erst später erfuhr ich, dass sie Recha hieß und die Tochter eines Juden war. In den Augen meines Ordens hätte ich vielleicht einen Feind gerettet, doch für mich war sie einfach ein Mensch.
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Durch Recha lernte ich Nathan kennen, ihren Vater. Ein weiser, ruhiger Mann, dessen Worte mehr bewirkten als jedes Schwert. Anfangs wollte ich mich von ihm fernhalten. Wie konnte ein Jude mir, einem Tempelritter, etwas lehren? Doch je öfter ich mit ihm sprach, desto stärker wurde mir bewusst, dass seine Weisheit aus Güte und Menschlichkeit kam. Nathan sprach von Toleranz und Liebe, davon, dass alle Religionen denselben Gott verehren, nur auf unterschiedlichen Wegen. Diese Gedanken ließen mich nicht mehr los.
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Ich begann, meine Pflichten als Ritter in Frage zu stellen. Ich fragte mich, ob Gehorsam gegenüber dem Orden wichtiger sein kann als auf das eigene Gewissen zu hören. Meine größte Sorge ist, dass ich zwischen zwei Welten stehe: zwischen der strengen Ordnung meines Glaubens und der neuen Erkenntnis, dass wahre Stärke in Mitgefühl und Verständnis liegt.
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Recha bedeutet mir inzwischen sehr viel. Ihre Reinheit, ihr Vertrauen und ihre Dankbarkeit haben mein Herz berührt. Vielleicht empfinde ich mehr für sie, als ich sollte, doch ich kann meine Gefühle nicht einfach ablegen wie eine Rüstung. Sie erinnert mich daran, dass auch in einem Kämpfer ein Mensch steckt, der lieben, zweifeln und hoffen kann.
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Ich träume von einer Zukunft, in der Menschen unterschiedlicher Religionen friedlich miteinander leben, in der kein Schwert mehr über den Glauben entscheidet, sondern das Herz. Ich weiß, dass dieser Traum in meiner Zeit schwer zu verwirklichen ist, doch ich will meinen Weg weitergehen.
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Mein Mut zeigt sich heute nicht mehr im Kampf, sondern im Denken. Es ist leicht, zu gehorchen, aber schwer, Fragen zu stellen. Ich will nicht länger blind Befehle ausführen. Ich will meinen eigenen Glauben finden – einen Glauben, der verbindet statt trennt. Vielleicht ist das mein wahrer Auftrag: nicht das Heilige Grab zu verteidigen, sondern die Menschlichkeit.