Thema 1
Erörterung eines literarischen Textes
Thema: William Shakespeare (* 1564 – † 1616): Hamlet (1601) Johann Wolfgang Goethe (* 1749 – † 1832): Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96) Aufgabenstellung:- Erschließe das im Auszug aus dem Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre von Johann Wolfgang Goethe vermittelte Hamlet-Bild.
- Erörtere diese Sicht auf Hamlet vor dem Hintergrund deiner Kenntnisse zu William Shakespeares Tragödie.
„[...]
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Und da der Geist verschwunden ist, wen sehen wir vor uns stehen? Einen jungen Helden, der
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nach Rache schnaubt? Einen gebornen Fürsten, der sich glücklich fühlt, gegen den Usurpator
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seiner Krone aufgefordert zu werden? Nein! Staunen und Trübsinn überfällt den Einsamen; er
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wird bitter gegen die lächelnden Bösewichter, schwört, den Abgeschiedenen nicht zu
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vergessen, und schließt mit dem bedeutenden Seufzer: ,Die Zeit ist aus dem Gelenke; wehe
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mir, daß ich geboren ward, sie wieder einzurichten.‘
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In diesen Worten, dünkt mich, liegt der Schlüssel zu Hamlets ganzem Betragen, und mir ist
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deutlich, daß Shakespeare habe schildern wollen: eine große Tat auf eine Seele gelegt, die
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der Tat nicht gewachsen ist. Und in diesem Sinne find ich das Stück durchgängig gearbeitet.
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Hier wird ein Eichbaum in ein köstliches Gefäß gepflanzt, das nur liebliche Blumen in seinen
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Schoß hätte aufnehmen sollen; die Wurzeln dehnen sich aus, das Gefäß wird zernichtet.
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Ein schönes, reines, edles, höchst moralisches Wesen, ohne die sinnliche Stärke, die den
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Helden macht, geht unter einer Last zugrunde, die es weder tragen noch abwerfen kann; jede
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Pflicht ist ihm heilig, diese zu schwer. Das Unmögliche wird von ihm gefordert, nicht das
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Unmögliche an sich, sondern das, was ihm unmöglich ist. Wie er sich windet, dreht, ängstigt,
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vor- und zurücktritt, immer erinnert wird, sich immer erinnert und zuletzt fast seinen Zweck aus
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dem Sinne verliert, ohne doch jemals wieder froh zu werden.“
Aus: Goethe, Johann Wolfgang: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Stuttgart: Reclam 1982, S. 254 f. William Shakespeare: Hamlet
Figuren | |
---|---|
Hamlet | Prinz von Dänemark |
Claudius | König von Dänemark, Hamlets Onkel |
Getrude | Königin von Dänemark, Hamlets Mutter |
Polonius | Kämmerer des König |
Ophelia | Tochter des Polonius |
Laertes | Sohn des Polonius |
Horatio | Freund und Vertrauter Hamlets |
Rosenkreuz und Güldenstern | Jugendfreunde Hamlets |
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Teilaufgabe 1
Vorarbeit
-
Lies dir den Text zunächst aufmerksam durch und markiere Satzteile oder Wörter, die dir auffallen. Auch hilft es, wenn du dir stichwortartig Notizen zum Thema des Textes machst
Einleitung
- Der Bildungsroman Wilhelm Meisters Lehrjahre aus der Feder des Autors Johann Wolfgang Goethe ist auf die Jahre 1795/96 zu datieren.
- In seinem Werk befindet sich der junge Romanheld und Protagonist Wilhelm Meister auf dem Werdegang zum Erwachsenen und verläuft dabei verschiedene Stadien. Er geht seinem Wunsch einer Schauspielerausbildung nach, möchte sich selbst verwirklichen, verstrickt sich in Liebesverhältnisse, lernt unterschiedliche Gesellschaften kennen, führt das Stück„ Hamlet“ auf und inszeniert dabei den gleichnamigen Protagonisten als sein Vorbild.
- Im Folgenden soll zunächst die Figurenkonzeption des Hamlets in Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre erläutert werden, bevor in einem zweiten Schritt diese Sichtweise in Bezug auf Shakespeare Tragödie Hamlet erörtert wird.
Hauptteil
Das Hamlet-Bild in Wilhelm Meisters Lehrjahre von Johann Wolfgang Goethe- Der Protagonist Wilhelm zeigt im Werk von Anfang an eine starke Affinität zu Shakespeare und insbesondere zu seinem Werk Hamlet auf, welches er aufführen und in dem er die Titelrolle Hamlet spielen möchte.
- Hamlet fungiert als eine Art Vorbild für den Protagonisten Wilhelm Meister. Wilhelm versucht sich in die Gefühle der Figur Hamlet hineinzuversetzen und identifiziert sich mit ihr. Der Schriftsteller Shakespeare und sein Werk Hamlet werden dabei von ihm erhöht und als unantastbar dargestellt.
- Bei der Figur Hamlet in Wilhelm Meisters Lehrjahre handelt es sich um einen Königssohn.
- Im vorliegenden Textauszug wird Hamlet als edler und majestätisch „gebor[ener] Fürst (Z. 2)“ mit einem moralisch guten Charakter beschrieben (Vgl. Z. 12).
- Hamlet ist ein einsamer Einzelgänger (Vgl. Z. 3).
- Das Hamlet-Bild umfasst einen gebildeten, gutmütigen, jedoch planlosen und zögernden Menschen (Vgl. 15f.). Hamlet scheut sich vor Entscheidungen: „Wie er sich windet, dreht, ängstigt, vor- und zurücktritt.“ (Z. 15 f.)
- Seine Gemütslage geht durchgehend mit einem Zustand der Angst und Melancholie sowie des Wahnsinns einher (Vgl. 15ff.).
- Der Auftrag des väterlichen Geistes, sich an seinem Bruder (Claudius) zu rächen: „Die Zeit ist aus dem Gelenke; wehe mir, daß ich geboren ward, sie wieder einzurichten.“ (Z. 5f.)
Schluss
- Im Werk Wilhelm Meisters Lehrjahre kontrastiert Goethe die Entwicklung eines jungen Mannes auf seiner Laufbahn als Schauspieler.
- Das im Werk dargestellte Hamlet-Bild spiegelt einen Titelhelden wider, der von Wilhelm inszeniert und stellenweise sogar verzerrt wird, um sich bestmöglich mit ihm zu profilieren.
- Im Laufe der Geschichte wird sich zeigen, dass das Theater seine Scheinwelt jedoch nicht länger aufrechterhalten kann. Es dauert seine Zeit, bis Wilhelm hinter der Illusion und Inszenierung der Theatergesellschaft die Schattenseiten dieser Welt kennenlernt.
Teilaufgabe 2
Überleitung
- Das ursprüngliche Hamlet-Bild, an dem sich Goethe in „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ bedient, entstammt Shakespeares Tragödie unter dem gleichnamigen Titel Hamlet.
- Shakespeares weltberühmtes Werk Hamlet ist auch als Rachetragödie bekannt, wurde zwischen 1601 und 1602 geschrieben und zwei Jahre später veröffentlicht. Der Titelheld stammt aus einer dänischen Königsfamilie.
- Im zweiten Teil dieser Aufgabe soll zunächst untersucht werden, wie die originale Titelfigur Hamlet in Shakespeares Werk dargestellt wird. In einem zweiten Schritt soll der Zusammenhang beider Hamlet-Bilder in Hinsicht auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede erörtert werden.
Hauptteil
Das Hamlet-Bild in William Shakespeares Tragödie Hamlet- Der junge dänische Kronprinz zeichnet sich durch ein gebildetes, intelligentes und eloquentes Auftreten aus.
- Dennoch ist er ein Außenseiter und Einzelgänger, der sich nicht gesellschaftlich integriert fühlt.
- Er legt Wert auf ein gepflegtes optisches Erscheinungsbild und zeigt Interesse am Schauspiel.
- Er verhält sich seinem verstorbenen Vater gegenüber aufrichtig und ehrlich
- Allerdings ist er auch melancholisch und suizidgefährdet
- Er setzt seine Pläne nicht in die Tat um.
- Er wirkt nachdenklich, unentschlossen und zögerlich
- Er glaubt an das Übernatürliche und an die Existenz des metaphysischen Geistes seines Vaters.
- Er zeigt Weltfremdheit und Unerfahrenheit.
- Er leidet unter emotionaler, melancholischer Verstimmung und Selbstzweifel.
- Er empfindet ein ähnliches Familienschicksal wie die Trauer um den Tod des Vaters und betrachtet die schnelle Wiederheirat der Mutter mit dem Bruder des Vaters als Verrat.
- Er glaubt an den metaphysischen Geist seines Vaters.
- Sein Verhalten ist von keinem aktiven Handeln geprägt, sondern von zögerlicher und unsicherer Art.
- Er fühlt sich fremdgesteuert durch den Geist seines Vaters, der immer wieder eingreift und Hamlet zum Handeln bewegt.
- Schließlich plant er eine Racheaktion gegenüber Claudius, dem Bruder seines verstorbenen Vaters.
- voreingenommene und subjektive Sichtweise auf Hamlet in Wilhelm Meisters Lehrjahre; keine Kritikausübung, sondern Illusionierung des Hamlet-Bildes
- Der Wahnsinn von Hamlet in Goethes Tragödie: Er spielt den Wahnsinnigen und verstellt sich, um den Tod seines Vaters aufzuklären. Er versucht mit seinem gezielt abnormalen Verhalten, seiner wirren Sprache und einem ungepflegten Erscheinungsbild, die Menschen in seinem Umfeld zu täuschen.
- Die Bedeutung der mütterlichen Sexualität in Goethes Tragödie: Hamlet verehrt seine Mutter trotz ihres Verrats an seinem Vater und ist an ihrer sexuellen Beziehung zu Claudius interessiert.
Schluss
- Das Fazit aus den genannten Punkten ist, dass der junge dänische Kronprinz ein komplexes und vielschichtiges Charakterbild zeigt. Er ist gebildet, intelligent und eloquent, aber auch ein Außenseiter und Einzelgänger, der sich nicht integriert fühlt. Sein gepflegtes optisches Erscheinungsbild und sein Interesse am Schauspiel stehen im Kontrast zu seiner melancholischen Verstimmung und Selbstzweifel.
- Weiterhin erfahren wir, dass Hamlet an das Übernatürliche und die Existenz des metaphysischen Geistes seines Vaters glaubt, was sein zögerliches und unsicheres Verhalten erklären könnte.
- Die Parallelen zwischen den Hamlet-Bildern zeigen seine Weltfremdheit und Unerfahrenheit sowie sein Gefühl der Fremdsteuerung durch den Geist seines Vaters. Seine Racheaktion gegenüber Claudius spiegelt seinen inneren Konflikt wider.
- Im Vergleich zu anderen Darstellungen von Hamlet in Literaturwerken wie Wilhelm Meisters Lehrjahre oder Goethes Tragödie zeigt sich eine voreingenommene Sichtweise auf Hamlet sowie unterschiedliche Interpretationen seines Wahnsinns und seiner Beziehung zur mütterlichen Sexualität.
- Insgesamt wird deutlich, dass Hamlet als literarische Figur eine Vielzahl von psychologischen, sozialen und kulturellen Themen verkörpert.