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Analyse eines literarischen Textes mit weiterführendem Schreibauftrag
Thema: Ödön von Horváth (* 1901 - † 1938): Kasimir und Karoline (1932) Aufgabenstellung:- Interpretiere die vorliegende Szenenfolge aus dem Volksstück Kasimir und Karoline von Ödön von Horváth. Berücksichtige dabei insbesondere die Gestaltung der Beziehung und der Kommunikation zwischen Kasimir und Karoline.
(47 Punkte)
- Vergleiche die dargestellte Beziehung zwischen Kasimir und Karoline in dem gleichnamigen Volksstück von Ödön von Horváth mit der Beziehung zwischen Woyzeck und Marie in dem Dramenfragment Woyzeck von Georg Büchner. Berücksichtige dabei auch das Kommunikationsverhalten der beiden Paare.
(25 Punkte)
Das Volksstück „Kasimir und Karoline“ handelt von dem arbeitslosen Chauffeur Kasimir und der Büroangestellten Karoline. Es spielt auf dem Münchener Oktoberfest und in der Zeit der Weltwirtschaftskrise, die 1929 begann und neben anderen Faktoren in Deutschland zu Armut, sozialer Verelendung und Massenarbeitslosigkeit führte. Die folgende Szene setzt ein, als gerade ein Zeppelin die Festwiese überflogen hat. Es ist später Nachmittag.
Material
Kasimir und Karoline (1932)
Ödön von Horváth
3. Szene
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[ … ]
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KAROLINE […] Sie erblickt Kasimir; lächelt. Du, Kasimir. Jetzt werden wir bald alle fliegen.
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KASIMIR Geh so lasse mich doch aus. Er wendet sich dem Lukas zu und haut ihn vor einem
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stumm interessierten Publikum – – aber erst beim drittenmal knallt es und dann zahlt der
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Kasimir und wird mit einem Orden dekoriert.
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KAROLINE Ich gratuliere.
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KASIMIR Zu was denn?
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KAROLINE Zu deiner Auszeichnung da.
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KASIMIR Danke.
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Stille.
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KAROLINE Der Zeppelin, der fliegt jetzt nach Oberammergau, aber dann kommt er wieder
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zurück und wird einige Schleifen über uns beschreiben.
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KASIMIR Das ist mir wurscht! Da fliegen droben zwanzig Wirtschaftskapitäne und herunten
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verhungern derweil einige Millionen! Ich scheiß dir was auf den Zeppelin, ich kenne
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diesen Schwindel und hab mich damit auseinandergesetzt – – Der Zeppelin, verstehst du
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mich, das ist ein Luftschiff und wenn einer von uns dieses Luftschiff sieht, dann hat er so
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ein Gefühl, als tät er auch mitfliegen – – derweil haben wir bloß die schiefen Absätze und
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das Maul können wir uns an das Tischeck hinhaun!
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KAROLINE Wenn du so traurig bist, dann werd ich auch traurig.
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KASIMIR Ich bin kein trauriger Mensch.
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KAROLINE Doch. Du bist ein Pessimist.
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KASIMIR Das schon. Ein jeder intelligente Mensch ist ein Pessimist. Er läßt sie wieder stehen
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und haut abermals den Lukas; jetzt knallt es dreimal, er zahlt und bekommt drei Orden;
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dann nähert er sich wieder Karoline. Du kannst natürlich leicht lachen. Ich habe es dir
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doch gleich gesagt, daß ich heut unter gar keinen Umständen auf dein Oktoberfest geh.
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Gestern abgebaut und morgen stempeln, aber heut sich amüsieren, vielleicht sogar noch
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mit lachendem Gesicht!
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KAROLINE Ich habe ja gar nicht gelacht.
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KASIMIR Natürlich hast du gelacht. Und das darfst du ja auch – – du verdienst ja noch was
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und lebst bei deinen Eltern, die wo pensionsberechtigt sind. Aber ich habe keine Eltern
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mehr und steh allein in der Welt, ganz und gar allein.
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Stille.
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KAROLINE Vielleicht sind wir zu schwer füreinander – –
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KASIMIR Wie meinst du das jetzt?
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KAROLINE Weil du halt ein Pessimist bist und ich neige auch zur Melancholie – – – – Schau,
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zum Beispiel zuvor – – beim Zeppelin – –
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KASIMIR Geh halt doch dein Maul mit dem Zeppelin!
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KAROLINE Du sollst mich nicht immer so anschreien, das hab ich mir nicht verdient um dich!
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4. Szene
KASIMIR Habe mich gerne! Ab.
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KAROLINE sieht ihm nach; wendet sich dann langsam dem Eismann zu, kauft sich eine Portion
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und schleckt daran gedankenvoll.
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SCHÜRZINGER schleckt bereits die zweite Portion.
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KAROLINE Was schauns mich denn so blöd an?
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SCHÜRZINGER Pardon! Ich habe an etwas ganz anderes gedacht.
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KAROLINE Drum.
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Stille.
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SCHÜRZINGER Ich habe gerade an den Zeppelin gedacht.
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Stille.
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KAROLINE Der Zeppelin, der fliegt jetzt nach Oberammergau.
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SCHÜRZINGER Waren das Fräulein schon einmal in Oberammergau?
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KAROLINE Schon dreimal.
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SCHÜRZINGER Respekt!
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Stille.
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KAROLINE Aber die Oberammergauer sind auch keine Heiligen. Die Menschen sind halt
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überall schlechte Menschen.
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SCHÜRZINGER Das darf man nicht sagen, Fräulein! Die Menschen sind weder gut noch böse.
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Allerdings werden sie durch unser heutiges wirtschaftliches System gezwungen, egoisti-
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scher zu sein, als sie es eigentlich wären, da sie doch schließlich vegetieren müssen. Ver-
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stehens mich?
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KAROLINE Nein.
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SCHÜRZINGER Sie werden mich schon gleich verstehen. Nehmen wir an, Sie lieben einen
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Mann. Und nehmen wir weiter an, dieser Mann wird nun arbeitslos. Dann läßt die Liebe
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nach, und zwar automatisch.
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KAROLINE Also das glaub ich nicht!
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SCHÜRZINGER Bestimmt!
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KAROLINE Oh nein! Wenn es dem Manne schlecht geht, dann hängt das wertvolle Weib nur
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noch intensiver an ihm – – könnt ich mir schon vorstellen.
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SCHÜRZINGER Ich nicht.
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Stille.
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KAROLINE Können Sie handlesen?
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SCHÜRZINGER Nein.
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KAROLINE Was sind denn der Herr eigentlich von Beruf?
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SCHÜRZINGER Raten Sie doch mal.
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KAROLINE Feinmechaniker?
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SCHÜRZINGER Nein. Zuschneider.
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KAROLINE Also das hätt ich jetzt nicht gedacht!
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SCHÜRZINGER Und warum denn nicht?
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KAROLINE Weil ich die Zuschneider nicht mag. Alle Zuschneider bilden sich gleich soviel
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ein.
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Stille.
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SCHÜRZINGER Bei mir ist das eine Ausnahme. Ich hab mich mal mit dem Schicksalsproblem
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beschäftigt.
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KAROLINE Essen Sie auch gern Eis?
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SCHÜRZINGER Meine einzige Leidenschaft, wie man so zu sagen pflegt.
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KAROLINE Die einzige?
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SCHÜRZINGER Ja.
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KAROLINE Schad!
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SCHÜRZINGER Wieso?
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5. Szene
KAROLINE Ich meine, da fehlt Ihnen doch dann was.
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KASIMIR erscheint wieder und winkt Karoline zu sich heran.
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KAROLINE folgt ihm.
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KASIMIR Wer ist denn das, mit dem du dort sprichst?
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KAROLINE Ein Bekannter von mir.
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KASIMIR Seit wann denn?
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KAROLINE Schon seit lang. Wir haben uns gerade ausnahmsweise getroffen. Glaubst du mir
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denn das nicht?
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KASIMIR Warum soll ich dir das nicht glauben?
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Stille.
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KAROLINE Was willst du?
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Stille.
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KASIMIR Wie hast du das zuvor gemeint, daß wir zwei zu schwer füreinander sind?
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KAROLINE schweigt boshaft.
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KASIMIR Soll das eventuell heißen, daß wir zwei eventuell nicht zueinander passen?
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KAROLINE Eventuell.
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KASIMIR Also das soll dann eventuell heißen, daß wir uns eventuell trennen sollen – – und
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daß du mit solchen Gedanken spielst?
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KAROLINE So frag mich doch jetzt nicht!
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KASIMIR Und warum nicht, wenn man fragen darf?
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KAROLINE Weil ich jetzt verärgert bin. Und in einer solchen Stimmung kann ich dir doch
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nichts Gescheites sagen!
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Stille.
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KASIMIR So. Hm. Also das wird dann schon so sein. So und nicht anders. Da gibt es keine
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Ausnahmen. Lächerlich.
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KAROLINE Was redest du denn da?
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KASIMIR Es ist schon so.
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KAROLINE fixiert ihn: Wie?
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Stille.
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KASIMIR Oder ist das vielleicht nicht eigenartig, daß es dir gerade an jenem Tage auffällt,
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daß wir zwei eventuell nicht zueinander passen – – an jenem Tage, an welchem ich abge-
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baut worden bin?
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Stille.
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KAROLINE Ich versteh dich nicht, Kasimir.
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KASIMIR Denk nur nach. Denk nur nach, Fräulein!
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Stille.
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KAROLINE plötzlich: Oh du undankbarer Mensch! Hab ich nicht immer zu dir gehalten?
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Weißt es denn nicht, was das für Schwierigkeiten gegeben hat mit meinen Eltern, weil ich
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keinen Beamten genommen hab und nicht von dir gelassen hab und immer deine Partei
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ergriffen hab?!
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KASIMIR Reg dich nur ab, Fräulein! Überleg es dir lieber, was du mir angetan hast.
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KAROLINE Und was tust du mir an?
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KASIMIR Ich konstatiere eine Wahrheit. So. Und jetzt laß ich dich stehn – –
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6. Szene
Ab.
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KAROLINE sieht ihm nach ; wendet sich dann wieder dem Schürzinger zu; jetzt dämmert es
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bereits.
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SCHÜRZINGER Wer war denn dieser Herr?
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KAROLINE Mein Bräutigam.
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SCHÜRZINGER Sie haben einen Bräutigam?
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KAROLINE Er hat mich gerade sehr gekränkt. Nämlich gestern ist er abgebaut worden und
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da hat er jetzt behauptet, ich würde mich von ihm trennen wollen, weil er abgebaut wor-
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den ist.
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SCHÜRZINGER Das alte Lied.
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KAROLINE Geh reden wir von etwas anderem!
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Stille.
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SCHÜRZINGER Er steht dort drüben und beobachtet uns.
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KAROLINE Ich möcht jetzt mal mit der Achterbahn fahren.
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SCHÜRZINGER Das ist ein teurer Spaß.
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KAROLINE Aber jetzt bin ich auf dem Oktoberfest und ich hab es mir vorgenommen. Geh
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fahrens halt mit!
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SCHÜRZINGER Aber nur einmal.
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KAROLINE Also das steht bei Ihnen.
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Dunkel. […]
Aus: Ödön von Horváth: Kasimir und Karoline. Volksstück. In: Ders.: Prosa und Stücke. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2008, S. 764–770. (Erstveröffentlichung 1932) (Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen der Textquelle.)
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Einleitung
- Ödön von Horváths Kasimir und Karoline ist ein Volksstück, das die gesellschaftlichen Spannungen in der Weimarer Republik und den sozialen Verfall der Figuren inmitten der Wirtschaftskrise thematisiert.
- Die Beziehung zwischen Kasimir, einem arbeitslosen Chauffeur, und Karoline, einer Büroangestellten, bildet das emotionale Zentrum des Stücks.
- In der vorliegenden Szenenfolge (3. bis 6. Szene) manifestiert sich die Kommunikation zwischen den beiden durch eine Mischung aus Missverständnissen, Abwehrmechanismen und sozialen Masken, die sowohl ihre individuelle als auch die gesellschaftliche Krise widerspiegeln.
- Anhand dieser Szenen kann die Entwicklung ihrer Beziehung, die durch Sprachlosigkeit, resignierte Ausdrücke und eine zunehmende Entfremdung geprägt ist, analysiert werden. Dabei wird besonders deutlich, wie der Dialog und die Kommunikation als ein Spiegelbild der sozialen Umstände und der persönlichen Zerrüttung dienen.
Hauptteil
1. Die Beziehung zwischen Kasimir und Karoline- Die Beziehung zwischen Kasimir und Karoline ist zunächst durch eine Oberflächlichkeit geprägt. Dies wird schon zu Beginn der Szenenfolge klar, als Karoline Kasimir schüchtern anlächelt und ihm eine Art von Belohnung oder Auszeichnung zuschreibt (Vgl. Z. 5–6). Kasimir, der sich als enttäuschter und pessimistischer Mensch zeigt, reagiert darauf, indem er Karoline in einer Art resigniertem Sarkasmus gegenübertritt und durch seine pessimistische Weltsicht den Dialog mit ihr stets von einem Gefühl der Vergeblichkeit belastet.
- Schon in der ersten Reaktion Kasimirs (Vgl. Z. 7–8) wird seine Haltung zu der Beziehung deutlich: Er bedankt sich aus Pflichtgefühl, aber das Fehlen echter Freude oder Zuneigung ist spürbar. Hier zeigt sich bereits ein Frustrationselement, das durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Arbeitslosigkeit und die allgemeine Verzweiflung beider Charaktere noch verstärkt wird.
- In dieser Szene gibt Kasimir Karoline mit seiner Vorstellung von Melancholie und Pessimismus zu verstehen, dass er sich von der Welt entkoppelt fühlt. Karoline hingegen verhält sich flapsig und pragmatisch, während sie Kasimir in seinem Zustand der Lethargie und Schwermut nicht versteht.
- Ihre Gesprächsführung ist von einem geringen Interesse an einer tieferen Verständigung geprägt (Vgl. Z. 21–32). Sie geht von einer pragmatischen Weltsicht aus und strebt, ohne viel zu hinterfragen, nach einem „normalen“ Leben. Diese Kommunikationsblockaden zwischen den beiden sind ein zentrales Motiv, das die sozialkritische Dimension des Stücks unterstreicht.
- Die Missverständnisse und die sprachliche Entfremdung zwischen den beiden Figuren vertiefen sich weiter. Ein bemerkenswerter Moment ist, als Karoline Kasimir als „traurig[en]“ (Z. 19) Menschen bezeichnet, worauf er mit einer Verletztheit und einem Gefühl der Ohnmacht reagiert (Vgl. Z. 29–31).
- Dies zeigt, wie Kasimir durch seine Arbeitslosigkeit und das Fehlen eines klaren Lebensziels in eine Selbstzweifelspirale geraten ist. Er lässt Karoline den Eindruck, dass er in einem lebenslangen Konflikt mit sich selbst lebt. Hier wird die Trennung zwischen Wunschdenken und Realität deutlich – Karoline kann Kasimir nicht verstehen, weil sie keine tiefere Verbindung zu ihm aufbauen möchte, und Kasimir zieht sich immer weiter in seine Resignation zurück.
- Der Dialog zwischen den beiden zeigt eine zunehmende emotionale Isolation. Karoline spürt die Kluft, die sich zwischen ihnen auftut, da sie Kasimir als „Pessimist“ (Z. 21) abtut und ihn weiterhin in eine gesellige, oberflächliche Richtung drängt. Kasimir, der auf ihre oberflächlichen Bemerkungen reagiert, fühlt sich zunehmend unverstanden und schaltet sich aus der Kommunikation aus (Vgl. Z. 35–42). In diesem Moment wird deutlich, dass beide Figuren durch den gesellschaftlichen Druck und ihre persönlichen Ängste in eine innere Isolation gedrängt werden, die ihre Beziehung weiter zerstört.
- Das Thema der kommunikativen Entfremdung zwischen Kasimir und Karoline ist nicht nur eine private Angelegenheit, sondern auch ein Spiegelbild der sozialen Verhältnisse in der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Die Krise der Sprache zwischen den beiden lässt sich als Krise der Gesellschaft deuten, die von Armut, Verzweiflung und der Unfähigkeit geprägt ist, miteinander zu kommunizieren.
- Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die Arbeitslosigkeit und die Verarmung, entmenschlichen die Figuren und verstärken ihre Entfremdung voneinander. Kasimir und Karoline können nicht miteinander reden, weil sie in verschiedenen sozialen Welten leben, die von wirtschaftlicher Unsicherheit und sozialen Normen geprägt sind, die einen Austausch erschweren.
- In der Szene, in der Kasimir und Karoline über das Zeppelin sprechen (Z. 11–18), wird ihre soziale Distanz noch deutlicher. Kasimir spricht vom Zeppelin als Symbol für Wirtschaftskapitäne und gesellschaftliche Elite, während Karoline ihn in einem fast naiven Tonfall kommentiert. Dies verdeutlicht, wie stark die Kluft zwischen den sozialen Klassen und ihren Weltanschauungen ist. Kasimir und Karoline können sich nur in sehr flachen und oberflächlichen Gesprächen begegnen, da die soziale Entfremdung sie daran hindert, tiefer miteinander zu kommunizieren.
Fazit
- Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Beziehung und Kommunikation zwischen Kasimir und Karoline von Missverständnissen, sprachlicher Entfremdung und sozialer Isolation geprägt sind. Ihre Gespräche spiegeln eine tiefe Krise des Verständnisses wider, die sowohl ihre persönliche Beziehung als auch die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Weimarer Republik thematisiert.
- Kasimir und Karoline stehen symbolisch für die Auswirkungen von Armut und sozialer Verelendung auf zwischenmenschliche Beziehungen. In ihrer Kommunikationsweise wird die Verzweiflung und das Fehlen eines klaren Lebensziels sichtbar, was ihre Beziehung immer weiter entfernt. Diese Entfremdung ist nicht nur ein individuelles Problem der Figuren, sondern auch ein gesellschaftliches Phänomen, das durch die sozialen Umstände verstärkt wird.
- Horváth zeigt so auf eindrucksvolle Weise, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse die individuelle Kommunikation zerstören können, was das tragische Ende der Beziehung von Kasimir und Karoline vorausdeutet.
Teilaufgabe 2
Überleitung
- Die Beziehungen zwischen Kasimir und Karoline in Kasimir und Karoline von Ödön von Horváth und Woyzeck und Marie in Georg Büchners Woyzeck sind durch soziale Not und Entfremdung geprägt.
- Beide Paare leben in schwierigen gesellschaftlichen Verhältnissen, die ihre Kommunikation und ihre zwischenmenschlichen Bindungen beeinflussen. Der Vergleich der beiden Beziehungen zeigt, wie die äußeren Umstände das Kommunikationsverhalten und die Intimität der Paare bestimmen.
Hauptteil
1. Die soziale Situation und die Entfremdung der Paare- Kasimir und Karoline: Ihre Beziehung leidet unter der sozialen und wirtschaftlichen Krise der Weimarer Republik. Kasimir ist arbeitslos, Karoline lebt in einer pragmatischen Welt ohne tiefere emotionale Bindung zu Kasimir. Ihre Gespräche sind von Frustration und Missverständnissen geprägt, da sie sich nicht wirklich verstehen können (Vgl. Z. 33-39).
- Woyzeck und Marie: Auch Woyzeck und Marie befinden sich in prekären Verhältnissen. Woyzeck, als Soldat, und Marie, als seine untreue Partnerin, leben unter psychischen und sozialen Belastungen. Ihre Kommunikation ist verwirrt und von innerer Zerrissenheit geprägt, besonders durch Woyzecks psychische Probleme und Maries Untreue.
- Beide Paare zeigen die Auswirkungen von Armut und sozialer Ausgrenzung auf ihre Beziehungskommunikation. Bei Kasimir und Karoline ist die Entfremdung gegenseitig, während bei Woyzeck und Marie der einseitige psychische Verfall von Woyzeck die Kommunikation erschwert.
- Kasimir und Karoline: Die Kommunikation ist oberflächlich und von Missverständnissen gekennzeichnet. Kasimir reagiert auf Karolines Versuche, ihn zu verstehen, mit Pessimismus und Resignation (vgl. Z. 13–18). Karoline bleibt oft pragmatisch und gefühllos, was die Entfremdung verstärkt.
- Woyzeck und Marie: Woyzeck spricht oft verwirrt und emotional aufgewühlt, was seine innere Zerrissenheit widerspiegelt. Marie bleibt in ihren Antworten eher oberflächlich, und ihre Untreue trägt zur Entfremdung bei.
- In beiden Beziehungen fehlt es an echter emotionaler Kommunikation. Bei Kasimir und Karoline handelt es sich um eine gegenseitige Sprachlosigkeit, bei Woyzeck und Marie jedoch um eine einseitige Zerrüttung aufgrund von Woyzecks psychischen Problemen.
- In beiden Beziehungen fehlt es an echter Intimität und Vertrauen. Bei Kasimir und Karoline ist dies deutlich, als Karoline Kasimir als „Pessimist“ (Z. 21) bezeichnet und er darauf mit einer resignierten Reaktion antwortet (Vgl. Z. 22–27). Ihre Interaktionen sind von Fehlinterpretationen und einer emotionalen Entfremdung geprägt. Karoline zeigt wenig Verständnis für Kasimirs inneren Konflikt und bleibt in ihrer Weltsicht auf äußere Umstände und pragmatische Lösungen beschränkt.
- Auch bei Woyzeck und Marie ist die fehlende Intimität offensichtlich. Woyzeck, der von Wahnvorstellungen und innerer Zerrissenheit geplagt wird, findet bei Marie keine echte emotionale Unterstützung. Ihre Untreue ist ein weiteres Zeichen der emotionalen Entfremdung, die in der Beziehung herrscht. Die Loyalität, die in einer funktionierenden Beziehung existieren sollte, fehlt hier völlig, und die Kommunikation ist durch den inneren Schmerz und das Vertrauenskorsett, das ständig gesprengt wird, blockiert.
Schluss
- Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beide Paare durch sozial schwierige Umstände und fehlende Kommunikation geprägt sind.
- Während bei Kasimir und Karoline die Entfremdung gegenseitig ist und aus den sozialen und emotionalen Spannungen resultiert, ist bei Woyzeck und Marie die Entfremdung durch psychische Instabilität von Woyzeck stärker einseitig.
- Beide Paare sind Beispiele für die Zerstörung von Beziehungen durch äußere Belastungen und den Fehltritt von Kommunikation und Vertrauen.