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Part C

Your school is taking part in a European youth project called "Science Matters," which deals with questions of science and sustainability.
Write an article for the project website, presenting information on current research in the field of bioeconomy and the challenges faced.
26 BE

Fahrradhelme, Lampenschirme und Häuser - aus Pilzen!

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Wenn Vera Meyer Antworten aufdrängende Zukunftsfragen sucht, zieht es sie in Brandenburgs
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Wälder. An Birken oder Buchen finden die Berliner Biotechnologin und ihr Team Pilze wie
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den Zunderschwamm, der nun in einem Labor an der Technischen Universität Berlin kleine
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Wunder vollbringt: Auf Hanf-, Pappel- oder Rapsresten gezüchtet, verwandeln sich winzige
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Pilzfäden innerhalb von rund zwei Wochen in Baumaterial, einen Lampenschirm oder einen
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Fahrradhelm - ganz natürlich. [. ..]
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Klimawandel, Meere voller Plastik, schwindende landwirtschaftliche Nutzflächen und zur
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Neige gehende fossile Rohstoffe: Schon lange ist klar, dass es ohne ein Umdenken kaum gehen
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wird. Wissenschaftlerinnen wie Vera Meyer haben das Ziel, die heutige erdölbasierte
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Wirtschaftsform durch neue Ideen zu wandeln - hin zu einer nachhaltigen Nutzung
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nachwachsender Rohstoffe. Dafür steht der Begriff Bioökonomie. „Wir müssen uns alle
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umstellen. Aber es muss dadurch nicht unbedingt schlechter werden", betont Meyer.
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Bioökonomen geht es darum, Ressourcen zu schonen und gleichzeitig den Lebensstandard zu
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sichern. Sie denken zum Beispiel an Mikroorganismen, die Schadstoffe abbauen, an
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Kerosinersatz aus Algen oder an Kunststoffe, die sich leicht zersetzen.
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Es gibt dabei oft den Ehrgeiz, erfolgreiche Konzepte aus der Natur zu kopieren, zum Beispiel
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die federleichte, aber extrem widerstandsfähige Spinnenseide, die wasserabweisende
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Oberfläche von Lotusblättem oder die Haftkraft von Geckofüßen - und sie auf neue Produkte
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zu übertragen.
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Grundlagenforscherin Meyer bleibt bei aller Euphorie über die Potenziale von
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Mikroorganismen kritisch. „Nicht alles, was biologisch hergestellt wird, ist vom
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Wasserverbrauch oder CO2-Fußabdruck her günstiger und auch biologisch abbaubar", schränkt
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sie ein. Für sie war zum Beispiel die Idee, aus pflanzlichen Lebensmitteln Kraftstoffe wie
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Bioethanol zu gewinnen, im Rückblick eine Sackgasse.
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Darum sind die Zunderschwamm-Versuche im Labor auch gerade erst der Anfang einer langen
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Testreihe, bei der von Materialwissenschaftlern bis hin zu Architekten viele Disziplinen
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eingebunden sind. Für Meyer ist das der große Vorteil gegenüber vielen Unternehmen. „Wir
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haben an einer großen technischen Universität einfach alle, die wir brauchen." [...]
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In ihrem TU-Labor für Angewandte und Molekulare Mikrobiologie forscht auch Bastian
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Schubert. Aus Zunderschwamm-Zellen und pflanzlichen Reststoffen hat er sich einen
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Fahrradhelm wachsen lassen. Die Idee des Biotechnologie-Studenten ist inzwischen zu seiner
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Bachelorarbeit geworden. Das Ergebnis sitzt wie ein Pilzhut auf seinem Kopf. Der Prototyp hat
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eine samtweiche Oberfläche und duftet leicht nach frischem Stroh.
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Losradeln könnte Bastian Schubert damit noch nicht, denn sobald Wasser auf seinen Helm
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tropfte, würde der anfangen zu wachsen - und vermodern. Im Moment wäre seine Erfindung
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wahrscheinlich erst einmal eine Idee für ökologisches Schutzmaterial unter der herkömmlichen
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Außenhülle eines Fahrradhelms. Materialforscher müssen dazu aber noch herausfinden, ob das
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Naturprodukt bruchsicher und stoßfest genug ist, um DIN-Normen zu erfüllen. [...] Mittels
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Gentechnik könnten Pilzzellen so verändert werden, dass Baumaterialien nach Wunsch
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entstehen, ist Meyer überzeugt. Möglich wäre so zum Beispiel Rigips- oder Styroporersatz. Ihr
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Traum sei es, irgendwann Häuser aus Pilzmaterial konstruieren zu können - vielleicht
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erdbebensicherer als heute und ohne zusätzliche Umweltbelastung auch wieder leicht zu
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entsorgen.
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Völlige Luftschlösser sind solche Ideen nicht. Das Science Center Futurium zeigt in einer
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Ausstellung schon Baumaterialien aus Naturstoffen, darunter biologischen Zement. Die
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Methode funktioniere ähnlich wie bei den Organismen, die Korallenriffe bilden. Bei der
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Herstellung werde deutlich weniger CO2 produziert als bei vergleichbaren Baumaterialien,
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heißt es. Ein Start-up in den USA vertreibt das Produkt bereits.
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Bei der Industrie laufen Pilzforscher Meyer zufolge generell schon offene Türen ein - zum
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Beispiel mit veganem Pilzleder. Auch an Kleidung aus Pilzzellen wird geforscht. Die größte
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Hürde bleibt, eine ressourcenschonendere Ökoproduktion in herkömmliche Herstellungsprozesse
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einzupassen, sie massentauglich und bezahlbar zu machen.
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Ob aus ihren Pilzen etwas Praxistaugliches werden kann, hänge auch von deutscher
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Forschungsförderung ab, sagt Meyer. Die will sie beantragen. Und die Zeitachse danach? „Fünf
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bis zehn Jahre", schätzt die Wissenschaftlerin. „Es ist eine Frage der Manpower." Das Potenzial
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der geschätzt sechs Millionen Pilzarten, von denen erst rund 100.000 wissenschaftlich
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beschrieben seien, hält sie jedenfalls für völlig unterschätzt.
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Eines allerdings kommt Meyer bei Pilzen gar nicht in den Sinn: Steinpilze oder Pfifferlinge auf
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dem Teller. „Ich gehe sehr gern in den Wald. Aber Pilze essen mag ich überhaupt nicht gern."
von Leszczynski, U.: Fahrräder, Lampenschirme und Häuser - aus Pilzen! In: Die Welt. 15. Oktober 2020.

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