Thema 3
Interpretation literarischer Texte
Thema: Daniel Kehlmann (* 1975): Der Mentor [Auszug] (Komödie, Uraufführung 2012)Aufgabenstellung:
- Interpretiere den Textauszug unter besonderer Berücksichtigung des Gesprächsverlaufs und der Darstellung der Künstlerfiguren.
Eine Stiftung lädt zwei Schriftsteller, Rubin und Wegner, zu einem fünftägigen Arbeitstreffen. Rubin soll Wegner als Mentor helfen, sein aktuelles Theaterstück mit dem Titel „Namenlos“ zu überarbeiten. Beide erhalten ein Honorar von je 10.000 Euro.
Die Begegnung findet im Garten eines heruntergekommenen Jugendstil-Herrenhauses statt.
1
[…]
2
RUBIN Also, wie wollen wir vorgehen?
3
WEGNER Bezahlt werden wir auf jeden Fall. Das ist das Wichtigste.
4
RUBIN Da haben Sie recht. Wir könnten … Ich meine, theoretisch! Wir könnten es auch
einfach vortäuschen. Wir könnten übers Wetter reden, oder über Fußball.
einfach vortäuschen. Wir könnten übers Wetter reden, oder über Fußball.
5
WEGNER Ja.
6
RUBIN Interessieren Sie sich für Fußball?
7
WEGNER Gar nicht.
8
RUBIN Ich auch nicht.
9
RUBIN Aber wir würden etwas finden, wir könnten über irgendetwas reden, fünf Tage lang,
10
und die Zeit verstreichen lassen und unser Geld nehmen und heimgehen. Niemand
11
könnte es überprüfen.
12
WEGNER Niemand.
13
RUBIN Aber so leicht machen wir es uns nicht, oder? Jetzt habe ich es schon mal gelesen.
14
Da wollen Sie doch sicher wissen …
15
WEGNER Ein wenig neugierig bin ich schon.
16
RUBIN im Manuskript blätternd Das ist alles furchtbar.
17
WEGNER Bitte?
18
RUBIN Schrecklich. Ganz und gar schrecklich. Das taugt wirklich gar nichts. Bitte, das heißt
19
nicht, dass Sie nicht begabt sind. Nur merkt man es nicht. Nicht hier. Nicht in
20
diesem … Nicht hier. Pause. Im letzten Drittel sind kaum noch Tippfehler. Pause.
21
Ich hätte das nicht so drastisch formulieren sollen. Entschuldigen Sie. Es gibt schon
22
auch Stellen, die … Nein, es ist alles furchtbar.
23
WEGNER Machen Sie Witze?
24
RUBIN Schön wär’s. Ich war auf so etwas nicht gefasst. Sehen Sie, hier zum Beispiel. Aufs
25
Geratewohl herausgegriffen. „Ich erinnere mich nicht, wer ich bin. Ich wusste es
26
einmal, oder ich glaubte, es zu wissen, aber ich habe es so gründlich vergessen,
27
dass ich nicht einmal mehr weiß, wie es war, jemand zu sein. Ich beneide alle, die
28
gestorben sind. Sie haben das Recht erworben, tot zu sein, während ich mich nur
29
unter sie geschlichen habe wie ein Kind, das die Schule schwänzt.“
30
WEGNER Und?
31
RUBIN Wer sagt das? Wer spricht?
32
WEGNER Am Anfang geht es um Paul. Er ist gestorben, aber jetzt ist er wieder da.
33
RUBIN Paul sagt das?
34
WEGNER Das hängt vom Regisseur ab. Ich gebe das nicht vor.
35
RUBIN Zurück von den Toten?
36
WEGNER Ich bin kein Realist wie –
37
RUBIN Er ist gestorben, aber er kommt zurück?
38
WEGNER Warum nicht?
39
RUBIN Weil das schon viele probiert haben. Funktioniert selten.
40
WEGNER Sie sind Realist. Ich bin keiner. Auf der Bühne darf man Dinge behaupten, und die
41
Behauptung macht sie wahr.
42
RUBIN Oder hier zum Beispiel. „Wieso habe ich …“
43
WEGNER Wir haben eben unterschiedliche Vorstellungen –
44
RUBIN „… all die Fragen und all die Wünsche immer noch auf dem Herzen, als hätte das
45
Absterben mich nicht befreit, als könnte ich noch wollen, was ich will, ohne zu wollen,
46
ich wollte gar nichts mehr.“
47
WEGNER Wir haben unterschiedliche Vorstellungen davon, was Literatur sein soll und –
48
RUBIN „Als könnte ich noch wollen, was ich will.“ Klingt ja gut, für einen Moment. Aber was
49
heißt das? Und dann: „Ohne zu wollen, ich wollte gar nichts mehr.“ Wenn man das
50
schnell spricht, mit großer Geste, kann das für einen Augenblick funktionieren. Aber
51
wenn man es langsam … „Als könnte ich noch wollen, was ich will, ohne zu wollen,
52
ich wollte gar nichts mehr.“ Noch einmal: „Als könnte ich –“
53
WEGNER Hören Sie auf! Wenn man so vorliest … Er imitiert Rubins Tonfall. „Als Gregor
54
Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte.“ Aus unruhigen
55
Träumen? Wieso unruhigen Träumen? „Fand er sich in seinem Bett zu einem
56
ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“ Ungeheures Ungeziefer? Was soll denn das,
57
was heißt denn das, was ist das für ein Blödsinn?
58
RUBIN Mein Lieber, jetzt machen Sie es sich aber leicht. Wollen Sie wirklich –
59
WEGNER Nein, ich will mich nicht mit Kafka vergleichen, Herrgott! Ich will nur sagen: Was Sie
60
gerade machen, kann man mit jedem Text machen, mit wirklich jedem!
61
RUBIN Später gibt es dann diese zweite Stimme, diese Frau, aber ich habe keine Ahnung,
62
wer sie ist.
63
WEGNER Muss man alles erklären?
64
RUBIN Reiner Blödsinn macht noch kein Geheimnis. Pause. Fangen wir nochmal an.
65
Entschuldigen Sie bitte. Das war unsachlich. Erklären Sie mir: Worum geht es?
66
WEGNER Wie soll ich das in einem Satz erklären? Ich bin nicht beim Film. Wenn ich wüsste,
67
worum es geht, hätte ich das nicht schreiben müssen.
68
RUBIN Das haben Sie jetzt nicht wirklich gesagt, oder?
69
WEGNER Ich kann das nicht auf eine einfache Handlung reduzieren. Exposition, Konflikt,
70
Auflösung, dann geht man zufrieden ins Restaurant und dann nach Hause.
71
RUBIN So etwas haben Sie gemacht, ja, und das hat ja auch seine Berechtigung, aber ich
72
mache das nicht. Ich weiß nicht, wie wir uns verständigen sollen.
73
RUBIN Ich wollte Sie nicht kränken, Martin. Ich glaube, wie gesagt, ja durchaus, dass Sie
74
begabt sind, aber sagen Sie … Ich meine … Müssen Sie unbedingt schreiben?
75
Wangenroth kommt mit einem Tablett aus dem Haus,
76
darauf eine Teekanne und zwei Tassen.
77
WANGENROTH Der Tee. Läuft es gut?
78
RUBIN Lassen Sie uns allein!
79
Wangenroth erstarrt, dann geht er mitsamt dem Tablett wieder ins Haus.
80
WEGNER Bei Ihnen muss alles wohlkomponiert sein, ein klares Muster ergeben. Leute sollen
81
auftreten und abgehen, Streitgespräche, Pointen und Konflikte, am besten ist noch
82
die Einheit von Ort, Zeit und Handlung eingehalten, keine Zeitsprünge, keine
83
Verwirrung, und am Schluss irgendeine überraschende Wendung, aber bitte dann
84
auch wieder nicht zu überraschend.
85
RUBIN Ich mag Experimente. Was ich nicht mag, sind schlechte Stücke.
86
WEGNER Ist Ihnen die Vorstellung so unerträglich, dass die Zeiten sich verändern und dass
87
es mehr Arten gibt zu schreiben –
88
RUBIN Es gibt viele Arten zu schreiben, aber es gibt gute Ergebnisse und schlechte. Das
89
hier ist schlecht. Tot und missraten. Gesucht poetisches Geschwurbel ohne Poesie,
90
ohne Entwicklung, ohne Anfang und Ende. Sie haben das geschrieben, weil Sie sich
91
irgendwann entschieden haben, Schriftsteller zu sein, und weil man nicht gut
92
Schriftsteller sein kann, ohne irgendwas zu schreiben.
93
WEGNER Zwingen Sie mich jetzt aus den Kritiken zu zitieren?
94
RUBIN Die Stimme einer Generation, natürlich. Und das hier könnte ebenfalls gute Kritiken
95
bekommen, warum nicht? Es ist alles gleich wahrscheinlich, jede Kombination. Gute
96
Sachen bekommen gute Kritiken, schlechte Sachen bekommen schlechte Kritiken,
97
gute Sachen bekommen schlechte Kritiken, schlechte Sachen bekommen gute
98
Kritiken. Sie wissen doch, was für Leute in Zeitungen schreiben. Alles ist möglich.
99
Und es besagt nichts.
100
WEGNER Sie müssen das ja so sehen.
101
RUBIN Muss ich?
102
WEGNER Sie haben Ihre letzte gute Kritik etwa 1981 bekommen.
103
RUBIN Selbst wenn das stimmen würde –
104
WEGNER Ich stelle nur fest, dass ich nicht der Einzige bin, der meint, dass Sie den Anschluss
105
verpasst haben.
106
RUBIN An was bitte?
107
WEGNER Manche würden sagen, an so ziemlich alles.
108
RUBIN Und Sie gehören zu denen, die das sagen würden.
109
WEGNER Nein, ich gehöre zu denen, die sagen, es ist nicht alles so klar und einfach.
110
RUBIN Manches ist klar und einfach.
111
WEGNER Jeder kann sich irren. Auch Sie.
112
RUBIN Theoretisch auch ich.
113
WEGNER Sie könnten –
114
RUBIN Ich irre mich nicht.
115
WEGNER Können Sie nicht wenigstens zugestehen, dass Kunst immer subjektiv ist und
116
dass –
117
RUBIN Ich bekomme nicht zehntausend Euro, um zuzugestehen, dass Kunst subjektiv ist,
118
sondern um Ihnen zu sagen, was ich denke.
119
WEGNER Vielleicht sollte ich doch versuchen, Ihnen zu erklären, was ich mit dem Stück
120
vorhatte.
121
RUBIN Sie haben liebenswürdigerweise auf mein Alter hingewiesen. Das ist ja gerade das
122
Angenehme. Jemandem wie mir braucht man nichts mehr zu erklären. Für mich ist
123
das sehr erfreulich. Und vielleicht stimmt es ja, vielleicht habe ich nur ein wirklich
124
gutes Stück geschrieben und wiederhole mich seither. Aber wenigstens habe ich
125
ein gutes Stück geschrieben.
126
WEGNER Was mir nie gelingen wird?
127
RUBIN Die Wahrscheinlichkeit spricht gegen Sie. Und dieses Werk auch. Pause. Ich bin so
128
ratlos wie Sie. Man verlangt von uns, dass wir gemeinsam daran feilen. Dafür
129
werden wir bezahlt. Und unter uns gesagt, ich brauche das Geld. Ich habe drei
130
Mietwohnungen in drei Städten, zwei geschiedene Frauen mit hohen Ansprüchen
131
und keinen Filmvertrag seit längerer Zeit. Bei meinem Lebensstil hilft ein
132
Theaterklassiker gar nichts, zumal meiner seit zehn Jahren nur noch in der Schule
133
gelesen und nicht mehr aufgeführt wird, da helfen ausschließlich Filmverträge.
134
Warum, glauben Sie, habe ich all die Drehbücher geschrieben? Ich kann
135
zehntausend nicht ausschlagen. Von niemandem. Aber ich weiß nicht, wie ich das
136
hier retten soll. Er steht auf. Ich werde Herrn ... Ich werde den jungen Mann fragen,
137
was die Regeln für so einen Fall vorsehen. Irgendetwas muss ja geschehen. Und
138
nehmen Sie es nicht schwer. Ich könnte ja unrecht haben. Warum nicht? Er geht auf
139
das Haus zu, aber dann bleibt er noch einmal stehen. Es tut mir leid. Ich habe nicht
140
unrecht. Er geht hinein.
141
Martin Wegner sitzt reglos. […]
Aus: Kehlmann, Daniel: Der Mentor. In: Kehlmann, Daniel: Vier Stücke. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2021, S. 111 – 117. Rechtschreibung und Zeichensetzung entsprechen der Textquelle.
Weiter lernen mit SchulLV-PLUS!
monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?Einleitung
- In Daniel Kehlmanns Komödie Der Mentor treffen zwei Schriftsteller aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten: der junge, ambitionierte Martin Wegner und der alternde, einst gefeierte Dramatiker Benjamin Rubin.
- Im Zentrum des hier vorliegenden Auszugs steht das Spannungsverhältnis zweier gegensätzlicher Kunstauffassungen, das sich in einem zunehmend eskalierenden Gespräch widerspiegelt.
- Dabei werden nicht nur Fragen nach literarischer Qualität, Authentizität und Generationenunterschieden aufgeworfen, sondern auch Eitelkeit, Selbstbehauptung und das fragile Selbstverständnis von Künstlern thematisiert.
Hauptteil
Gesprächsrahmen und Einstiegssituation- Der Dialog entfaltet sich im Garten eines vernachlässigten Jugendstil-Herrenhauses. Anlass des Treffens ist ein Mentorenprojekt, das Rubin dazu verpflichtet, Wegner in seiner künstlerischen Entwicklung zu begleiten. Bereits zu Beginn (Vgl. Z. 1–15) wird deutlich, dass beide Gesprächspartner das offizielle Ziel dieses Arbeitstreffens nicht allzu ernst nehmen.
- Rubin eröffnet das Gespräch mit ironischer Distanz, spricht davon, sich stattdessen über das Wetter oder Fußball zu unterhalten (Vgl. Z. 4), da der Lohn ohnehin gesichert sei. Sein wiederholtes „wir“ suggeriert Gleichrangigkeit, dient jedoch eher der Maskierung seiner Überlegenheit. Wegner reagiert zurückhaltend zustimmend („Ja.“, Z. 5; „Niemand.“, Z. 12), was seine Unsicherheit im Umgang mit dem prominenteren Kollegen zeigt.
- Mit einem unerwartet scharfen Urteil eröffnet Rubin den zweiten Teil des Gesprächs (Vgl. Z. 16–74): „Das ist alles furchtbar.“ (Z. 16). Seine Kritik ist kurz, absolut und bewusst verletzend. Zwar versucht er, diesen Angriff scheinbar zu relativieren („das heißt nicht, dass Sie nicht begabt sind“, Z. 18 f.), doch seine Aussagen unterstellen letztlich fehlendes Talent: „Nur merkt man es nicht.“ (Z. 19). Wegner reagiert fassungslos und empört („Machen Sie Witze?“, Z. 23), versucht jedoch sachlich zu bleiben, indem er seine künstlerische Freiheit betont („Ich schreibe Dichtung“, Z. 32) und den Vorwurf der Unverständlichkeit kontert.
- Rubin bleibt in seiner Kritik konkret und polemisch. Er zitiert Wegners Text und kritisiert dessen metaphorische Dichte als realitätsfern und bedeutungslos (Vgl. Z. 24–29, 48–52). Besonders deutlich wird dies, als Rubin eine Passage des Stücks vorliest („Ich wusste nicht, dass der Himmel sich so biegen kann“, Z. 25) und sie als sinnfrei abtut. Wegner verteidigt sich, argumentiert mit dem Recht auf poetische Ausdrucksformen und stellt fest: „Wir haben eben unterschiedliche Vorstellungen“ (Z. 43) – eine explizite Feststellung unvereinbarer Kunstauffassungen.
- In einem provokanten Versuch der Entkräftung vergleicht Wegner sein Schreiben mit dem Kafkas in Die Verwandlung (Vgl. Z. 53–58), was Rubin als Anmaßung interpretiert. Die Konfrontation kulminiert in einem sarkastisch-aggressiven Ton Rubins, der Wegner vorwirft, nicht zu wissen, worüber er schreibe. Wegner wiederum hält Rubin vor, „den Anschluss verpasst“ zu haben (Z. 104 f.) – ein harter Vorwurf gegenüber einem etablierten Künstler.
- Wegners Verweis auf positive Kritiken kontert Rubin mit genereller Medienskepsis: „Alles ist möglich. Und es besagt nichts.“ (Z. 98 f.). Damit diskreditiert er sowohl die Öffentlichkeit als Bewertungsinstanz als auch Wegners Selbstbewusstsein.
- In einer stichomythischen Zuspitzung (Vgl. Z. 106–114) prallen die Positionen unversöhnlich aufeinander: Während Rubin absolute Maßstäbe für künstlerische Qualität beansprucht („Ich irre mich nicht“, Z. 114), besteht Wegner auf Subjektivität und der Möglichkeit von Irrtum.
- Rubins abschließende Bemerkungen (Vgl. Z. 115–141) werfen ein Licht auf seine tatsächliche Lage. Trotz demonstrierter Überlegenheit offenbart er finanzielle Abhängigkeit: Er müsse das Mentorenprojekt durchziehen, um seine drei Mietwohnungen und zwei Ex-Frauen zu finanzieren (Vgl. Z. 129–133).
- Seine arrogante Bemerkung: „Ich habe nicht unrecht“ (Z. 139 f.) entlarvt dabei sein Bedürfnis nach Bestätigung und Kontrolle. Wegners sprachloses Verstummen am Ende („Martin Wegner sitzt reglos.“, Z. 141) zeigt die Wirkung dieser Machtinszenierung.
- Die Figur des Benjamin Rubin erscheint als Inbegriff des alternden, eitel-verbitterten Künstlers, der seine frühere Bedeutung zu konservieren versucht. Sein herablassender Ton („Mein Lieber“, Z. 58), seine sarkastischen Bemerkungen und die kategorische Abwertung moderner Literatur spiegeln seine Unfähigkeit, andere ästhetische Positionen zu akzeptieren.
- Gleichzeitig zeigt sich in seiner Lebenslage ein tragischer Zug: Rubin ist materiell angeschlagen, isoliert und auf öffentliche Förderung angewiesen.
- Wegner dagegen repräsentiert die junge Generation: selbstbewusst, kritisch, aber auch verletzlich. Er verweist auf Rezensionen, kennt Rubins Ruf und versucht, sich über Reflexion und Ironie zu behaupten. Die Imitation Rubins (Vgl. Z. 53) verdeutlicht seinen Willen zur Provokation. Seine Äußerungen zeigen aber auch eine gewisse Überheblichkeit, wenn er Rubin vorwirft, nicht mehr relevant zu sein.
- Die Szene verdeutlicht den tiefen Riss zwischen zwei künstlerischen Selbstverständnissen. Während Rubin eine kanonische Vorstellung von Qualität verteidigt, steht Wegner für Subjektivität, Offenheit und poetische Autonomie.
- Der Konflikt ist exemplarisch für den Generationendiskurs in Kunst und Literatur. Kehlmanns Komödie entlarvt dabei die Eitelkeiten, Abhängigkeiten und Fragwürdigkeiten beider Positionen – ohne sich eindeutig zu positionieren.
Fazit
- Der Mentor bietet einen pointierten Einblick in das Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation, Erfahrung und Aufbruch, Macht und Verletzlichkeit.
- Kehlmann gelingt es, durch präzise Dialoge und charakterstarke Figuren die Fragwürdigkeit absoluter Urteile über Kunst sowie die menschliche Komponente des künstlerischen Schaffens herauszuarbeiten.
- Der literarische Dialog wird so zum Spiegel größerer Fragen nach Wahrheit, Anerkennung und dem Ringen um Bedeutung im kulturellen Raum.