Aufgabe 2
Interpretation eines Dramentextes
Thema:
Detlef Michel (* 1944): Filet ohne Knochen
Aufgabenstellung:
- Interpretiere den Dramentext.
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Dame: Eine Scheibe Rinderfilet, bitte. Aber ohne Knochen.
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Metzger: Das ist nicht so einfach meine Dame. Um nicht zu sagen, unmög-
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lich. Wissen Sie, wie es unsereins geht? Schlecht, sehr schlecht. Man wartet auf
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Kundschaft, und wenn sie endlich kommt, was verlangt sie dann? Unmögliches!
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Dame: Was ist daran unmöglich, wenn ich ein Filet will?
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Metzger: Ohne Knochen!
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Dame: Ohne Knochen, allerdings.
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Metzger: Filet ohne Knochen gibt es nicht. Filet ist ohne Knochen.
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Dame: Dann geben Sie mir eine Scheibe.
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Metzger: Gern.
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Dame: Aber ohne Knochen.
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Metzger: Meine Dame, ich glaube, wir haben uns nicht richtig verstanden. Ich
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habe Ihnen gesagt, daß Filet immer ohne Knochen ist. Merken Sie denn eigent-
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lich nicht, daß das blödsinnig ist? Das geht nicht!
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Dame: Wenn bei Ihnen nicht geht, na schön. Hol ichs mir eben woanders. Die
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Konkurrenz lauert überall, mein Herr!
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Metzger: Aber nun stellen Sie sich doch mal vor, Sie gehen in ein Möbelgeschäft
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und verlangen einen Tisch, aber mit Beinen.
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Dame: Ausgeschlossen! Ich habe zwei Tische, einen im Wohnzimmer und einen
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in der Küche. Was soll ich mit noch einem? Da kommt man hier rein, will ein
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Filet ohne Knochen, und schon wird man über seine Wohnverhältnisse ausge-
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fragt. Finden Sie nicht, daß das zu weit geht?
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Metzger: Ihre Tische interessieren mich überhaupt nicht. Ich wollte nur klarma-
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chen, daß es unsinnig ist, von einem tisch mit Beinen zu reden, weil jeder Tisch
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Beine hat, weil - sonst wärs kein Tisch, sondern eine Holzplatte. Und genauso
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unsinnig ist es von einem Filet ohne Knochen zu reden, weil ein Filet keine
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Knochen hat! Sonst wärs nämlich keins!
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Dame: Und was, wenn es doch welche hat?
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Metzger: Das gibt es nicht! Es gibt kein Filet mit Knochen!
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Dame: Will ich ja auch nicht! Ich will eins ohne! - Aber bitte, geh ich eben zur
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Konkurrenz und hol mir ein Kotelett. Mit Knochen.
Aus: Michel, Detlef: Filet ohne Knochen. In: Braun, Karlheinz (Hrsg.): Minidramen. Verlag der Autoren,
Frankfurt am Main 1987, S. 185 f.
Vorarbeit
- Lies dir zuallererst den Text ein paar Mal durch.
- Unterstreiche Schlüsselwörter sowie Textstellen, die dir besonders wichtig erscheinen.
- Notiere dir erste Gedanken und Auffälligkeiten zum Text.
Einleitung
- Ganz nach dem Motto „Der Kunde ist König“ kann man normalerweise davon ausgehen, dass einem beim Bestellen, beispielsweise im Restaurant sprachliche Unkenntnisse verziehen werden.
- Allein aus Eigeninteresse etwas verkaufen zu wollen, würden die meisten höchstens einmal kurz auf den Fehler hinweisen. So nicht im einaktigen Drama Filet ohne Knochen aus dem Jahr 1987, geschrieben von Detlef Michel.
- Hier endet ein einfaches sprachliches Missverständnis in einem Konflikt zwischen Metzger und Kundin, sodass es letztlich nicht einmal zum Verkauf kommt.
Hauptteil
- Eine kurze vorangestellte Erläuterung macht deutlich, dass die Szene in einer Metzgerei, in der sich eine Dame und ein Metzger befinden, spielt.
- Das Verkaufsgespräch beginnt klassisch mit der Bestellung, indem die Dame ihren Wunsch äußert: „Eine Scheibe Rinderfilet, bitte. Aber ohne Knochen.“ (Z. 1).
- Der Zusatz, dass das Filet ohne Knochen sein soll, ist selbstverständlich überflüssig. Dem Metzger scheint die richtige sprachliche Formulierung sehr wichtig zu sein, doch er geht zunächst nur indirekt auf die Bestellung ein.
- Er wirft der Dame vor, sie verlange Unmögliches von ihm (Vgl. Z. 4). Er stellt rhetorische Fragen, die er direkt selbst beantwortet und beklagt sich über das „[s]chlecht, sehr schlecht“ (Z. 3) laufende Metzgergeschäft.
- Woraufhin die Dame irritiert fragt „was [...] daran unmöglich [ist], wenn [sie] ein Filet will“ (Z. 5), da sie nicht zu wissen scheint, dass ein Filet voraussetzt, keine Knochen zu haben und es nur um ihre Ausdrucksweise geht.
- Der Metzger weist die Dame darauf hin (Vgl. Z. 8) und es wirkt, als hätte sich das Missverständnis geklärt, bis die Dame abermals betont, dass sie ihr Filet „[a]ber ohne Knochen“ (Z. 11) haben möchte.
- Nun schwindet auch jegliche Höflichkeit seitens des Metzgers, er spricht sie lediglich noch überhöflich mit „[m]eine Dame“ (Z. 12) an und erklärt ihr, wie „blödsinnig“ (Z. 14) ihr Wunsch sei und dass dies nicht gehe (Vgl. Z. 14).
- Anschließend fühlt sich auch die Dame angegriffen und droht dem Metzger gereizt, woanders hinzugehen, um ihr Filet zu bekommen, so wie sie es möchte (Vgl. Z. 15 f.).
Dabei übernimmt sie die ironische Formulierung des Metzgers und beendet ihren Satz mit „mein Herr!“
(Z. 16). - Ihre Ausdrucksweise wird zunehmend umgangssprachlicher und das Ausrufezeichen am Satzende betont das Echauffieren der Dame über den Metzger.
- Erneut versucht der Metzger anschließend anhand eines Beispiels der Dame zu erklären, worin der sprachliche Fehler liegt. Er vergleicht hierzu das Filet ohne Knochen mit „eine[m] Tisch, aber mit Beinen“
(Z. 18). - Fälschlicherweise entsteht dadurch ein weiteres Missverständnis, da die Dame den Zusammenhang nicht versteht und im Glauben ist, der Metzger möchte sie über ihre Wohnverhältnisse ausfragen (Vgl. Z. 20 f.).
- Durch ihre aufgeregten Fragen, wie: „Finden Sie nicht, daß das zu weit geht?“ (Z. 22) wird ihre Empörung ziemlich deutlich.
- Der Metzger versucht abermals die Situation zu klären und seinen Vergleich zwischen dem Filet und dem Tisch klarzustellen. Gefrustet bricht er schließlich seinen Satz ab und beendet ihn pragmatisch mit einer umgangssprachlichen Formulierung:„ [...], weil - sonst wärs kein Tisch, sondern eine Holzplatte.“ (Z. 25)
- Er macht der Dame deutlich, dass ihre Ausdrucksweise „unsinnig“ (Z. 26) ist und auch er gerät immer mehr in Rage.
- Das Streitgespräch zwischen Metzger und Dame dreht sich offenbar im Kreis und nimmt kein sinnvolles Ende, da die Dame nicht zu verstehen scheint, was der Metzger ihr versucht, deutlich zu machen.
- Unabsichtlich provokant fragt die Dame, was wäre, wenn das Filet doch Knochen hätte (Vgl. Z. 28), woraufhin sich der Metzger nicht mehr halten kann und der Dame ein letztes Mal klipp und klar zu verstehen gibt, dass es kein Filet mit Knochen gibt (Vgl. Z. 29).
- Das Streitgespräch endet anschließend, da die Dame noch einmal betont, ein Filet ohne Knochen zu wollen und nun aber zu einem anderen Metzger gehe und sich dort ein Kotelett mit Knochen hole (Vgl. Z. 30 f.).
- Die Dame gibt durch ihre Aussage, ein Kotelett mit Knochen zu wollen, zu verstehen, dass sie immer noch kein sensibilisiertes Sprachgefühl besitzt und nicht versteht, dass dieser Anhang unnötig ist, da selbstverständlich jedes Kotelett Knochen besitzt, genauso wie jedes Filet wiederum knochenlos ist.
- Ausrufezeichen hinter den Aussagen beider Beteiligten implizieren ein sehr emotionales Gespräch, bei dem beide laut werden und sich möglicherweise sogar anschreien.
Schluss
- Das Gespräch zwischen Metzger und Dame hat gezeigt, welche Folgen eine missverständliche Kommunikation mit sich bringt und entlockt einem an der ein oder anderen Stelle ein Lächeln und gleichzeitig regt es auch zum Nachdenken an.
- Der kurze Dramentext macht deutlich, wie wichtig klare Kommunikation ist, aber auch, dass es hilfreich ist, die Unwissenheit anderer nicht gleich als Angriffsfläche zu nutzen.
- Man sollte versuchen, dem anderen zuzuhören und darauf einzugehen, anstatt, wie in diesem Beispiel, den anderen sprachlich anzugreifen und stur zu bleiben, bis es in sogar in einem Streit endet, der am Ende nicht mehr lösbar ist.