Aufgabe 3
Textbeschreibung Prosa
Thema:- Rainer Jerosch: Lächeln im Regen
- Untersuche diesen Prosatext.
- Gliedere dabei deinen Text in die folgenden Abschnitte und berücksichtige besonders die genannten Aspekte:
- → Einleitung: Nennung von Textart, Titel und Autor, Nennung des Themas und kurze Zusammenfassung des Inhalts
- → Hauptteil: Beschreibung der Handlung, Charakterisierung der Figuren, zentrale Konflikte, Stilmittel
- → Schluss: mögliche Intention des Autors, möglicher Transfer
- Formuliere einen zusammenhängenden, gegliederten Text. Achte auf korrekte Sprache und Rechtschreibung. Beides wird bewertet.
(50 P)
Material
Lächeln im Regen (vermutlich Anfang 21. Jahrhundert)
Rainer Jerosch
1
Regen fiel und die Luft war voller warmer Feuchtigkeit. Lächeln müsstest du, sagte er zu
2
sich, während er die Allee entlangging, lächeln, wie die Weisen im Orient es tun. Es ist nicht
3
wert, dass du mehr tust als lächeln. Und er lächelte auch, ein gezwungenes Lächeln, aber
4
er lächelte. Vor zehn Minuten hatte er sie noch gesehen. Es hatte schon zu regnen
5
begonnen.
6
„Wirklich nicht?“, fragte er.
7
„Nein“, sagte sie.
8
Ihre Augen hatten keinen Ausdruck. Es war, als sähe sie ihn am anderen Ende der Straße
9
und als wäre er dort und nicht neben ihr.
10
„Du bist so merkwürdig“, sagt er. „Ich weiß nicht, was los ist.“
11
„Es ist gar nichts los“, entgegnete sie widerwillig.
12
Sie sah die Straße hinunter und ihre Augen waren stumpf und ohne Glanz. An beiden Seiten
13
der Straße standen Bäume, und der Regen fiel, und die Blätter glänzten.
14
„Was ist nur mit dir los?“, sagte er. „Du bist schon voriges Mal so komisch gewesen.“
15
„Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst“, sagte sie. Sie stand am Hauseingang an die Tür
16
gelehnt. Er stand zwei Stufen tiefer auf den nassen Fliesen vor dem Haus.
17
„Ich möchte jetzt wissen, was dich so verändert“, sagte er. „Ich möchte das endlich mal
18
rauskriegen. Willst du mir nicht sagen, was los ist?“
19
„Nein“, sagte sie. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“
20
„Das weißt du sehr genau“, sagte er.
21
Sie antwortete nicht, und es entstand eine Pause. Es regnete, und sie blickte die Straße
22
hinunter auf die Blätter, und es war ein geheimnisvolles Rauschen in der Luft.
23
„Ich verstehe dich nicht“, sagte er. „Bin ich dir zu langweilig geworden, oder was ist los?“
24
„Ich weiß nicht, was du immer hast!“ Sie war sehr ungeduldig.
25
„Ich habe überhaupt nichts“, sagt er, „aber du tust so, als wäre ich Luft und als langweile
26
ich dich.“
27
Sie sagte nichts und blickte an ihm vorbei. Der Asphalt auf der Straße spiegelte den
28
Regenhimmel und die Erde zwischen Kantstein und Fußgängerweg war weich und moorig.
29
„Und morgen?“, fragt er.
30
„Ich sage dir doch, ich kann nicht!“ Sie sah auf die Häuser, die hinter den Bäumen hervor-
31
blickten und in großen, grünen Gärten standen.
32
„Gut“, sagte er und fühlte sich elend. „Gut, dann also nicht. Ich gebe die Theaterkarten
33
zurück.“
34
Sie rührte sich nicht und er fühlte sich scheußlich elend.
35
„Auf Wiedersehen!“, sagte er.
36
„Leb wohl“, entgegnete sie.
37
Dann klappte die Tür und er wusste, dass er jetzt fortgehen musste. Er drehte sich langsam
38
um und ging die Straße hinunter. Du solltest es nicht so ernst nehmen, sagte er sich. Es
39
lohnt sich nicht. Es lohnt sich wirklich nicht. Man müsste darüber lächeln können, wirklich
40
nur lächeln. Und er lächelte das gezwungene Lächeln, und es regnete durch die Bäume
41
vom grauen Himmel.
Aus: Jerosch, Rainer: Lächeln im Regen. In: Wie wir es sehen. Hg. von Hans-Georg Noak. Baden-Baden: Signal Verlag, 1964.
Weiter lernen mit SchulLV-PLUS!
monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?Einleitung
- Autor: Rainer Jerosch
- Titel: Lächeln im Regen
- Erscheinungsjahr: vermutlich Anfang 21. Jahrhundert
- Textsorte: Kurzgeschichte, Prosa
- Epoche: Neuzeit
- Quelle: Jerosch, Rainer: Lächeln im Regen. In: Wie wir es sehen. Hg. von Hans-Georg Noak. Baden-Baden: Signal Verlag, 1964.
- Thema: Auf das Thema der zwischenmenschlichen Entfremdung, enttäuschte sowie einseitige Liebe und Kommunikationslosigkeit wird näher eingegangen.
- Inhalt: In einer regnerischen Szenerie entfaltet sich ein Gespräch zwischen einem Mann und einer Frau, das von Missverständnissen und emotionaler Distanz geprägt ist. Der Mann versucht verzweifelt, die Ursache für das veränderte Verhalten der Frau zu ergründen, doch ihre Antworten bleiben ausweichend und kalt.
Hauptteil
1. Formale Analyse- Kürzerer Fließtext: 41 Zeilen
- Klassische Gliederung in Einleitung, Haupt- sowie Schlussteil
- Kurzgeschichte Lächeln im Regen von Rainer Jerosch beschreibt eine Begegnung zwischen einem Mann und einer Frau an einem regnerischen Tag.
- Der Mann geht eine Allee entlang und erinnert sich an ein Gespräch, das er vor zehn Minuten mit der Frau geführt hat.
- Während dieses Gesprächs versucht der Mann verzweifelt herauszufinden, warum sich die Frau ihm gegenüber so distanziert und emotionslos verhält. Die Frau antwortet jedoch nur kurz und abweisend, ohne ihm eine klare Erklärung zu geben.
- Der Mann stellt ihr mehrere Fragen und äußert seine Frustration über ihr verändertes Verhalten, doch die Frau bleibt unbeeindruckt und zeigt wenig Interesse an einer Lösung des Konflikts.
- Schließlich gibt der Mann auf und verabschiedet sich, während die Frau ebenso emotionslos Lebewohl sagt. Als der Mann die Straße hinuntergeht, versucht er, sich selbst zu trösten, indem er sich sagt, dass es sich nicht lohnt, die Situation ernst zu nehmen, und er zwingt sich zu einem Lächeln, obwohl er sich elend fühlt.
- Die Geschichte endet mit dem Bild des Mannes, der gezwungen lächelt, während der Regen weiterfällt und die melancholische Stimmung unterstreicht.
- Knapper Umfang: Die Kurzgeschichte hat nur etwas mehr als eine Seite, was typisch für das Genre ist und den Fokus auf eine prägnante Darstellung der Handlung ermöglicht.
- Unmittelbarer Beginn: Die Geschichte beginnt direkt mit der Beschreibung der Szenerie: „Regen fiel und die Luft war voller warmer Feuchtigkeit. Lächeln müsstest du, sagte er zu sich, während er die Allee entlangging (...)“ (Z. 1 f.). Es gibt keine lange Einleitung, sondern der Leser wird sofort in die Handlung hineingezogen.
- Alltägliche, aber bedeutsame Situation: Die Geschichte schildert eine alltägliche Begegnung und ein Gespräch zwischen einem Mann und einer Frau: „Vor zehn Minuten hatte er sie noch gesehen“ (Z. 4). Diese alltägliche Situation ist von großer emotionaler Bedeutung für die Charaktere.
- Wenige und alltägliche Figuren: Es gibt nur wenige Figuren: die männliche Hauptfigur, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, und die Freundin. Beide bleiben namenlos, was ihre Alltäglichkeit unterstreicht.
- Einsträngige Handlung: Die Handlung konzentriert sich ausschließlich auf die Gedanken des Mannes und das Gespräch mit der Frau. Es gibt keine Nebenhandlungen oder komplexen Erzählstränge.
- Begrenzte Handlungsorte: Die Handlung spielt hauptsächlich im Freien, entlang einer Allee und auf einer Straße: „im Freien (Allee (Z. 2), Straße (Z. 12 f.)“; Hauptfigur geht im Regen spazieren nach dem Gespräch mit der Freundin.
- Kurze Zeitspanne: Die erzählte Zeit erstreckt sich über einen sehr kurzen Zeitraum, maximal einen Nachmittag von ein bis zwei Stunden.
- Höhe- bzw. Wendepunkt: Der Wendepunkt der Geschichte ist das „Leb wohl!" (Z. 36) der Freundin, was deutlich macht, dass sie ihn nicht wiedersehen will. Sie geht ins Haus und lässt ihn draußen stehen: „Dann klappte die Tür (...)“ (Z. 37). Der Mann gibt seine Bemühungen um ein Gespräch auf: „und er wusste, dass er jetzt fortgehen musste.“ (Z. 37).
- Die Augen als Metapher für Desinteresse: Die Augen der Frau werden als „stumpf und ohne Glanz“ beschrieben (Z. 12), was ihr Desinteresse und ihre emotionale Abwesenheit verdeutlicht. Ihre leblosen Augen spiegeln ihre innerliche Distanz wider.
- Naturbeschreibung als Metapher: Das „geheimnisvolle Rauschen in der Luft“ (Z. 22) symbolisiert die Ratlosigkeit und das Gefühl der Ungewissheit des Mannes. Die Natur selbst scheint die geheimnisvolle und unklare Stimmung der Frau widerzuspiegeln.
- Ungleiches Machtverhältnis: Die Beschreibung, dass sie „am Hauseingang an die Tür gelehnt" steht, während er „zwei Stufen tiefer auf den nassen Fliesen vor dem Haus“ steht (Z. 15 f.), illustriert ein ungleiches Machtverhältnis in ihrer Beziehung. Die erhöhte Position der Frau symbolisiert ihre Überlegenheit oder ihre emotionale Distanz.
- Große emotionale Entfernung: Der Vergleich „Es war, als sähe sie ihn am anderen Ende der Straße und als wäre er dort und nicht neben ihr.“ (Z. 8 f.) betont die große emotionale Entfernung zwischen ihnen, obwohl sie physisch nah beieinander sind.
- Lebhaftere Umgebung: Die Personifikation „die Häuser, die hinter den Bäumen hervorblickten“ (Z. 30 f.) lässt die Umgebung lebendiger erscheinen als die Frau selbst. In diesem Moment wirken die unbelebten Gegenstände aktiver und präsenter als sie.
- Gegensatz zur Leblosigkeit: Der Gegensatz „an beiden Seiten der Straße standen Bäume, und der Regen fiel, und die Blätter glänzten.“ (Z. 12 f.) hebt ihre Leblosigkeit und ihr Desinteresse hervor. Die Natur um sie herum erscheint lebendig und frisch, im Gegensatz zu ihrer emotionalen Leere.
- Wiederholung als Ausdruck der Hilflosigkeit: Die wiederholte Frage „was los ist" (Z. 10, 14, 18, 23) zeigt das Bemühen und die Hilflosigkeit der Hauptfigur. Er versucht verzweifelt, eine Erklärung für ihr Verhalten zu finden.
- Einsilbige Antworten als Zeichen der Leere: Die Frau wiederholt ihre Abwehrhaltung und bestreitet, dass es ein Problem gibt, was die Wahrnehmung der Hauptfigur in Frage stellt:
- „Es ist gar nichts los.“ (Z. 11)
- „Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst.“ (Z. 15)
- „Ich weiß nicht, wovon du redest.“ (Z. 19)
- „Ich weiß nicht, was du immer hast!“ (Z. 24)
- „Ich habe überhaupt nichts.“ (Z. 25)
- Die Wiederholungen und Verstärkung: Die Sätze „Es lohnt sich nicht. Es lohnt sich wirklich nicht. Man müsste darüber lächeln können, wirklich nur lächeln“ (Z. 38 ff.) zeigen, wie der Protagonist sich selbst gut zureden will. Dieses „sich Selbst-Zureden“ tritt sowohl am Anfang als auch am Ende des Textes auf.
- Die Hauptfigur bemüht sich, den Schmerz über die Trennung von seiner Freundin so gut wie möglich zu bewältigen und zu kompensieren.
- Die Trennung scheint gegen seinen Willen erfolgt zu sein und ohne, dass er die Gründe dafür nachvollziehen kann. Innerlich ist er am Boden zerstört, was durch den Regen symbolisiert wird.
- Trotz seines großen Kummers versucht er, sich zusammenzureißen und optimistisch in die Zukunft zu blicken. Er zwingt sich zu einem Lächeln, da ihm dies als die rationalste Reaktion erscheint („Lächeln müsstest du, sagte er zu sich [...]“ Z. 1 f.; „[...] ein gezwungenes Lächeln, aber er lächelte“ Z. 3 f.).
- Der Gebrauch des Konjunktivs verdeutlicht, dass er sich selbst überzeugen will und dass dieses Lächeln noch kein echtes Gefühl des Glücks ausdrückt, sondern lediglich ein erzwungenes Lächeln ist (Z. 3, 40).
- Der Regen kann sowohl den Schmerz als auch die Möglichkeit eines Neuanfangs symbolisieren, indem er das Bild des „Reinwaschens“ heraufbeschwört. Somit stehen die Bilder von „Lächeln“ und „Regen“ sowohl für den Schmerz als auch für die Aussicht auf einen Neuanfang.
Fazit
- Die mögliche Intention des Autors in der Kurzgeschichte Lächeln im Regen könnte darin bestehen, die Sprachlosigkeit und Kommunikationsschwierigkeiten in Beziehungen zu thematisieren.
- Der Text verdeutlicht, wie die Unfähigkeit, offen über Probleme und das Ende einer Beziehung zu sprechen, zu Missverständnissen und emotionaler Distanz führen kann.
- Die Freundin des Protagonisten übernimmt offenbar keine Verantwortung für die Trennung und liefert keine verständliche Erklärung, was die Schwierigkeiten in der Kommunikation unterstreicht.
- Durch die Darstellung der emotionalen Diskrepanz zeigt der Autor, dass eine Beziehung von den Beteiligten ganz unterschiedlich wahrgenommen und empfunden werden kann, was zu Konflikten und einem Ungleichgewicht führt.
- Zudem wird der Umgang mit Krisen und Traurigkeit durch Selbstberuhigung und -bestärkung thematisiert.
- Der Protagonist redet sich selbst gut zu und versucht, sich durch erzwungenes Lächeln und Selbstüberzeugung zu trösten, was seine Verzweiflung und die schwierige Bewältigung der emotionalen Situation verdeutlicht.