Vorschlag A – Abgase von Dieselmotoren

Dieselkraftstoff besteht aus einem Gemisch verschiedener flüssiger Kohlenwasserstoff-Verbindungen und bildet den Treibstoff der Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren.
Um die Entzündlichkeit von verschiedenen Dieselkraftstoffen beurteilen zu können, wurde die Cetanzahl eingeführt. Dabei wird ein Dieselkraftstoff mit verschiedenen Gemischen aus leicht entzündlichem Cetan (\(n\)-Hexadecan) und zündträgem 1-Methylnapthalin verglichen.
Bei der Verbrennung von Dieselkraftstoff bilden sich ungewollt auch Stickstoffoxide. Aufgrund ihrer schädlichen Wirkung auf die Atmungsorgane sind diese Stoffe, die man oft unter dem Kürzel \(NO _x\) zusammenfasst, immer wieder in der umweltpolitischen Diskussion. Um ihren Ausstoß zu reduzieren, setzt man in Dieselfahrzeugen seit einigen Jahren die sogenannte SCR-Technologie ein. Dabei wird Harnstoff in den heißen Abgas-Strom eingespritzt.
Aufgrund seines Molekülbaus kann man Harnstoff zur Stoffgruppe der sogenannten Carbonsäureamide zählen. Ein weiterer Vertreter dieser Gruppe ist Ethansäureamid.
1.1
Cetan heißt mit wissenschaftlichem Namen \(n\)-Hexadecan. Hiervon existieren zahlreiche Konstitutionsisomere (Strukturisomere, Material 1).
Zeichne jeweils die Strukturformel für ein Beispiel von Konstitutionsisomer A sowie für ein Beispiel von Konstitutionsisomer B und beschrifte in Konstitutionsisomer A mindestens ein asymmetrisches C-Atom.
Benenne die gezeichneten Konstitutionsisomere A und B gemäß der IUPAC-Nomenklatur.
Hinweis
Die stereochemische Konfiguration muss im Rahmen der Benennung nicht angegeben werden.
(6 BE)
1.2
Material 2 beschreibt die wesentlichen Vorgänge zur Abgasbehandlung in einem SCR-Katalysator.
Formuliere jeweils die Reaktionsgleichung für die Thermolyse-Reaktion von Harnstoff sowie für die Hydrolyse-Reaktion von Isocyansäure (Material 2).
Formuliere für die Standard-SCR-Reaktion die Reaktionsgleichung (Material 2) und berechne mit Hilfe von Material 3 die Standard-Reaktionsenthalpie.
Formuliere für die Schnelle SCR-Reaktion (Material 2) die Reaktionsgleichung und zeige unter Angabe der wesentlichen Oxidationszahlen und Elektronenübergänge, dass es sich um eine Redox-Reaktion handelt.
(13 BE)
1.3
Eine handelsübliche AdBlue\(^{\circledR}\)-Lösung hat eine Dichte von \(\rho=1,09 \,\text g / \,\text{mL}\) und enthält einen Massenanteil von \(32,5 \,\%\) Harnstoff.
Berechne die in 1 Liter AdBlue\(^{\circledR}\)-Lösung enthaltene Stoffmenge an Harnstoff sowie die gesamte Stoffmenge an Ammoniak, die daraus gebildet werden kann.
Hinweis
Berücksichtige die bei der Thermolyse-Reaktion und Hydrolyse-Reaktion (Material 2) entstehende Gesamtmenge an Ammoniak.
Bestimme anschließend die Stoffmenge an Stickstoffmonooxid, die mit dieser Stoffmenge Harnstoff insgesamt im Standard-SCR-Verfahren (Material 2) umgesetzt werden kann.
(7 BE)
1.4
Ammoniak hat einen \(pK_B\)-Wert von \(4,76\) und bildet beim Einleiten in Wasser eine alkalische Lösung. Auch Methylamin (Aminomethan) bildet beim Einleiten in Wasser eine alkalische Lösung.
Beschreibe auch mit Hilfe einer Reaktionsgleichung sowie unter Verwendung des Donator-Akzeptor-Konzeptes die Bildung der alkalischen Lösung beim Einleiten von Ammoniak in Wasser.
Erläutere allgemein die Aussage des \(pK _B \)-Wertes und entscheide, ob Methylamin (Aminomethan) einen im Vergleich zu Ammoniak höheren oder niedrigeren \(pK _ B \)-Wert hat.
(10 BE)
1.5
Gelingt im Abgassystem keine vollständige Zersetzung des Harnstoffs, so können sich dort aus der Isocyansäure feste Ablagerungen aus Cyanursäure bilden.
Cyanursäure ist eine Verbindung, die sich im Labor unter bestimmten Bedingungen zu Isocyanursäure umwandeln kann (Material 4).
Begründe, dass Cyanursäure ebenso wie Benzol eine aromatische Verbindung ist.
Formuliere die Strukturformel von Isocyanursäure.
(7 BE)
1.6
Material 5 beschreibt einen Weg zur Herstellung eines Carbonsäureamids im Labor.
Entwickle unter Verwendung von Strukturformeln mit bindenden und nicht bindenden Elektronenpaaren einen möglichen Reaktionsmechanismus für Schritt 1 der Synthese von Ethansäureamid (Material 5).
Gib für das Ethansäureamid-Molekül die Oxidationszahlen der Kohlenstoff-Atome sowie des Sauerstoff-Atoms und des Stickstoff-Atoms an.
(7 BE)

(50 BE)

Material 1

Mögliche Konstitutionsisomere von \(n\)-Hexadecan

Von der Verbindung Hexadecan existieren 10359 Konstitutionsisomere (Strukturisomere).
Konstitutionsisomer A ist ein Konstitutionsisomer der Verbindung, das drei verschiedene Alkyl-Substituenten sowie mindestens ein asymmetrisches C-Atom enthält.
Konstitutionsisomer B ist ein Konstitutionsisomer der Verbindung, das kein asymmetrisches C-Atom enthält.

Material 2

Abgasbehandlung im SCR-Katalysator

Die im Dieselmotor während des Verbrennungsprozesses entstehenden Stickstoffoxide (z.B. Stickstoffmonooxid und Stickstoffdioxid) werden im Rahmen der SCR-Technologie (Selective Catalytic Reduction oder Selektive katalytische Reduktion) zunächst über einen Sensor analysiert. Je nach Konzentration werden dann unterschiedliche Mengen an sogenanntem AdBlue\(^{\circledR}\), einer wässrigen Harnstoff-Lösung, in den Abgastrakt des Fahrzeugs eingespritzt.
Der eingespritzte Harnstoff wird nun durch Hitze zu Isocyansäure \((HNCO)\) und Ammoniak \(\left( NH _3\right)\) zersetzt (Thermolyse-Reaktion). Die gebildete Isocyansäure reagiert anschließend mit Wasser zu weiterem Ammoniak und Kohlenstoffdioxid (Hydrolyse-Reaktion).
Der gebildete Ammoniak ist Ausgangsstoff für die eigentliche Reaktion im SCR-Katalysator und reagiert in Redox-Reaktionen mit den Stickstoffoxiden zu den ungiftigen Stoffen Stickstoff und Wasserdampf.
Zu den Reaktionen im SCR-Katalysator existieren je nach Abgas-Temperatur unterschiedliche Varianten, so z.B. die Standard-SCR und die Schnelle SCR:
Bei der Standard-SCR-Reaktion reagieren \(4 \,\text{mol}\) Ammoniak mit \(4 \,\text{mol}\) Stickstoffmonooxid und \(1 \,\text{mol}\) Sauerstoff zu \(4 \,\text{mol}\) Stickstoff und \(6 \,\text{mol}\) Wasserdampf.
Bei der Schnellen SCR-Reaktion reagiert Ammoniak mit Stickstoffmonooxid und Stickstoffdioxid zu Stickstoff und Wasserdampf.
hessen chemie abi lk 2021 aufgabe 1 abbildung 1 harnstoff
Harnstoff

Material 3

Thermodynamische Daten

Stoff Molare
Standardbildungs-
enthalpie
\(\Delta_fH_m^0 \bigg[\dfrac{\,\text{kJ}}{\,\text{mol}}\bigg]\)
Ammoniak \(-46\)
Sauerstoff \(0\)
Stickstoff \(0\)
Stickstoffmonoxid \(+90\)
Wasser (gasförmig) \(-242\)

Material 4

Cyanursäure und Isocyanursäure

hessen chemie abi lk 2021 aufgabe 1 abbildung 2 cyanursäure
Cyanursäure
Cyanursäure ist eine sogenannte heteroaromatische Verbindung. Eine solche heteroaromatische Verbindung leitet sich in ihrem Grundgerüst formal von Benzol ab, wobei hier drei Kohlenstoff-Atome durch Stickstoff-Atome ersetzt sind. Diese Stickstoff-Atome sind \(sp^2\)-hybridisiert.
Unter bestimmten Bedingungen kann sich Cyanursäure in einer Gleichgewichtsreaktion zur sogenannten Isocyanursäure umlagern, indem es im Molekül zu einer dreifachen intramolekularen Protonenwanderung kommt. Isocyanursäure zeigt keine aromatischen Eigenschaften.

Material 5

Herstellung eines Carbonsäureamids

Im Labor kann man ein Carbonsäureamid wie zum Beispiel Ethansäureamid unter anderem nach folgenden Reaktionsschritten herstellen:
hessen chemie abi lk 2021 aufgabe 1 abbildung 3 herstellung eines carbonsäureamids

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