Vorschlag B – Styrol und Polystyrol

Styrol (Phenylethen) wurde im Jahr 1835 zum ersten Mal aus dem Destillat des orientalischen Amberbaums gewonnen. Styrol dient heute zur Herstellung von Kunststoffen und wird im großtechnischen Maßstab hergestellt (Material 1).
Der wichtigste aus Styrol hergestellte Kunststoff ist Polystyrol, wobei die Synthese nicht nur radikalisch (Material 2), sondern auch anionisch erfolgen kann (Material 5).
Werden während des Polymerisationsprozesses von Styrol zu Polystyrol geeignete andere Verbindungen, wie zum Beispiel 1,4-Divinylbenzol (Material 6), zugegeben, entstehen andere Kunststoffe.
Die Verbindung 1,2,5,6,9,10-Hexabromcyclododecan befindet sich zum Beispiel in Polystyrol-Hartschaum, der in Gebäuden verbaut ist. Dieser Stoff dient als Flammschutzmittel und soll zur Gebäudesicherheit beitragen.
2.1
Formuliere mit Hilfe von Material 1 in Strukturformeln für die organischen Moleküle jeweils die Reaktionsgleichung für die Herstellung von Styrol sowie für jede der drei angegebenen Nebenreaktionen.
Erkläre die Bedeutung eines niedrigen Drucks sowie die Bedeutung der Verdünnung der Gase mit Wasserdampf für eine hohe Ausbeute an Styrol.
(12 BE)
2.2
Formuliere mit Hilfe von Material 2 unter Berücksichtigung zweier möglicher Abbruchreaktionen den Reaktionsmechanismus für die radikalische Polymerisation von Styrol zu Polystyrol.
(6 BE)
2.3
Erkläre, weshalb der Wert der molaren Standard-Polymerisationsentropie (Material 3) für die Reaktion von Styrol zu Polystyrol negativ ist.
Begründe mit Hilfe von Material 3 und Material 4 die Tatsache, dass die Reaktionstemperatur bei der Polymerisation von Styrol einen bestimmten Wert nicht überschreiten darf.
Hinweis
Eine Berechnung ist nicht erforderlich.
(8 BE)
2.4
Formuliere mit Hilfe von Material 5 unter Berücksichtigung des ersten und des zweiten Reaktionsschritts den Reaktionsmechanismus für die anionische Polymerisation von Styrol zu Polystyrol.
Formuliere unter Verwendung von Strukturformeln für die organischen Moleküle die Reaktionsgleichung für die in Material 5 genannte Protolysereaktion.
Begründe, dass die über eine anionische Polymerisation entstandenen Polystyrol-Makromoleküle alle annähernd die gleiche Molekülmasse bzw. Kettenlänge haben.
(11 BE)
2.5
Beschreibe und erläutere das Verhalten von Polystyrol beim Erwärmen.
Erkläre, wie sich die Eigenschaften des entstehenden Kunststoffs verändern, wenn während des Polymerisationsprozesses von Styrol die Verbindung 1,4-Divinylbenzol (Material 6) zur Reaktionsmischung hinzugefügt wird.
(7 BE)
2.6
Die Verbindung 1,2,5,6,9,10-Hexabromcyclododecan ist ein ringförmiges Halogenalkan.
Formuliere die Strukturformel von 1,2,5,6,9,10-Hexabromcyclododecan mit allen bindenden und nichtbindenden Elektronenpaaren.
Beschreibe, weshalb zwischen 1,2,5,6,9,10-Hexabromcyclododecan-Molekülen keine Wasserstoffbrücken ausgebildet werden können.
(6 BE)

(50 BE)

Material 1

Herstellung von Styrol

hessen chemie abi lk 2021 aufgabe 2 abbildung 1 styrol
Styrol
Styrol lässt sich ohne weiteren Reaktionspartner in einer Gleichgewichtsreaktion mithilfe eines Katalysators aus Ethylbenzol herstellen. Als zusätzliches Reaktionsprodukt entsteht Wasserstoff. Bei dieser Reaktion wird die Temperatur so gewählt, dass alle Reaktionspartner gasförmig vorliegen.
Die folgenden Nebenreaktionen lassen sich durch die entsprechende Wahl der Reaktionsbedingungen zwar zurückdrängen, sind jedoch bei der Herstellung von Styrol grundsätzlich bedeutsam:
a)
Spaltung von Ethylbenzol in Benzol (Benzen) und Ethen
b)
Vollständiger Zerfall von Ethylbenzol zu Kohlenstoff und Wasserstoff
c)
Reaktion von Styrol mit Wasserstoff zu Toluol (Methylbenzol) und Methan
Um die Ausbeute an Styrol zu erhöhen, ist es von Bedeutung, dass der Druck im Reaktionsgefäß, das räumlich von der Umgebung abgeschlossen ist, möglichst niedrig gehalten wird.
Darüber hinaus befindet sich ständig Wasserdampf in der Apparatur, der nicht an der Reaktion teilnimmt, aber zu einer Verdünnung der Gase führt. Diese Verdünnung der Gase mit Wasserdampf wirkt sich zusätzlich günstig auf die Ausbeute an Styrol aus. Dies ist der Fall, da Wasserstoff-Moleküle und Wasser-Moleküle nun um Zusammenstöße mit Styrol-Molekülen konkurrieren. Ein Zusammenstoß von Molekülen ist eine Voraussetzung für eine chemische Reaktion.

Material 2

Dibenzoylperoxid

Dibenzoylperoxid gilt in der Chemie als ein „Radikalstarter“, da es leicht in einer homolytischen Spaltung in zwei Radikale zerfällt.
hessen chemie abi lk 2021 aufgabe 2 abbildung 2 dibenzoylperoxid

Material 3

Molare Standard-Polymerisationsenthalpie und molare Standard-Polymerisationsentropie zur Bildung von Polystyrol

\(\Delta_{ R } H _{ m }^{ o }=-71 \dfrac{ \text {kJ} }{ \text{mol} }\)
\(\Delta_{ R } S _{ m }^{ o }=-105 \dfrac{ \text J }{ \text K \cdot \text{mol} }\)

Material 4

Verfahren zur Beurteilung, ob eine chemische Reaktion freiwillig abläuft

Mithilfe folgender Gleichung („Gibbs-Helmholtz-Gleichung") lässt sich ermitteln, ob bei einer bestimmten Temperatur eine chemische Reaktion freiwillig abläuft:
\(\Delta_{ R } G _{ m }^0=\Delta_{ R } H _{ m }^0- T \cdot \Delta_{ R } S _{ m }^0\)
\(\Delta_{ R } G_{ m }^0\) bezeichnet man als die molare freie Standardreaktionsenthalpie. Sie wird in \(\text{kJ} /\text{mol}\) angegeben. Für die Berechnung von \(\Delta_{ R } G_{ m }^0\) muss der für \(\Delta_{ R } S_{ m }^0\) berechnete Wert vor dem Einsetzen in die Gleichung zunächst von Joule \(( \text J )\) in Kilojoule \(( \text{kJ} )\) umgerechnet werden.
Der Wert für die Temperatur \(T\) wird in der Einheit Kelvin \(( \text K )\) angegeben. Es gilt: \(0{ }^{\circ} C\) entspricht \(273 \,\text K\); der absolute Nullpunkt der Temperatur liegt bei \(0 \,\text K.\)
Ergibt sich für \(\Delta_{ R } G _{ m }^0\) ein negativer Wert, so läuft die Reaktion freiwillig ab, ergibt sich ein positiver Wert, so ist dies nicht der Fall.

Material 5

Anionische Polymerisation von Styrol

Die Polymerisation von Styrol zu Polystyrol kann in einer Argon-Schutzatmosphäre auch über einen anionischen Reaktionsmechanismus erfolgen. Diese Schutzatmosphäre ist erforderlich, um auch Spuren von Luftfeuchtigkeit auszuschließen, da andernfalls die Kettenreaktion durch eine Protolysereaktion abgebrochen würde.
Im ersten Reaktionsschritt reagiert jeweils ein Butyl-Anion mit einem Styrol-Molekül zu einem größeren Anion, das in einem zweiten Reaktionsschritt seinerseits in die Kettenreaktion eintritt. Im vorliegenden Fall gilt, dass der erste Reaktionsschritt schneller verläuft als der zweite.
hessen chemie abi gk 2022 aufgabe 2 abbildung material 5 butyl-anion
Butyl-Anion

Material 6

Strukturformel von 1,4-Divinylbenzol

hessen chemie abi gk 2022 aufgabe 2 abbildung material 6

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