Vorschlag B – Götterspeise und Färbemittel

Götterspeise, auch „Wackelpudding“ oder „Wackelpeter“ genannt, ist eine Geleespeise, die unter anderem aus Geliermittel - wie zum Beispiel Gelatine - Wasser, Zucker, Farb- und Geschmacksstoffen besteht. Hauptbestandteil der Gelatine ist Kollagen, ein Bindegewebsprotein, das durch verschiedene Arbeitsschritte in Gelatine umgewandelt wird. Eine am Aufbau von Kollagen beteiligte Aminosäure ist Alanin.
Für Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, gibt es heute im Handel Götterspeiseprodukte auf Basis von Agarose, einem Polysaccharid, das aus Rotalgen gewonnen wird.
Zum Einfärben von Lebensmitteln werden verschiedene Farbstoffe verwendet. Für die Herstellung sogenannter Azofarbstoffe wird der Stoff Aminobenzol benötigt.
Auch zum Einfärben von Götterspeise bzw. Götterspeiseprodukten werden verschiedene Farbstoffe verwendet, wobei zum Beispiel Saflorkonzentrat zum Einsatz kommen kann. Die Bezeichnung Saflor wird jedoch in verschiedenen Zusammenhängen für Stoffe verwendet, die sich zum Färben eignen. So gibt es diesen Begriff neben der Verwendung für die Färber-Distel-Pflanze, die zum Beispiel für das Färben von Lebensmitteln eingesetzt wird, auch für den sogenannten Cobalt-Saflor. Cobalt-Saflor besteht aus Cobaltoxiden und bildet sich bei der Verarbeitung von cobalthaltigen Gesteinen (Cobalterzen). Früher wurde Cobalt-Saflor beispielsweise zum Färben von Porzellan und Glas verwendet.
1
Gib für die beiden Konfigurationsisomere von Alanin (2-Aminopropansäure) jeweils die Strukturformel in der Fischer-Projektion an, benenne die jeweilige Konfiguration und beschrifte jeweils das asymmetrische Kohlenstoff-Atom mit einem „Stern“ \((\)\(\color{#0096c8}{^*}\)\().\)
Beschreibe die Bedeutung des Begriffs „asymmetrisches Kohlenstoff-Atom“ und erläutere, weshalb es sich bei diesen beiden Isomeren des Alanins nicht um Konstitutionsisomere handelt.
Formuliere für den in Material 1 schematisch dargestellten Ausschnitt eines Peptids der Gelatine-Proteine die Strukturformel mit allen bindenden und nichtbindenden Elektronenpaaren.
(9 BE)
2
Berechne mithilfe von Material 2 für die beiden \(pK_S\)-Werte des Alanins jeweils den zugehörigen \(pK_B\)-Wert.
Ordne den \(pK_{S1}\)-Wert von Alanin begründet einer der beiden funktionellen Gruppen \((COOH\)-Gruppe bzw. \(NH_3^+\)-Gruppe\()\) des Alanin-Moleküls zu.
Begründe mithilfe von Material 2 den Unterschied zwischen dem \(pK_{B2}\)-Wert von Alanin und dem \(pK_B\)-Wert von Aminobenzol.
(8 BE)
3
Die Aminosäure Alanin lässt sich im Labor über die sogenannte „Strecker-Synthese“ aus Ethanal herstellen (Material 3).
Entwickle mithilfe von Material 3 ausgehend von Ethanal bis zum sogenannten Imin den Reaktionsmechanismus.
Entwickle mithilfe von Material 3 ausgehend vom Imin bis zum Zwischenprodukt 3 (2-Aminopropannitril) den Reaktionsmechanismus.
(8 BE)
4
Beschreibe die Raumstruktur von Kollagenen, erläutere deren Zustandekommen sowie mithilfe von Material 4 die Veränderung dieser Raumstruktur bei der Herstellung von Gelatine.
Begründe das jeweilige Verhalten von Kollagenen und Gelatine in Wasser.
(9 BE)
5
Formuliere mithilfe von Material 5 die Strukturformel von D-Galactose in der Fischer-Projektion.
Formuliere die Reaktionsgleichung für die positiv verlaufende Fehling-Probe mit D-Galactose, wobei nicht an der Reaktion beteiligte Bereiche der Molekülstruktur mit „R“ abgekürzt werden.
Benenne für den in Material 5 dargestellten Strukturausschnitt der Agarose die Verknüpfung zwischen dem D-Galactose- und dem 3,6-Anhydro-L-galactose-Baustein und erkläre, ob die Fehling-Probe mit Agarose positiv oder negativ verläuft.
(8 BE)
6
Zeige mithilfe der Oxidationszahlen, dass bei der Herstellung von Cobalt-Saflor aus \(CoAs_3\) (siehe Material 6) insgesamt \(144\) Elektronen übertragen werden.
Berechne die Masse an Nebenprodukt \((As_2O_3),\) das entsteht, wenn man \(5\,\text{g}\) Cobalt-Saflor aus \(CoAs_3\) herstellt.
(8 BE)

Material 1

Gelatine

In Gelatine kommt die Aminosäure Glycin (Aminoethansäure) mit \(33\,\%\) am häufigsten vor. Die Aminosäuresequenz der Gelatine-Proteine lässt sich schematisch folgendermaßen darstellen:
\(···\) \(–\) \(Gly\) \(–\) \(X\) \(–\) \(Y\) \(–\) \(···\)
Bei der im Schema mit \(X\) bezeichneten Aminosäure handelt es sich häufig um Prolin, bei der mit \(Y\) bezeichneten Aminosäure häufig um Alanin (2-Aminopropansäure).
hessen chemie abi lk 2024 b1
Prolin

Material 2

Alanin

\(\begin{array}[t]{rll}
pK_{S1}&=& 2,35 & \\[5pt]
pK_{S2}&=& 9,87
\end{array}\)

Aminobenzol

\(\begin{array}[t]{rll}
pK_{B}&=& 9,38 & \\[5pt]
\end{array}\)
Strukturen von Aminobenzol
hessen chemie abi lk 2024 b2

Material 3

Strecker-Synthese von Alanin

hessen chemie abi lk 2024 b7
Ethanal reagiert im ersten Schritt mit Ammoniak in einer Additionsreaktion zu einem zwitterionischen Zwischenprodukt. Im zweiten Reaktionsschritt findet eine intramolekulare Übertragung eines Teilchens statt; es entsteht als zweites Zwischenprodukt eine ungeladene Struktur mit einer Aminound einer Hydroxy-Gruppe (Halbaminal).
Im Anschluss wird das Halbaminal protoniert und durch Wasserabspaltung entsteht eine Struktur, für die sich zwei mesomere Grenzstrukturen formulieren lassen. Durch Deprotonierung bildet sich das Imin.
Das Imin reagiert nachfolgend mit den Ionen der Blausäure \((H^+\) und \(CN^-)\) zu 2-Aminopropannitril.
Dabei kommt es zunächst zu einer Protonierung. Anschließend wird an die daraus entstehende Struktur, für die sich zwei mesomere Grenzstrukturen darstellen lassen, das Cyanid-Ion addiert, wobei sich 2-Aminopropannitril bildet.
Im Cyanid-Ion haben das Kohlenstoff- und das Stickstoff-Atom jeweils ein freies Elektronenpaar und sind über eine Dreifachbindung verknüpft, wobei am Kohlenstoff-Atom eine negative (Formal-)Ladung vorliegt.
Im letzten Reaktionsschritt der Strecker-Synthese bildet sich aus 2-Aminopropannitril Alanin.

Material 4

Raumstrukturen von Kollagen und Gelatine

Gelatine besteht aus tierischen Proteinen und wird aus Kollagenen (Bindegewebsproteinen) verschiedener Tierarten gewonnen. In der Struktur von Kollagenen sind jeweils drei Protein-Moleküle (jeweils in Helix-Struktur) zusammengelagert. Bei jeder dadurch vorliegenden sogenannten „Tripel-Helix" ragen die hydrophoben (wasserabweisenden) Reste aus der Helix-Struktur heraus, während die hydrophilen (,wasserliebenden") Reste in das Innere der Helix-Struktur weisen.
Bei der Herstellung von Gelatine werden die Kollagene zunächst erhitzt und anschließend wieder abgekühlt. Dadurch wird die Raumstruktur verändert (siehe Abbildung).
hessen chemie abi lk 2024 b4
Hinweise
In dieser schematischen Abbildung entspricht die Darstellung der Länge einzelner Tripel-Helix-Strukturen und Helix-Strukturen jeweils im Vergleich (siehe vor, während und nach dem Erhitzen) nicht den tatsächlichen Verhältnissen.
Im Gegensatz zu Kollagenen quillt Gelatine in Wasser auf. Beim Aufquellen der Gelatine kommt es durch die Einwirkung des Wassers zu einer Zunahme des Volumens.

Material 5

Agarose

Agarose ist ein Polysaccharid, das aus D-Galactose-Bausteinen und 3,6-Anhydro-L-galactose-Bausteinen besteht, die glycosidisch miteinander verknüpft sind (siehe Abbildung).
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Material 6

Herstellung von Cobalt-Saflor

Cobalt-Saflor entsteht beim Erhitzen von Cobaltarseniden \((CoAs_2\) bzw. \(CoAs_3)\) unter Luftzutritt. Im Wesentlichen besteht Cobalt-Saflor aus \(Co_3O_4.\)
Die Herstellung von Cobalt-Saflor aus \(CoAs_3\) lässt sich vereinfacht durch folgende Reaktionsgleichung darstellen:
\(12\, CoAs_3 + 35\, O_2\) \(\longrightarrow\) \(4\, Co_3O_4 + 18\, As_2O_3\)
Hinweise
In der Verbindung \(CoAs_3\) haben die Arsen-Teilchen die Oxidationszahl -I.
In der Verbindung \(Co_3O_4\) liegen \(Co^{3+}\)-Ionen und \(Co^{2+}\)-Ionen im Anzahlverhältnis 2:1 vor.
Zum besseren Verständnis des Aufbaus dieser Verbindung lässt sich das Anzahlverhältnis der Ionen auch folgendermaßen darstellen bzw. verdeutlichen: \(2\,  Co^{3+}, Co^{2+}, 4 \, O^{2-}. \)

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