Teil B
As an intern for an Irish EU representative in Brussels, your task is to assist in preparing for a parliamentary debate on challenging urban developments. You have been asked to provide insights into the situation in your country.
Write an email to the representative, outlining information on urban flight in Germany.
Die Stadtflucht
von Jakob Bauer et al.
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Lange Zeit schien es, als sei das Wachstum der Großstädte unaufhaltsam. Hunderttausende
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zogen in den Nullerjahren aus den Dörfern und Kleinstädten in die Metropolen: Schwäbinnen
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nach Berlin, Sachsen nach München, Mecklenburgerinnen nach Hamburg. Bis heute hat sich
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das Bild von der Großstadt als Ort, der immer mehr Menschen anzieht, gehalten.
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Doch neue Daten zeigen, dass dieses Bild nicht mehr stimmt. ZEIT ONLINE hat alle Umzüge
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innerhalb Deutschlands der vergangenen 30 Jahre ausgewertet, für 67 kreisfreie Großstädte
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mit mehr als 100.000 Einwohnern und Einwohnerinnen. Die Daten belegen, dass der
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innerdeutsche Boom der Großstädte schon 2013 zu Ende ging. Erstmals wird im Detail
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deutlich, wie sich deutsche Städte in nur einem Jahrzehnt verändert haben - und was ihnen
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womöglich bevorsteht.
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Im Herbst 2020 befragte das Meinungsforschungsinstitut Civey die Deutschen nach ihren
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Umzugsplänen. Jeder dritte Großstädter gab damals an, die Stadt am liebsten verlassen zu
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wollen. „Die Städte sind zum Opfer ihrer eigenen Attraktivität geworden“, sagt Frederick Sixtus,
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der am Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung forscht.
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Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen hierfür mehrere Gründe: Erstens haben die
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Digitalisierung und mehr Homeoffice das Landleben attraktiver gemacht. In der Pandemie
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verlor die Stadt zudem viele ihrer Vorteile: Clubs und Bars mussten schließen, Nähe wurde
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zur Bedrohung, Distanz zum Luxus. Zweitens hat der Ansturm seit den Nullerjahren dazu
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geführt, dass Immobilien in vielen Großstädten erheblich teurer wurden. Studien zeigen: Dort,
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wo die Immobilienpreise stark gestiegen sind, zogen auch mehr Menschen weg. Die Folge:
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Während die Metropolen innerhalb Deutschlands weiterhin junge Menschen anzogen,
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verließen vor allem Familien die Großstädte.
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In vielen deutschen Großstädten vollzieht sich damit eine Entwicklung, die Städte in anderen
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Ländern bereits vor Jahren durchgemacht haben. Während etwa die Zentren von London oder
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New York unbezahlbar wurden, zogen viele Familien ins Umland, auch über die Speckgürtel
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hinaus. „Deutschland holt diese Entwicklung gerade ein Stück weit nach“, sagt die
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Migrationsexpertin Nikola Sander, die am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung forscht.
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Für den Klimaschutz sei das eine schlechte Nachricht, sagt Sander. Durch die
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Suburbanisierung gebe es mehr Flächenversiegelung, längere Wege, mehr Pendler, mehr
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Verkehr. Zudem sei die Abwanderung Ausdruck eines sozialpolitischen Handlungsbedarfs. „In
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der Stadt zu leben, ist momentan auch eine ökonomische Frage“, sagt Sander. „Wenn sich
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junge Familien wegen der gestiegenen Immobilienpreise hoch verschulden müssen, um
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überhaupt noch in der Stadt leben zu können, halte ich das für bedenklich.“
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Bisher war die Stadtflucht in den Großstädten kaum spürbar. Denn während es viele
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Menschen raus aus der Stadt zog, füllte eine andere Gruppe die Lücke: Zuwanderer und
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Zuwanderinnen aus dem Ausland. Der Zuzug von außen hat die Stadtflucht innerhalb
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Deutschlands in den letzten Jahren verdeckt.
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Deutsche Großstädte schrumpften viele Jahre nur deshalb nicht, weil Millionen Zuwanderer
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ins Land kamen, vor allem aus Syrien, Rumänien und Polen. Laut dem Statistischen
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Bundesamt waren es zwischen 2012 und 2021 im Schnitt jedes Jahr rund 460.000 - mehr als
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in jedem anderen Jahrzehnt seit der Gründung der Bundesrepublik. Rund 60 Prozent kamen
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aus dem EU-Ausland. Weil die jährlichen offiziellen Wanderungsdaten nur bis 2021 reichen,
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sind die Hunderttausenden Geflüchteten aus der Ukraine dabei noch nicht berücksichtigt.
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Vielleicht ist die Abwanderung aus Deutschlands Großstädten nur ein vorübergehendes
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Phänomen, eine weitere Welle in der deutschen Wanderungsgeschichte, angetrieben durch
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die Corona-Pandemie. Das vermutet Migrationsforscherin Sander: „Die Großstadt wird auch
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in Zukunft der Sehnsuchtsort bleiben, an dem die meisten Menschen leben wollen.“ Sander
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glaubt, dass sich der Trend bald wieder drehen könnte. Etwa dann, wenn Wohnraum in der
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Stadt wieder bezahlbarer wird. Sicher ist das aber nicht.
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Der Blick auf die Großstädte könnte ein Blick auf Deutschlands Zukunft sein. Nicht nur in den
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Großstädten werden in den kommenden Jahren Menschen fehlen, sondern überall im Land.
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Bis Mitte der 2030er-Jahre werden Schätzungen zufolge in Deutschland rund drei Millionen
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Menschen im erwerbsfähigen Alter weniger leben als heute. Nur wenn jedes Jahr
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Hunderttausende zusätzliche Menschen aus dem Ausland nach Deutschland kommen, wird
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die arbeitende Bevölkerung stabil bleiben. Das Schrumpfen der Großstädte ist also womöglich
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nur ein Vorgeschmack auf die große Verkleinerung, die dem ganzen Land bevorsteht.
649 Wörter
Bauer, J. et al. (2023, 12. Januar). Die Stadtflucht. ZEIT online Nr. 1; Quelle [Zugriff: 15.11.2023]
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Please note:
The solutions presented here are just one possible way to approach the task. There are often multiple valid methods and perspectives, and alternative approaches may be equally effective.
Dear Mr. Müller,
I would like to provide you with an insight into urban development in Germany.
For a long time, it seemed like German cities would continue to grow. However, the climax of population growth in Germany’s big cities was reached in 2013. According to a 2020 survey, one third of city dwellers intended to leave their cities, especially families. One underlying reason for this is the rising property prices. Moreover, rural life is becoming increasingly attractive due to remote working and digitalization. So far, the loss of former city dwellers has been compensated by migrants.
This development has an impact on the environment. Due to increasing suburbanization, there are more sealed surfaces, more commuters, and more traffic, which is harmful for the climate.
In the near future, this trend might reverse if rents decrease again as cities continue to be attractive and an assumed loss of city dwellers might actually be due to the nation-wide population decrease.
I hope this information is helpful. If you have any further questions about urban development in Germany, please don’t hesitate to contact me again.
Kind regards,
Mia Maier