Lerninhalte in Deutsch
Inhaltsverzeichnis

Teil A

Textverständnis und Sprachuntersuchung

(50% der Prüfungsleistung)
Thema:
Sprache im Visier
Aufgabenstellung:
  • Lies das Material A.
  • Löse anschließend die Aufgaben auf den Arbeitsblättern.
Material A
Sprache macht den Menschen (2016)
Angela Friederici, Michael Skeide und Verena Müller
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Sprache ist das, was den Menschen ausmacht. Zwar würden einige an dieser Stelle
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erwidern, dass auch andere Lebewesen miteinander kommunizieren. Stimmt.
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Tatsächlich können die verschiedenen Spezies auf vielfältige Weise miteinander
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Informationen austauschen. Sie können sogar einzelne Symbole oder Wörter als
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Bezeichnungen für verschiedene Dinge und Objekte lernen. Vor allem Hunde und
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Menschenaffen zeigen hier beeindruckende Fähigkeiten. Was sie dabei jedoch lernen,
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ist eine Assoziation zwischen einem bestimmten abstrakten Symbol oder einer
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akustischen Wortform und einem Objekt, zum Beispiel dem Begriff „Auto“ und einem
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realen PKW. Sie eignen sich also jedes „Wort“ durch Assoziationen einzeln an.
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Wörter zu lernen, ist es also nicht, was menschliche Sprache ausmacht. Was ist es
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dann? Es ist die Gabe, Wörter nach bestimmten Regeln zu kombinieren. Denn lose
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aneinandergereihte Wörter ergeben noch keine Sprache. Erst, wenn sie nach einem
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festgelegten Regelwerk aneinandergefügt werden, ergeben sie eine Bedeutung.
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Menschenaffen sind hingegen nicht in der Lage, grammatikalische Regeln zu lernen,
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die jenen einer Sprache entsprechen.
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Nehmen wir zum Beispiel eine Liste an Wörtern: schlafen, grün, farblos, wütend, Idee.
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Kombiniert nach den Regeln der deutschen Grammatik erhalten wir vielleicht den Satz
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„Farblose grüne Ideen schlafen wütend.“ Dieser Satz ist zwar grammatikalisch richtig
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und lässt sich verarbeiten, weil er den Regeln der Sprache folgt. Einen Sinn ergibt er
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jedoch nicht. Denn es ist nicht nur wichtig, in welcher Reihenfolge wir die Wörter
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aneinanderreihen. Entscheidend ist auch, wie wir diese interpretieren. Der Satzbau,
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die Syntax, ist somit nur ein Aspekt der Sprache. Ebenso wichtig ist auch die
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Bedeutung der einzelnen Wörter, die Semantik. Mit ein paar kleinen Änderungen
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können wir so auch diesem Satz einen Sinn verleihen, z. B. „Noch etwas farblose
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grüne Ideen schlafen wütend in meinem Kopf.“ Wie jeder nun diesen Satz für sich
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deutet, ist wiederum abhängig von seinem individuellen Wissen über die Bedeutung
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von Wörtern, das er in seinem sogenannten mentalen Lexikon des Gehirns
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gespeichert hat.
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Trotz dieser scheinbaren Grenzen, die unserer Sprache durch dieses Regelwerk ge-
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geben werden, ist die Fülle an Möglichkeiten, aus Wörtern Sprache zu zaubern, un-
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erschöpflich. So beeindruckend diese Unendlichkeit jedoch ist, so lang scheint auch
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der Weg, den unser Sprachsystem im Gehirn durchläuft, um zu voller Reife zu gelan-
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gen. Denn so verzückt Eltern auch sind, wenn ihr Kleines die ersten Wörter spricht –
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ob „Ma-Ma“ oder „Pa-Pa“ – so sehr wird in dem Moment auch deutlich, welche Sprünge
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es meistern muss, um später komplexe Sätze verstehen und interpretieren zu können.
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Einige dieser Sprünge sind in Windeseile erreicht, für andere braucht es viele Jahre.
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So verfügen bereits Dreijährige über einen umfangreichen Fundus an Vokabeln und
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können einfache Sätze problemlos verstehen. Beispielsweise „Der Fuchs jagt den
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Igel.“ Eine echte Hürde erreichen die Kleinen jedoch dann, wenn der Satz von seiner
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einfachsten Struktur abweicht. Will man beispielsweise hervorheben, dass es der Igel
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und nicht etwa ein Vogel ist, den der Fuchs da jagt, so stellt man die Aussage
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entsprechend um: „Den Igel jagt der Fuchs.“ Missverständnisse sind dann
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vorprogrammiert. Denn junge Sprecher verlassen sich noch unbewusst auf die
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Annahme, dass das Subjekt, der jagende Fuchs, im Satz vor dem Objekt, dem
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gejagten Igel, steht. Andererseits registrieren Kinder schon unbewusst, dass der
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Artikel „den“ irgendwie nicht zum Subjekt passt, und nicht an den Anfang des Satzes
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gehört. Erst das erwachsene Gehirn kann die veränderte Reihenfolge der
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Satzbausteine mit Leichtigkeit verarbeiten.
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Warum ist das so? Warum können wir zwar einerseits bereits im Mutterleib Vokale
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voneinander unterscheiden, andererseits jedoch frühestens im Alter von sieben Jahren
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grammatikalisch anspruchsvollere Sätze verstehen, selbst wenn sie sich aus
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einfachen Wörtern zusammensetzen?
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Kurz gesagt: „Gut Ding will Weile haben.“ Das Gehirn und seine einzelnen, für die
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Sprache zuständigen Hirnareale reifen unterschiedlich schnell heran. Manche Areale
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verdichten erst nach und nach ihr Netzwerk zu anderen Regionen, sodass sie dann
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Informationen immer schneller und effektiver austauschen können. [...]
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Wie universell dieses biologische Programm ist – von der Schreiphase und der
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Lallphase über den Erwerb erster Wörter und syntaktischer Regeln bis hin zur
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Verarbeitung von komplexen Satzstrukturen – lässt sich besonders an Kindern
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bestaunen: Mühelos kann jedes Kind jede Sprache der Welt erlernen, in die es
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hineingeboren wird. Nach der Geburt ist es zunächst offen für jede Sprache,
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spezialisiert sich dann aber gemäß dem jeweiligen sprachlichen Umfeld. So erkennen
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in den ersten Lebensmonaten noch alle Kinder weltweit gleichermaßen lautliche
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Unterschiede, egal ob sie in der jeweiligen Muttersprache von Bedeutung sind oder
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nicht. Später können sie dann nur noch diejenigen auseinanderhalten, die in der
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eigenen Muttersprache relevant sind. Ein berühmtes Beispiel ist der Unterschied
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zwischen den Sprachlauten „r“ und „l“, der zwar im Deutschen entscheidend ist, um
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„Rast“ von „Last“ zu trennen, nicht aber im Japanischen. Deshalb geht bei Japanern
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die Fähigkeit verloren, diese Sprachlaute zu unterscheiden. In anderen Sprachen sind
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wiederum andere Laute ohne Bedeutung, sodass auch diese verloren gehen.
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Das Medium, in dem wir also sprechen, lesen und schreiben, denken und dichten,
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mailen und twittern, ist letztlich ein spezifisch menschliches Natur- und Kulturprodukt
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komplex verschalteter Neuronenbündel. Ein Bündel, das sich zwar nach einem
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vorgegebenen biologischen Programm entwickelt, dabei aber deutlich unter dem
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Einfluss unseres kulturellen Umfelds entsteht, in dem wir aufwachsen und leben. Nur
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wenn wir beides betrachten, den naturwissenschaftlichen und den
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geisteswissenschaftlichen Aspekt, wird ein tieferes Verständnis von Sprache möglich.

Aus: Friederici, Angela/Skeide, Michael/Müller, Verena:
Sprache macht den Menschen (leicht bearbeitete Fassung) (19.02.2016).
(Letzter Zugriff: 26.09.2023).
1.
Material A ist ein Sachtext, der wissenschaftliche Kenntnisse allgemeinverständlich formuliert.
Weise dies anhand der vorgegebenen Kriterien nach. Notiere für jedes Kriterium einen Textbeleg. Orientiere dich am Beispiel.
Kriterien für Allgemeinverständlichkeit Textbelege
Folgerungen, Wiederaufnahmen und Verweise „also“ (Z. 9)
Erklärung von Fachbegriffen
Angabe konkreter Beispiele
bildhafte Sprache
(3 BE)
2.
Der Text ist in Abschnitte gegliedert.
Wähle für die angegebenen drei Textabschnitte die jeweils passende Teilüberschrift.
Trage dazu den entsprechenden Kennbuchstaben A – H ein.
Textabschnitte Teilüberschrift Kennbuchstabe
Z. 1-28 A Kommunikation bei Hunden
B Sprache als menschliche
C Der Satzbau als zentraler Aspekt der Sprache Fähigkeit
Z. 29-56 D Die Sprachentwicklung beim Menschen
E Schwierigkeiten im Sprachverständnis bei Kindern
F Die Gehirnentwicklung
Z. 57-77 G Unterschiede zwischen Deutsch und Japanisch
H Kulturelle Einflüsse auf die Sprachentwicklung
(3 BE)
3.
Ordne dem Text eine Intention zu.
Kreuze an.
Begründe deine Entscheidung mithilfe des Textes.
Begründung
appellieren
informieren
argumentieren
unterhalten
(2 BE)
4.
Ordne die folgenden Aussagen zu. Kreuze an.
Aussagen im Text enthalten nicht im Text enthalten
Nur Menschen und Papageien können Wörter lernen.
Wir sind in der Lage, grammatisch korrekte, jedoch sinnfreie Sätze bilden.
Die Kombination von Wörtern nach festgelegten Regeln zeichnet menschliche Sprache aus.
Die Fähigkeit der Unterscheidung von Sprachlauten geht verloren, wenn diese in einer Sprache keine Verwendung finden.
(4 BE)
5.
Vervollständige auf der Grundlage der Textaussagen das Schaubild zur Sprachentwicklung bei Kindern.
deutsch st rsa 2024 schaubild sprachvermoegen
(4 BE)
6.
Der Text verweist auf das unterschiedliche Sprachvermögen von Kindern und Erwachsenen.
a)
Bestimme die in den Zeilen 62 bis 70 erkennbare Sprachhandlung.
Entscheide dich für die zutreffende Sprachhandlung aus dem Wortkasten und vervollständige die folgende Aussage.
erklärt / definiert / erzählt / erläutert / interpretiert
In diesem Abschnitt wird... . Das erkennt man daran, dass ...
(2 BE)
b)
Gebe den folgenden Textauszug ohne Informationsverlust mit eigenen Worten wieder:
„Das Gehirn und seine einzelnen, für die Sprache zuständigen Hirnareale reifen unterschiedlich schnell heran. Manche Areale verdichten erst nach und nach ihr Netzwerk zu anderen Regionen [...]“ (Z. 53-55)
(3 BE)
c)
Im Text wird am Beispiel der Laute „r“ und „l“ im Japanischen auf Laute verwiesen, die anders als im Deutschen dort nicht bedeutungsunterscheidend sind. Als Beispiel dafür werden die Begriffe „Rast“ und „Last“ angeführt.
Nenne zwei weitere Beispielpaare mit den Anfangslauten „r“ und „l“, um die Information noch anschaulicher zu gestalten.
(2 BE)
7.
Im Text werden unterschiedliche sprachliche Möglichkeiten genutzt, um die Leserschaft zu erreichen:
a)
durch direkte Ansprache
Kennzeichne ein Wort, das diese Einbeziehung verdeutlicht, und bestimme die Wortart so genau wie möglich.
„Ein Bündel, das sich zwar nach einem vorgegebenen biologischen Programm entwickelt, dabei aber deutlich unter dem Einfluss unseres kulturellen Umfelds entsteht, in dem wir aufwachsen und leben.“ (Z. 73-75)
(2 BE)
b)
durch Verweise im Text
Bestimme die Wortart des unterstrichenen Wortes so genau wie möglich. Nenne das Wort, auf welches es sich bezieht.
„Wie jeder nun [einen] Satz für sich deutet, ist wiederum abhängig von seinem individuellen Wissen über die Bedeutung von Wörtern, das er in seinem sogenannten mentalen Lexikon des Gehirns gespeichert hat.“ (Z. 25 – 28)
Wortart:
Bezugswort:
(2 BE)
c)
durch kurze Sätze Dies erfolgt jedoch nicht durchgängig.
Formuliere deshalb das folgende Satzgefüge ohne Informationsverlust in zwei Sätze um.
„Trotz dieser scheinbaren Grenzen, die unserer Sprache durch dieses Regelwerk gegeben werden, ist die Fülle an Möglichkeiten, aus Wörtern Sprache zu zaubern, unerschöpflich.“ (Z. 29-31)
(2 BE)
d)
mittels Veranschaulichung der Bedeutung von Sprache für den Menschen durch Aufzählung von Paarformen
Ergänze die Aufzählung um zwei weitere thematisch passende Paare nach dem gleichen Prinzip:
„Das Medium, in dem wir also sprechen,
lesen und schreiben,
denken und dichten,
mailen und twittern,
ist letztlich ein spezifisch menschliches Natur- und Kulturprodukt komplex verschalteter Neuronenbündel.“ (Z. 71-73)
(2 BE)
8.
Im Text werden unvollständige Sätze verwendet.
Zitiere ein Beispiel.
Beschreibe anschließend die Wirkung des Beispiels.
(2 BE)
9.
Im folgenden Textabschnitt (Z. 57-65) wird das Substantiv „Kind“ vermehrt verwendet.
Ersetze es an zwei der unterstrichenen Stellen, um Wiederholungen zu vermeiden. Nutze dafür Synonyme.
Schreibe diese darüber.
Passe den Text gegebenenfalls grammatikalisch an.
„Wie universell dieses biologische Programm ist – von der Schreiphase und
der Lallphase über den Erwerb erster Wörter und syntaktischer Regeln bis
hin zur Verarbeitung von komplexen Satzstrukturen – lässt sich besonders
an Kindern bestaunen: Mühelos kann jedes Kind jede Sprache der Welt
erlernen, in die es hineingeboren wird. [...] So erkennen in den ersten
Lebensmonaten noch alle Kinder weltweit gleichermaßen lautliche
Unterschiede, egal ob sie in der jeweiligen Muttersprache von Bedeutung
sind oder nicht.“
(2 BE)
10.
Erkläre mit eigenen Worten, wie die folgenden Wörter und Wendungen im Text zu verstehen sind:
a)
„verzückt[e] Eltern“ (Z. 33)
b)
„Windeseile“ (Z. 36)
c)
„Missverständnisse sind dann vorprogrammiert“ (Z. 42-43)
(3 BE)
11.
In einer Kinderzeitschrift fragt ein zehnjähriges Kind per Leserbrief: „Immer wieder streiten sich meine Geschwister (3 und 5 Jahre) mit mir. Kann es sein, dass sie mich nicht verstehen?“
Verfasse eine Antwort, in der du für das Kind verständlich erklären, warum es zu sprachlichen Missverständnissen kommen kann. Leite zwei Tipps ab, um das Problem zu lösen.
Nutze dazu drei Textinformationen.
Setze den folgenden Textanfang fort.
Immer wieder hört man von Streit unter Geschwistern. Das hat viele verschiedene Gründe. Es kann aber auch an der Sprache liegen. ...
(7 BE)

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