Lerninhalte in Deutsch
Inhaltsverzeichnis

Teil B

Textproduktion

(50% der Prüfungsleistung)
Bearbeite Aufgabe B 1 oder B 2. Nutze dazu Material B

Aufgabe B 1

Thema:
Darf man Sprache verändern?
Aufgabenstellung:
  • Versetze dich in folgende Situation:
    Du wirst gebeten, am Europäischen Tag der Sprachen einen Redebeitrag vor Jugendlichen über mögliche Folgen einer Veränderung von Sprachregeln vorzubereiten. Im Vorfeld hast du dich im Rahmen des Deutschunterrichts mit der Erzählung von Peter Bichsel „Ein Tisch ist ein Tisch“ auseinandergesetzt. Du entscheidest dich, diesen Text zum Ausgangspunkt deines Redebeitrags zu machen.
  • Schreibe diesen Redebeitrag.
  • Fasse zunächst den Inhalt des Textes für das Publikum kurz zusammen.
  • Stelle anhand von drei Textstellen deine Gedanken zu Folgen einer Veränderung von Sprachregeln dar.
  • Erläutere anhand eigener Erfahrungen oder Beobachtungen je eine Chance und Gefahr, wenn Jugendliche Sprache verändern.
  • Leite eine Frage für die anschließende Diskussion ab.
oder

Aufgabe B 2

Thema:
Textchecker
deutsch rsa 24 text checker
Aufgabenstellung:
  • Stelle die Erzählung „Ein Tisch ist ein Tisch“ von Peter Bichsel in der Kategorie „Texte verständlich erklärt“ im Literaturblog „Text-Checker“ vor.
  • Schreibe diesen Blogbeitrag.
  • Verfasse zunächst eine Inhaltsangabe für den Text.
  • Charakterisiere die Hauptfigur. Geh dabei insbesondere auf ihre Entwicklung ein.
  • Erläutere anhand von zwei sprachlichen Besonderheiten, wodurch die monotone Grundstimmung im Text unterstützt wird.
  • Deute abschließend die Textaussage: „Aber eine lustige Geschichte ist das nicht.“ (Z. 52)
Material B
Ein Tisch ist ein Tisch (1997)
Peter Bichsel
1
Ich will von einem alten Mann erzählen, von einem Mann, der kein Wort mehr sagt, ein
2
müdes Gesicht hat, zu müd zum Lächeln und zu müd, um böse zu sein. Er wohnt in einer
3
kleinen Stadt, am Ende der Straße oder nahe der Kreuzung. Es lohnt sich fast nicht, ihn
4
zu beschreiben, kaum etwas unterscheidet ihn von andern. [...]
5
Der alte Mann machte morgens einen Spaziergang und nachmittags einen Spaziergang,
6
sprach ein paar Worte mit seinem Nachbarn, und abends saß er an seinem Tisch. [...]
7
Dann gab es einmal einen besonderen Tag, einen Tag mit Sonne, nicht zu heiß, nicht zu
8
kalt, mit Vogelgezwitscher, mit freundlichen Leuten, mit Kindern, die spielten – und das
9
Besondere war, dass das alles dem Mann plötzlich gefiel.
10
Er lächelte.
11
„Jetzt wird sich alles ändern“, dachte er. Er öffnete den obersten Hemdknopf, nahm den
12
Hut in die Hand, beschleunigte seinen Gang, wippte sogar beim Gehen in den Knien und
13
freute sich. Er kam in seine Straße, nickte den Kindern zu, ging vor sein Haus, stieg die
14
Treppe hoch, nahm die Schlüssel aus der Tasche und schloss sein Zimmer auf.
15
Aber im Zimmer war alles gleich, ein Tisch, zwei Stühle, ein Bett. Und wie er sich
16
hinsetzte, hörte er wieder das Ticken, und alle Freude war vorbei, denn nichts hatte sich
17
geändert. Und den Mann überkam eine große Wut. Er sah im Spiegel sein Gesicht rot
18
anlaufen, sah, wie er die Augen zukniff; dann verkrampfte er seine Hände zu Fäusten,
19
hob sie und schlug mit ihnen auf die Tischplatte, erst nur einen Schlag, dann noch einen,
20
und dann begann er auf den Tisch zu trommeln und schrie dazu immer wieder: „Es muss
21
sich ändern, es muss sich ändern!“ [...]
22
„Immer derselbe Tisch“, sagte der Mann, „dieselben Stühle, das Bett, das Bild. Und zu
23
dem Tisch sage ich Tisch, zu dem Bild sage ich Bild, das Bett heißt Bett, und den Stuhl
24
nennt man Stuhl. Warum denn eigentlich?“ Die Franzosen sagen zu dem Bett „li“, zu dem
25
Tisch „tabl“, nennen das Bild „tablo“ und den Stuhl „schäs“, und sie verstehen sich. Und
26
die Chinesen verstehen sich auch. „Weshalb heißt das Bett nicht Bild“, dachte der Mann
27
und lächelte, dann lachte er, lachte, bis die Nachbarn an die Wand klopften und „Ruhe“
28
riefen.
29
„Jetzt ändert es sich“, rief er, und er sagte von nun an zu dem Bett „Bild“.
30
„Ich bin müde, ich will ins Bild“, sagte er, und morgens blieb er oft lange im Bild liegen
31
und überlegte, wie er nun zu dem Stuhl sagen wolle, und er nannte den Stuhl „Wecker“.
32
Er stand also auf, zog sich an, setzte sich auf den Wecker und stützte die Arme auf den
33
Tisch. Aber der Tisch hieß jetzt nicht mehr Tisch, er hieß jetzt Teppich. Am Morgen verließ
34
also der Mann das Bild, zog sich an, setzte sich an den Teppich auf den Wecker und
35
überlegte, zu wem er wie sagen könnte. [...]
36
Der Mann fand es lustig, und er übte den ganzen Tag und prägte sich die neuen Wörter
37
ein. Jetzt wurde alles umbenannt: Er war jetzt kein Mann mehr, sondern ein Fuß, und der
38
Fuß war ein Morgen und der Morgen ein Mann. Jetzt könnt ihr die Geschichte selbst
39
weiterschreiben. Und dann könnt ihr, so wie es der Mann machte, auch die anderen
40
Wörter austauschen: [...]
41
Er hatte jetzt eine neue Sprache, die ihm ganz allein gehörte. Hier und da träumte er schon
42
in der neuen Sprache, und dann übersetzte er die Lieder aus seiner Schulzeit in seine
43
Sprache, und er sang sie leise vor sich hin.
44
Aber bald fiel ihm auch das Übersetzen schwer, er hatte seine alte Sprache fast
45
vergessen, und er musste die richtigen Wörter in seinen blauen Heften suchen. Und es
46
machte ihm Angst, mit den Leuten zu sprechen. Er musste lange nachdenken, wie die
47
Leute zu den Dingen sagen. [...]
48
Er musste lachen, wenn er hörte, wie jemand sagte: „Gehen Sie morgen auch zum
49
Fußballspiel?“ Oder wenn jemand sagte: „Jetzt regnet es schon zwei Monate lang.“ Oder
50
wenn jemand sagte. „Ich habe einen Onkel in Amerika.“
51
Er musste lachen, weil er all das nicht verstand.
52
Aber eine lustige Geschichte ist das nicht. Sie hat traurig angefangen und hört traurig auf.
53
Der alte Mann im grauen Mantel konnte die Leute nicht mehr verstehen, das war nicht so
54
schlimm.
55
Viel schlimmer war, sie konnten ihn nicht mehr verstehen. Und deshalb sagte er nichts
56
mehr. Er schwieg, sprach nur noch mit sich selbst, grüßte nicht einmal mehr.

Aus: Bichsel, Peter: Ein Tisch ist ein Tisch.
In: Bichsel, Peter: Kindergeschichten. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1997, 11. Auflage 2013, S. 21 – 30.

Weiter lernen mit SchulLV-PLUS!

monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?