V3: Entgiftungsenzyme
Die weltweit verbreitete Schwarzbäuchige Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) legt ihre Eier überwiegend auf überreifem Obst ab. Nach dem Schlupf ernähren sich die Larven von dem Obst sowie von den darauf lebenden Bakterien und Hefen. Nach einer Entwicklungszeit von einigen Tagen liegt eine neue Generation erwachsener, geschlechtsreifer Tiere vor.
Die kleinen Fliegen gehören zu den wissenschaftlich am besten untersuchten Tieren. So wurde beispielsweise festgestellt, dass in den verschiedenen Populationen Individuen mit zwei unterschiedlichen Varianten des Entgiftungsenzyms Aldehyd-Dehydrogenase vorkommen. Weltweit kommen die beiden Enzymvarianten bei Drosophila in unterschiedlichen Anteilen vor.
Die kleinen Fliegen gehören zu den wissenschaftlich am besten untersuchten Tieren. So wurde beispielsweise festgestellt, dass in den verschiedenen Populationen Individuen mit zwei unterschiedlichen Varianten des Entgiftungsenzyms Aldehyd-Dehydrogenase vorkommen. Weltweit kommen die beiden Enzymvarianten bei Drosophila in unterschiedlichen Anteilen vor.
Analysiere die Materialien im Hinblick auf die evolutionsbiologischen Ursachen dieser voneinander abweichenden Zusammensetzung der Drosophila-Populationen. Stelle deine Ergebnisse in einem zusammenhängenden, sachlogisch strukturierten Text unter Nutzung aller Materialien dar.
(20 BE)
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monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?Material 1: Enzymvarianten
An der Position 479 des Enzyms Aldehyd-Dehydrogenase befindet sich entweder die Aminosäure Phenylalanin (Phe) oder Leucin (Leu). Das Enzym katalysiert u. a. die Umsetzung von Ethanal (Acetaldehyd), einem Abbauprodukt von Ethanol, zu weniger giftigen Verbindungen. Daneben ist es auch verantwortlich für den Abbau anderer Alkanale (Aldehyde), die im Rahmen der Zellatmung entstehen und ebenfalls giftig sind, wenn auch in geringerem Maße.
Nach: https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/genetischer-code/4689 (5.10.2022)
Material 2:
A – Ergebnisse eines Laborexperiments
Für ein Laborexperiment wurden mehrere Drosophila-Populationen mit demselben Ausgangswert für die beiden unterschiedlichen Allele des Gens für Aldehyd-Dehydrogenase zusammengestellt. Die Allele „Leu" und "Phe" kamen in allen Ausgangspopulationen jeweils mit einer Frequenz von 50 % vor. Anschließend wurden die Tiere auf verschiedenen Nährmedien gehalten und die Populationen ihrer Nachkommen nach neun Generationen auf die Anteile der beiden Allele des Gens für Aldehyd-Dehydrogenase hin untersucht.
Nach: Chakraborty, M., Fry, J.D., Evidence that Environmental Heterogeneity Maintains a Detoxifying Enzyme Polymorphism in Drosophila melanogaster, Current Biology 26, 219-223, Elsevier Ltd. 2016, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4729589/ (5.10.2022)
B – Enzymaktivität der Aldehyd-Dehydrogenase-Varianten von Drosophila

Nach: ebenda.
C – Untersuchungsergebnisse zu natürlichen Brutsubstraten von Drosophila
Substrat | Ethanolgehalt in % |
---|---|
überreife Weintrauben und Birnen in natürlicher Gärung | 2 - 8 |
Melonen und Tomaten | 0,1 |
Nach: ebenda.
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Abweichende Zusammensetzung der Drosophila-Populationen
Die Materialien befassen sich mit der Fragestellung, welche Faktoren für die Entstehung der unterschiedlichen Varianten des Entgiftungsenzyms Aldehyd-Dehydrogenase verantwortlich sind. Diese Faktoren wurden anhand verschiedener Experimente näher untersucht.
Das Enzym Aldehyd-Dehydrogenase ist für den Abbau giftiger Aldehyde wie Ethanal verantwortlich. Ethanal ist ein Abbauprodukt von Ethanol, welches wiederum in überreifem Obst vorkommt, und ein Bestandteil der Ernährung von Drosophila ist. Es gibt dabei verschiedene Varianten des Enzyms. Der Unterschied liegt an Position 479 der Aminosäurekette. Bei einer Enzymvariante wird die Aminosäure Leu, bei der anderen Variante die Aminosäure Phe in die Kette eingebaut (Material 1). Funktionell unterscheiden sich die beiden Enzymvarianten hinsichtlich ihrer Substratspezifität (Material 2B). Das Enzym mit Phe ist sehr spezifisch für Ethanal und Butanal. Bei Hexanal und Benzaldehyd ist die Umsatzrate vergleichsweise geringer. Das Enzym mit Leu ist hingegen für Ethanal weniger spezifisch, und für alle anderen Alkane gleichermaßen spezifisch.
In einem Laborexperiment wurde die Auswirkung des Nährmediums auf die Allelfrequenz verschiedener Drosophilapopulationen untersucht (Material 2A). Alle Populationen wiesen dabei eine Allelfrequenz von je 50 Prozent für das Allel „Leu“ und das Allel „Phe“ auf. Beide Allele waren also in den Populationen zu gleichen Teilen enthalten. Nachdem die Populationen für neun Generationen auf zwei unterschiedlichen Medien getrennt gehalten wurden, zeigte sicht jedoch eine deutliche Abweichung von der ursprünglichen Allelfrequenz. Vier Teilpopulationen wurden auf einem Medium mit geringem Ethanolanteil gehalten. Diese Tiere zeigten nach Ende des Experiments eine niedrigere Frequenz des Phe-Allels. Die Teilpopulationen, die auf einem Medium mit sechs Prozent Ethanol gehalten wurden zeigten dagegen eine im Vergleich zum Ausgangswert erhöhte Frequenz des Phe-Allels. In einer weiteren Untersuchung wurden die natürlichen Brutsubstrate von Drosophila auf ihren Ethanolgehalt geprüft (Material 2C). Dabei stellte sich heraus, dass überreife Weintrauben und Birnen einen Ethanolgehalt zwischen zwei und acht Prozent aufweisen. Bei Melonen und Tomaten sind es nur 0,1 Prozent.
Überträgt man diese Erkenntnisse auf die Untersuchungserebnisse von Material 2A wird deutlich, dass die unterschiedlichen Nährmedien mit dem Ethanolgehalt verschiedener natürlicher Brutsubstrate übereinstimmen. Es ist daher davon auszugehen, dass bei Populationen, die sich von ethanolreichen Substraten ernähren, und dort ihre Eier ablegen, auf Dauer die Allelfrequenz des Phe-Allels erhöht wird. Aus Material 2B geht hervor, dass das die Enzymaktivität der Aldehyd-Dehydrogenase mit der Aminosäure Phe eine bessere Ethanal-Spezifität aufweist, als die Variante mit Leu. Eine bessere Spezifität ist auf ethanolreichen Medien von Vorteil, da vermehrt das giftige Abbauprodukt Ethanal entsteht. Der Ursprung der unterschiedlichen Enzymvarianten ist vermutlich eine Substitutionsmutation. Auf DNA-Ebene codieren sowohl AAA als auch AAG für Phe, und AAT bzw. AAC für Leu. Durch die Mutation entstand das veränderte Aldehyd-Dehydrogenase Enyzm. Tiere, die das Phe-Allel tragen haben einen Selektionsvorteil, da sie ethanolreiche Nahrung besser vertragen. Populationen, die eher auf ethanolarmen Substraten leben, sind neben Ethanol vermutlich anderen Aldehyden ausgesetzt. Für sie ist die Enzymvariante von Vorteil, die unterschiedliche Substrate umsetzen kann. Die unterschiedlichen Drospophila Populationen sind also das Ergebnis des je nach Umweltbedingungen wirkenden Selektionsdruckes.