V3: Wilder Tabak
Mehr als 87 % der blühenden Pflanzenarten werden von Tieren bestäubt und produzieren blumige Düfte und andere Signalstoffe mit unterschiedlicher Wirkung. Der stark riechende Wilde Tabak (Nicotiana attenuata) gehört zu den Nachtschattengewächsen und emittiert den Lockstoff trans-
-Bergamoten. Dieser Duftstoff zieht sowohl den nachtaktiven Tabakschwärmer (Manduca sexta) als auch dessen herbivore Larven an. Diese schlüpfen aus den auf den Blättern der Tabakpflanze abgelegten Eiern. Der Saugrüssel des Tabakschwärmers enthält Sinneszellen, die auf das trans-a-Bergamoten ansprechen. Ebenfalls werden durch Beschädigungen der Blätter Insekten fressende Raubwanzen der Gattung Geocoris angezogen.
Analysiere die Wechselbeziehungen des Wilden Tabaks unter proximaten und ultimaten Aspekten. Erstelle dazu einen sachlogisch strukturierten, zusammenhängenden Text unter Nutzung aller Materialien.
(20 BE)
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monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?Material 1: Emission von trans-α-Bergamoten beim Wilden Tabak

Nach: https://www.cell.com/current-biology/fulltext/
S0960-9822(17)30286-5?_returnURL=http%3A%2F%2Flinkinghub.
elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%
2FS0960982217302865%3Fshowall%3Dtrue (05.04.2022)
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elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%
2FS0960982217302865%3Fshowall%3Dtrue (05.04.2022)
Material 2:
A – Laborversuch mit adulten Tabakschwärmern

B – Freilandversuch mit Wildtabak-Pflanzen
Untersuchte Pflanzen | Durchschnittliche Samenzahl je Blüte |
---|---|
ohne trans-α-Bergamoten Zugabe (Kontrolle) | 6 |
mit trans-α-Bergamoten Zugabe | 22 |
Material 3: Abwehrstoffe von Tabakpflanzen
Tabakpflanzen bilden gleich mehrere wirksame Abwehrstoffe. Säugetiere und nichtspezialisierte Fraßfeinde werden beispielsweise mit dem Nervengift Nikotin abgewehrt. Nikotin wirkt an Nervenzellen ähnlich wie Acetylcholin, wird jedoch vom Enzym Cholinesterase nicht abgebaut. Für die Pflanzen ist dieser Stoff harmlos. Auch der Tabakschwärmer und seine Larven können das Nikotin tolerieren.Bei einem Befall von Tabakschwärmer-Larven werden auch größere Mengen eines weiteren Giftstoffes in den Blättern produziert. Dieser schädigt Biomembranen. Durch einen Zuckeranteil am Molekül wird dieses Gift in der Pflanze als unschädliche Variante gespeichert (Diterpen-Glykosid). Wird dieser Zuckeranteil experimentell nicht angefügt, zeigen Pflanzen deutliche Vergiftungserscheinungen wie Minderwuchs, Deformationen und Unfruchtbarkeit. Durch die Analyse des Kots von Tabakschwärmer-Larven wurde erkannt, dass das Gift im Verdauungstrakt der Larven chemisch verändert wird, wodurch sich der Zuckeranteil ablöst.
Nach: https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/
journal/abwehr-mit-verzoegerungszuender (04.05.2023)
journal/abwehr-mit-verzoegerungszuender (04.05.2023)
Material 4: Untersuchungen zum Larvenbefall von Tabakpflanzen

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Wechselbeziehungen des Wilden Tabaks unter proximaten und ultimaten Aspekten:
Der Wilde Tabak (Nicotiana attenuata) zeigt komplexe Wechselbeziehungen mit seiner Umwelt, die durch die Emission von Duftstoffen wie trans-α-Bergamoten gesteuert werden. Diese Verbindungen dienen sowohl der Anziehung von Bestäubern als auch der Abwehr von Fraßfeinden. Der Duftstoff trans-α-Bergamoten wird hauptsächlich in den Abend- und Nachtstunden in hoher Konzentration von den Blättern des Wilden Tabaks freigesetzt. Dieser Zeitpunkt ist von großer Bedeutung, da der nachtaktive Tabakschwärmer (Manduca sexta) in diesen Stunden auf Nahrungssuche geht und durch den Duftstoff angelockt wird. Die tageszeitabhängige Emission ist also eine Anpassung an den Aktivitätsrhythmus des Tabakschwärmers.
Während trans-α-Bergamoten den Tabakschwärmer anzieht, zieht der Duftstoff auch dessen Larven an, die als Fraßfeinde des Wilden Tabaks auftreten. Die Larven schlüpfen auf den Blättern und beginnen, die Pflanze zu schädigen. Dies führt zu einer zweischneidigen Wechselbeziehung: Die Pflanze gewinnt durch die Bestäubung des Tabakschwärmers einen Fortpflanzungsvorteil, ist aber gleichzeitig dem Risiko des Larvenbefalls ausgesetzt. Um sich gegen Fraßfeinde wie die Larven des Tabakschwärmers zu verteidigen, produziert der Wilde Tabak das Nervengift Nikotin sowie andere Abwehrstoffe. Nikotin wirkt auf das Nervensystem der meisten Insekten toxisch, doch der Tabakschwärmer und seine Larven sind gegen das Gift tolerant. Bei intensivem Larvenbefall bildet die Pflanze zusätzlich andere Giftstoffe in den Blättern, um den Verdauungstrakt der Larven zu schädigen. Diese chemische Abwehr zeigt, dass die Pflanze sowohl generalisierte als auch spezialisierte Mechanismen zur Verteidigung entwickelt hat.
Ein zusätzlicher Mechanismus zur Verteidigung des Wilden Tabaks besteht in der Anlockung von Raubwanzen der Gattung Geocoris. Diese Wanzen werden durch den Duftstoff trans-α-Bergamoten angelockt, sobald die Pflanze durch den Fraß der Larven beschädigt wird. Die Raubwanzen ernähren sich von den Larven und bieten somit eine indirekte Verteidigung für die Pflanze, indem sie die Herbivorenpopulation reduzieren. Die Wechselwirkungen zwischen dem Wilden Tabak und dem Tabakschwärmer lassen sich als Ergebnis einer Koevolution interpretieren. Die Pflanze hat sich so entwickelt, dass sie durch trans-α-Bergamoten spezifische Bestäuber anzieht, während die Larven des Tabakschwärmers als Herbivoren eine Herausforderung darstellen. Diese gleichzeitige Anziehung von Bestäubern und Feinden zeigt, wie Pflanzen eine Balance zwischen Fortpflanzung und Überleben finden müssen.
In einem Freilandexperiment wurde gezeigt, dass Tabakpflanzen, denen trans-α-Bergamoten zugefügt wurde, mehr Samen produzierten als Pflanzen ohne den Lockstoff. Dies zeigt, dass die Emission dieses Duftstoffs einen klaren Fortpflanzungsvorteil bietet, indem er spezialisierte Bestäuber wie den Tabakschwärmer anlockt, die für eine erfolgreiche Bestäubung sorgen. Zudem stellt die Anlockung von Raubwanzen eine indirekte Verteidigungsstrategie dar. Dies reduziert den Fraßdruck auf die Pflanze, da die Larven des Tabakschwärmers durch die Raubwanzen bekämpft werden. Die Pflanze nutzt also eine mehrstufige Strategie, um ihre Überlebenschancen zu erhöhen: Sie setzt auf chemische Abwehrstoffe wie Nikotin, aber auch auf den indirekten Schutz durch natürliche Feinde der Herbivoren.