B2 Australische Papageien
Der wohl bekannteste in Australien beheimatete Papageienvogel ist der Wellensittich (Melopsittacus undulatus), der seit ca. 1840 in Europa nachgezüchtet wird.
Mittlerweile sind im Zoofachhandel neben der grünen Wildform zahlreiche andere Farbvarianten des Wellensittichs erhältlich. Im Wesentlichen sind am farbigen Phänotyp zwei Gene beteiligt. Eines dieser Gene führt zu einer besonderen Federstruktur, die durch Lichtbrechung blau erscheint. Das zweite Gen codiert für das Enzym Polyketid-Synthase, das das gelbe Pigment Psittacofulvin erzeugt. Durch die Kombination aus gelbem Pigment und blauer Federstruktur gelangt die Wildform zu ihrem überwiegend grünen Federkleid:
Pigment Psittacofulvin | |||
---|---|---|---|
vorhanden | fehlt | ||
blaue Federstruktur | vorhanden | grün | blau |
fehlt | gelb | weiß |
Tab. 1: Entstehung der verschiedenen Phänotypen von Wellensittichen durch das Zusammenwirken von Pigment und Federstruktur
verändert nach: T. F. Cooke et al.: Genetic mapping and biochemical basis of yellow feather pigmentation in budgerigars. In: Cell, 171(2) (2017), S. 427-439
1.1
Durch gezielte Verpaarungen können Wellensittiche mit gewünschten Phänotypen gezüchtet werden. Das Allel für das gelbe Pigment wird dabei mit G und das für die blaue Federstruktur mit B symbolisiert. Ein grüner Wellensittich kann z.B. den Genotyp GgBb haben.
1.1.1
Gib alle möglichen Genotypen für die in Tabelle 1 gezeigten Phänotypen an.
(4 BE)
1.1.2
Ein Paar blauer Wellensittiche bringt im Laufe der Zeit 22 Nachkommen hervor, von denen fünf weiß sind.
a)
GgBb und GgBb
b)
ggBB und ggBb
c)
ggBb und ggBb
d)
ggBB und ggbb
Wähle aus den Genotypen a) bis d) ein hierfür passendes Paar der Elterntiere aus und begründe deine Entscheidung mithilfe eines Kombinationsquadrats.
(6 BE)
1.2
Untersuchungen an der blauen Zuchtform zeigen, dass hier ein Funktionsverlust der Polyketid-Synthase vorliegt. An Position 644 der Aminosäuresequenz ist anstelle von Arginin (Arg) (Tab. 2) Tryptophan (Trp) zu finden:
Entwickle über die mRNA einen möglichen DNA-Sequenzausschnitt des codogenen Strangs eines nicht-mutierten und eines mutierten Gens und benenne den Mutationstyp.
643 | 644 | 645 |
His | Arg | Ser |
Tab. 2: Ausschnitt aus der Aminosäuresequenz der Polyketid-Synthase

Abb. 1: Code-Sonne
(6 BE)
1.3
Zur Aufklärung der vorliegenden Mutationen wurde der betreffende Genabschnitt mithilfe eines Vektorplasmids kloniert.
Zeichne ein solches rekombinantes Plasmid (Hybridplasmid), das zur Klonierung des Gens in Bakterien genutzt werden kann, und beschreibe eine Methode, mit der die rekombinanten Bakterien ausfindig gemacht werden können.
Zeichne ein solches rekombinantes Plasmid (Hybridplasmid), das zur Klonierung des Gens in Bakterien genutzt werden kann, und beschreibe eine Methode, mit der die rekombinanten Bakterien ausfindig gemacht werden können.
(8 BE)
2
Die Loris, eine weitere Gruppe der australischen Papageien, werden trotz ihrer bunten Färbung im Gegensatz zu den Wellensittichen deutlich seltener als Haustiere gehalten. Dies liegt an ihrer spezialisierten Ernährung von Pollen und Nektar. In Afrika ist diese Nahrungsnische von den sogenannten Nektarvögeln besetzt.
2.1
Anatomische Untersuchungen der Zungen von Nektarvogel und Lori lieferten folgende Ergebnisse:

Abb. 2: Feinstruktur der Zunge von Nektarvogel (links) und Lori (rechts)
verändert nach: Serkan Erdogan und Iwasaki Shinichi: Function-related morphological characteristics and specialized structures of the avian tongue. In: Annals of Anatomy-Anatomischer Anzeiger, 196.2-3 (2014), S. 75-87
2.1.1
Beschreibe eine molekularbiologische Methode deiner Wahl, mit der gezeigt werden kann, dass Nektarvögel und Loris nicht näher verwandt sind.
(6 BE)
2.1.2
Erkläre aus evolutionsbiologischer Sicht, weshalb sich die Zungen von Nektarvögeln und Loris dennoch sehr ähneln.
(4 BE)
2.2
Nektar ist eine wässrige Lösung, die (neben wenigen Proteinen) hauptsächlich unterschiedliche Zucker enthält. In einem Experiment wurde die Nahrungswahl einer Loriart im Vergleich zu der einer Nektarvogelart untersucht. Den Vögeln wurden dabei parallel zwei Lösungen angeboten: eine Lösung mit einem hohen Anteil an den Einfachzuckern Glucose und Fructose und eine Lösung mit einem hohen Anteil des Zweifachzuckers Saccharose. Außerdem untersuchte man unabhängig davon die Aktivität des Verdauungsenzyms Saccharase, das im Verdauungstrakt der Vögel Saccharose spaltet und somit verwertbar macht. Die Ergebnisse sind in Abbildung 3 dargestellt:
Beschreibe die in Abbildung 3 veranschaulichten Zusammenhänge und begründe unter Bezug auf Abbildung 3, welches Frischobst als Zusatzkost für Loris den Haltern dieser Tiere zu empfehlen ist.

Abb. 3: Diagramme zu Nahrungswahl und -zusammensetzungen sowie zur Aktivität des Verdauungsenzyms Saccharase bei Loris und Nektarvögeln
verändert nach: K. R. Napier et al.: Sugar preferences of avian nectarivores are correlated with intestinal sucrase activity. In: Physiological and Biochemical Zoology, 86(5) (2013), S. 499-514
(6 BE)
(40 BE)
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1.1.1
Genotypen der in Tabelle 1 gezeigten Phänotypen
- Grünes Federkleid: GGBB, GgBB, GGBb, GgBb
- Blaues Federkleid: ggBB, ggBb
- Gelbes Federkleid: GGbb, Ggbb
- Weißes Federkleid: ggbb
1.1.2
Passendes Paar der Elterntiere
Elternpaar c) erfüllt die Bedingungen in der Aufgabenstellung am ehesten. Statistisch treten hier weiße Nachkommen in einem Verhältnis von 1:3 auf.
Keimzellen | gB | gb |
---|---|---|
gB | ggBB | ggBb |
gb | ggBb | ggbb |
1.2
Mögliche DNA-Sequenzausschnitte
Wildtyp-Strang
- Aminosäuresequenz: ... His – Arg – Ser ...
- mRNA-Sequenz: 5'... CAC A/CGG UCU ...3'
- DNA-Sequenz: 3'... GTG T/GCC AGA ...5'
Mutierter Strang
Mutationstyp
Es handelt sich um eine Missense-Mutation, die in Folge einer Punktmutation in Form einer Basensubstitution an der ersten Stelle in Triplett 644 auftritt.
- Aminosäuresequenz: ... His – Trp – Ser ...
- mRNA-Sequenz: 5'... CAC UGG UCU ...3'
- DNA-Sequenz: 3'... GTG ACC AGA ...5'
1.3
Rekombinantes Plasmid
Ein Plasmid wird gentechnisch so verändert, dass es zwei unterschiedliche Resistenzgene enthält, von denen eins Schnittstellen für Restriktionsenzyme aufweist. Dieses Plasmid wird nun mit Restriktionsenzymen geschnitten, sodass in einem der Resistenzgene eine Lücke entsteht, in die das Polyketid-Synthase-Gen integriert werden kann. Durch Ligation werden Fremdgen und Plasmid verbunden. Das Plasmid wird in Bakterienzellen eingeschleust (Transformation). Zunächst wird geprüft, welche Zellen ein Plasmid aufgenommen haben. Dazu lässt man die Bakterienzellen in einem Medium wachsen, welches ein Antibiotikum enthält, das die Zellen unter normalen Umständen abtötet. Nur diejenigen Bakterienzellen, die ein Plasmid aufgenommen haben, verfügen über ein Antibiotikaresistenzgen, welches ihnen erlaubt, auf dem Medium zu wachsen. Es kann jedoch vorkommen, dass Hefezellen zwar ein Plasmid aufgenommen haben, dieses jedoch nicht das gewünschte Fremdgen (Polyketid-Sythase-Gen) enthält. Zur Selektion der Zellen, die ein Plasmid mit Fremdgen tragen, wird das Fremdgen in ein weiteres Resistenzgen eingebracht. Ist ein Plasmid nicht-rekombinant (trägt also kein Fremdgen), ist das Resistenzgen intakt. Wurde ein Fremdgen aufgenommen, so ist das Resistenzgen unterbrochen. Bakterienzellen mit Fremdgen können auf dem ersten Medium Wachsen. Werden sie jedoch mit der Stempeltechnik auf ein Medium übertragen, bei dem ihr (unterbrochenes) Resistenzgen wirkungslos ist, sterben sie. Diese Kolonien können anschließend ausgehend vom ersten Medium weiter vermehrt werden.

2.1.1
Verfahren zur Bestimmung von Verwandtschaftsverhältnissen
Eine Möglichkeit, den Verwandtschaftsgrad von Nekarvogel und Lori zu untersuchen, ist die DNA-Hybridisierung. Dabei werden zunächst die isolierten DNA-Doppelstränge beider Arten bei einer hohen Temperatur aufgeschmolzen. Anschließend werden die DNA-Einzelstränge beider Arten vermischt. Beim Abkühlen entsteht Hybrid-DNA, da sich die komplementäre Basen beider Stränge miteinander verbinden. Je näher die beiden Arten verwandt sind, desto ähnlicher sind ihre DNA-Sequenzen und desto mehr Bindungen können in der Hybrid-DNA eingegangen werden. Je mehr Bindungen in der Hybrid-DNA bestehen, desto stabiler ist sie, und desto höher ist ihr Schmelzpunkt. Der Schmelzpunkt der Hybrid-DNA wird im nächsten Schritt ermittelt. Damit kann eine Aussage über den Verwandtschaftsgrad beider Arten gemacht werden.
Alternativ kann der Verwandtschaftsgrad der beiden Arten über die Sequenzierung ihrer DNA ermittelt werden. Ist die Basenabfolge durch die Sequenzierung bekannt, so wird ein Algorithmus genutzt, um die beiden Sequenzen miteinander zu vergleichen. Auch hier ist die Basis für eine nahe Verwandtschaft die Ähnlichkeit der Basenabfolge auf dem DNA-Strang.
2.1.2
Ähnlichkeit der Zungen von Nektarvögeln und Loris
Das ähnliche Aussehen der Zungen der beiden Vögeln ist auf eine konvergente Entwicklung zurückzuführen. Beide Vögel ernähren sich von Nektar und Pollen. In dieser Nahrungsnische ist eine bestimmte Zungenform- und Oberflächenstruktur von Vorteil. Daher handelt es sich bei den Zungen der beiden Vögel um analoge Organe.
2.2
Zusammenhänge in Abbildung 3
In dem linken Diagramm ist die Präferenz für Glucose und Fructose von Loris und Nektarvögeln in relativen Einheiten dargestellt. Im rechten Diagramm ist die Aktivität des Saccarose spaltenden Enzyms Saccarase bei beiden Arten abgebildet. Die untere Abbildung zeigt die Zuckerzusammensetzung (Glucose, Fructose und Saccarose) verschiedener Früchten in Form von Kreisdiagrammen.
Im Gegensatz zu Nektarvögeln weisen Loris eine höhere Präferenz für Glucose und Fructose auf. Außerdem ist die Saccharase-Aktivität im Verdauungstrakt bei Loris geringer als bei Nektarvögeln. Daher ist zu erwarten, dass Loris Früchte mit hohem Saccharose Anteil schwerer verdauen können, als Früchte mit hohem Glucose- und Fructosegehalt. Das Kreisdiagramm zeigt, dass Äpfel und Birnen im Vergleich zu Aprikosen und Pfirsichen einen hohen Anteil dieser Einfachzucker haben. Daher eignen sich Äpfel und Birnen als Zusatzkost für Loris.