C1 Schaben
Schaben (Blattodea) sind eine artenreiche Insektenordnung und Wirte für verschiedene Parasiten.
1
Die Raubwanze (Belminus ferroae) ernährt sich unter anderem von der Körperflüssigkeit lebender Schaben (z. B. der Art Blaberus giganteus).
In einem Versuch wird eine Raubwanze in einer Schale neben eine Schabe gesetzt, die unter einer durchsichtigen, luftundurchlässigen Glocke eingesperrt ist (Abb. 1). Die Raubwanze läuft innerhalb der Schale auf und ab, ohne mit der Schabe zu interagieren. Wird die Glocke um die Schabe entfernt, stoppt die Raubwanze ihre Laufbewegungen und richtet sich zur Schabe hin aus. Sobald die Schabe sich weniger bewegt, nähert sich die Raubwanze vorsichtig. Erreicht die Wanze die Schabe, so tastet sie diese ab und sticht dann zu. Auf die Schabe wirkt der Stich betäubend. Nach dem ersten Stich zieht sich die Raubwanze zurück, nähert sich dann erneut und sticht zu, um Körperflüssigkeit zu saugen.
Interpretiere das Verhalten der Raubwanze und stelle dabei auch eine mögliche Ursache dar, die die unterschiedlichen Reaktionen der Raubwanze zu Beginn der Untersuchung und nach Entfernen der Glocke erklärt.
In einem Versuch wird eine Raubwanze in einer Schale neben eine Schabe gesetzt, die unter einer durchsichtigen, luftundurchlässigen Glocke eingesperrt ist (Abb. 1). Die Raubwanze läuft innerhalb der Schale auf und ab, ohne mit der Schabe zu interagieren. Wird die Glocke um die Schabe entfernt, stoppt die Raubwanze ihre Laufbewegungen und richtet sich zur Schabe hin aus. Sobald die Schabe sich weniger bewegt, nähert sich die Raubwanze vorsichtig. Erreicht die Wanze die Schabe, so tastet sie diese ab und sticht dann zu. Auf die Schabe wirkt der Stich betäubend. Nach dem ersten Stich zieht sich die Raubwanze zurück, nähert sich dann erneut und sticht zu, um Körperflüssigkeit zu saugen.

Abb. 1: Durchführung der Untersuchung des Verhaltens der Raubwanze
nach: Otálora-Luna, F., Páez-Rondón, O., Aldana, E. & Sandoval Ramírez, C. M. (2021). Orientation of Belminus tria-to-mines to cockroaches and cockroaches’ fecal volatiles: an ethological approach. acta ethologica, 24(1), 53 – 66.
(7 BE)
2
Die Amerikanische Küchenschabe (Periplaneta americana) ist der bevorzugte Wirt der Juwelenwespe (Ampulex compressa). Juwelenwespenweibchen zeigen ein Brutfürsorgeverhalten, das sich in mehrere aufeinanderfolgende Stufen aufteilen lässt. Zu den wichtigsten Stufen zählen zwei Stiche in das Nervensystem der Küchenschabe, die dazu führen, dass die Schabe widerstandslos von der Juwelenwespe in ein vorbereitetes Erdloch gezogen werden kann. Dort wird ein Ei auf die Schabe gelegt und diese dann als lebendige Nahrung der schlüpfenden Larve vergraben. Um das Brutfürsorgeverhalten zu untersuchen, wurde eine Stichprobe von begatteten Juwelenwespenweibchen bei ihren ersten vier aufeinanderfolgenden Versuchen des Brutfürsorgeverhaltens beobachtet. Die Ergebnisse sind in den Abbildungen 2 und 3 festgehalten.

Abb. 2: Prozentsatz der Verhaltensweisen, bei denen Abweichungen von den typischen Stufen des Brutfürsorgeverhaltens beobachtbar waren
nach: Keasar, T., Segoli, M., Barak, R., Steinberg, S., Giron, D., Strand, M. R., ... & Harari, A. R. (2006). Costs and consequences of superparasitism in the polyembryonic parasitoid Copidosoma koehleri (Hymenoptera: Encyrtidae). Ecological Entomology, 31(3), 277– 283.

Abb. 3: durchschnittliche Dauer in Minuten der ersten Stufen des Brutfürsorgeverhaltens
nach: Keasar, T., Segoli, M., Barak, R., Steinberg, S., Giron, D., Strand, M. R., ... & Harari, A. R. (2006). Costs and consequences of superparasitism in the polyembryonic parasitoid Copidosoma koehleri (Hymenoptera: Encyrtidae). Ecological Entomology, 31(3), 277– 283.
2.1
Diskutiere, inwieweit aus den erhaltenen Untersuchungsergebnissen abgeleitet werden kann, ob das beobachtete Brutfürsorgeverhalten des Juwelenwespenweibchens angeboren oder erlernt ist.
(6 BE)
2.2
Unverzichtbarer Teil des Brutfürsorgeverhaltens ist der erste Stich. Zur Untersuchung der Wirkung des dabei abgegebenen Gifts wurden an einem Neuron der Schabe postsynaptische Potentiale gemessen, die in Abbildung 4 dargestellt sind. Während der Messzeiten kam es jeweils zu zwei Stimulationen: Eine mechanische Reizung vorausgehender Nervenzellen sowie die Gabe von Carbachol in den synaptischen Spalt. Carbachol hat eine vergleichbare Wirkung wie ein Neurotransmitter an einer erregenden Synapse.

Abb. 4: postsynaptisches Potential eines Neurons zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten; die mechanische Reizung ist mit einem Pfeil und der Zeitraum der Carbacholgabe mit einem Balken markiert
nach: Gincel, D., Haspel, G. & Libersat, F. (2004). Channel-forming activity in the venom of the cockroach-hunting wasp, Ampulex compressa. Toxicon, 43(6), 721–727.
2.2.1
Fertige eine beschriftete Skizze einer chemischen Synapse an.
(6 BE)
2.2.2
Leite aus den Untersuchungsergebnissen die Wirkung des Juwelenwespengiftes auf die Schabe ab und stelle eine begründete Hypothese über einen möglichen Wirkmechanismus an der Synapse auf.
(8 BE)
3
In einem Experiment wurden Individuen der Amerikanischen Küchenschabe zunächst mit Pfefferminz- bzw. Apfelduft besprüht. Äpfel gehören zum Nahrungsspektrum dieser Tiere. Auf Pfefferminzgeruch reagieren die Tiere nicht. Die Forschenden bestimmten dabei die abgesonderte Speichelmenge (Abb. 5). Im Anschluss wurden die gleichen Individuen erneut mit Pfefferminzduft besprüht, während ihnen gleichzeitig Zuckerlösung als Nahrung geboten wurde. Dies wurde mehrfach wiederholt. Abschließend wurde erneut die Speichelmenge bestimmt, die die Tiere absonderten, wenn sie mit Pfefferminz- bzw. Apfelduft besprüht wurden (Abb. 5).
Interpretiere die dargestellten Ergebnisse des Experiments auf der Grundlage des zugrundeliegenden Lernvorgangs.

Abb. 5: Veränderung des Speichelflusses einer Gruppe untrainierter Schaben (links) sowie einer Gruppe trainierter Schaben (rechts) bei Darbietung von Apfel- bzw. Pfefferminzgeruch; der Pfeil zeigt jeweils die Geruchsdarbietung an
nach: Watanabe, H. & Mizunami, M. (2007). Pavlov’s cockroach: classical conditioning of salivation in an insect. PLoS One, 2(6), e529.
(7 BE)
4
Die Deutsche Schabe (Blattella germanica) zeigt ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Die Kommunikation innerhalb der Gruppe erfolgt hauptsächlich über die individuelle Zusammensetzung wachsartiger Kohlenwasserstoffe auf dem Außenskelett. Die wachsartige Schicht dient zudem als Austrocknungsschutz. Außer auf dem Außenskelett sind die Kohlenwasserstoffe als Abrieb in der näheren Umgebung der Individuen zu finden. Als weitere Kommunikationsmöglichkeit können die Schaben verschiedene Pheromone absondern, die beispielsweise Gruppenbildungs- oder Fluchtverhalten auslösen können.
Vergleiche anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse die beiden beschriebenen Kommunikationsmöglichkeiten der Deutschen Schabe und nenne zwei Vorteile der individuellen Erkennung im Gruppenverband.
(6 BE)
(40 BE)
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1
Verhalten der Raubwanze
Das Verhalten der Raubwanze ist instinktiv und erblich bedingt. Sind Schabe und Raubwanze räumlich voneinander getrennt, so läuft die Raubwanze unkoordiniert auf und ab. Der Grund für dieses Verhalten ist mit dem ungerichtete Appetenzverhalten der Raubwanze zu erklären. Das Entfernen der Glocke, die die Schabe und Raubwanze trennt, ist der Schlüsselreiz, der in der Raubwanze eine gerichtete Bewegung hin zur Schabe auslöst (Taxis). Ein möglicher Grund für diese gerichtete Appetenz könnte ein chemischer Reiz sein, der von der Schabe abgegeben wird. Die Raubwanze kann den Geruch der Wanze über ihr olfaktorisches System wahrnehmen, was in ihr eine gerichtete Bewegung auslöst. Dabei ist die Schabe selbst der Schlüsselreiz, der die Endhandlung hervorruft.
2.1
Brutfürsorgeverhalten des Juwelenwespenweibchens
In Abbildung 2 sind die prozentualen Abweichungen des beobachteten Brutfürsorgeverhaltens zum Normalverhalten in Prozent für die ersten vier Versuche dargestellt. Dabei lässt sich keine klare Tendenz feststellen, da die Abweichungen zwischen 30 und 80 Prozent vom Normalverhalten betragen, und sich auch zwischen den einzelnen Versuchen stark unterscheiden. Dies deutet darauf hin, dass das Brutfürsorgeverhalten nicht erlernt ist, schließt aber die erbliche Anlange nicht aus.
2.2.1
Skizze einer chemischen Synapse

Bildunterschrift
2.2.2
Wirkung des Juwelenwespengifts
Vor der Giftinjektion bewirken sowohl der Reiz als auch die Gabe von Carbachol die Entstehung eines Aktionspotenzials. Unmittelbar nach Verabreichung des Juwelenwespengifts lösen sowohl der Reiz als auch Carbachol kein Aktionspotenzial aus. Wenige Minuten nach der Giftinjektion sind Aktionspotenziale nach einem Reiz sowie nach der Gabe von Carbachol zu beobachten. Die Aktionspotenziale gleichen in ihrem Verlauf denen, die vor der Giftinjektion beobachtet wurden. Das Gift bewirkt daher unmittelbar nach Injektion eine Inhibition des postsynaptischen Potenzials. Diese Inhibition ist reversibel, und die Wirkung des Gifts lässt innerhalb weniger Minuten nach. Bei der Schabe bewirkt das Gift eine unmittelbare aber kurze Lähmung.
Hypothese über einen möglichen Wirkmechanismus:
Der Stoff Carbachol hat eine ähnliche Wirkung wie ein Neurotransmitter. Doch nach der Injektion des Giftes kann auch durch Carbachol kein Aktionspotenzial ausgelöst werden. Das bedeutet, dass das Gift nicht den natürlich vorkommenden Neurotransmitter hemmen kann, oder an der Präsynapse wirkt. Das Gift der Juwelenwespen wirkt daher vermutlich als Antagonist zu dem erregenden Neurotransmitter im synaptischen Spalt. Es besetzt die Bindestellen der transmittergesteuerten Ionenkanäle in der postsynaptischen Membran. Dadurch können die erregenden Transmitter nicht an die Ionenkanäle binden. Die Ionenkanäle bleiben geschlossen, und das Signal kann nicht übertragen werden. Innerhalb weniger Minuten wird das Gift jedoch abgebaut, sodass ein Aktionspotenzial an der Postsynapse gemessen werden kann.
3
Interpretation der Ergebnisse
Der dem Experiment zugrundeliegende Lernvorgang ist die klassische Konditionierung. Ein Reiz löst dabei unter bestimmten Bedingungen Appetenz aus. Die untrainierte Versuchsgruppe reagiert nur auf den Apfelgeruch mit Speichelfluss, da Äpfel zum natürlichen Nahrungsspektrum dieser Tiere gehören. Der neutrale Reiz Pfefferminzduft löst keinen vermehrten Speichelfluss aus. Werden die Tiere in der Lernphase nun wiederholt dem unbedingten Reiz der Zuckerlösung ausgesetzt, dann löst dieser Reiz Speichelfluss aus. Der neutrale Reiz Pfefferminzduft wird also mit dem unbedingten Reiz Zuckerlösung verknüpft. Nach der Konditionierung wirkt der Pfefferminzduft als bedingter Reiz, welcher analog zum Apfelduft einen vermehrten Speichelfluss als bedingte Reaktion auslöst. Bei der Aufnahme der Nahrung machten die Schaben ausgelöst durch den Duft eine positive Erfahrung. Nach dem Lernprozess ist der Duftstoff ausreichend, um das Appetenzverhalten auszulösen. Damit ist eine bedingte Appetenz entstanden.
4
Kommunikationsmöglichkeiten der Deutschen Schabe
- Kohlenwasserstoffe: Ein Nachteil der Kommunikation über Kohlenwasserstoffe auf dem Außenskelett ist die relativ geringe Informationsdichte. Über diesen Weg können die Schaben nur individuelle Informationen teilen. Da die Kohlenwasserstoffe nur in der unmittelbaren Nähe der Schabe zu finden sind, ist auch deren Reichweite eingeschränkt. Ein Vorteil dieses Kommunikationsweges ist der geringe zusätzliche Energieaufwand, da Kohlenwasserstoffe ohnehin als Austrocknungsschutz benötigt werden.
- Pheromone: Die Kosten liegen hier eindeutig in dem für die Schabe erhöhten Energieaufwand, da Pheromone zusätzlich synthetisiert werden müssen. Nützlich ist der höhere Informationsgehalt. Schaben können andere Individuen so vor Gefahren warnen, oder potenzielle Nahrungsquellen anzeigen. Außerdem wirken die Pheromone über einen längeren Zeitraum und über längere Distanzen.
- Einfachere Partnersuche
- Erkennung von Individuen, die nicht der Gruppe angehören
- Markierung des Reviers