B1 Krebstiere
Hinweis: Der Fachausschuss wählt jeweils eine Aufgabe aus den Aufgabenblöcken A, B und C zur Bearbeitung aus.
Krebstierarten finden sich in nahezzu allen Gewässern weltweit. Sie besiedeln Süßwasserseen ebenso wie Ozeane.
1
Zur Gattung der Felsengarnelen (Palaemon) zählen ca. 80 verschiedene Arten. Hiervon besiedeln einige die Küsten des Mittelmeers oder des Atlantiks, andere sind in beiden Habitaten anzutreffen. Die Gewässer unterscheiden sich hinsichtlich einiger abiotischer Faktoren: Das Mittelmeer weist beispielsweise höhere Durchschnittstemperaturen und einen höheren Salzgehalt als der Atlantik auf. Im Bereich der Meerenge von Gibraltar zwischen Mittelmeer und Atlantik bilden sich starke Strömungen (Abb. 1).

Abb. 1: Meeresströmungen (Pfeile) um die Meerenge Gibraltar1
1.1
Erkläre die Entstehung unterschiedlicher Garnelenarten der Gattung Palaemon im Atlantik und im Mittelmeer gemäß der synthetischen Evolutionstheorie.
[8 BE]
1.2
Eine weit verbreitete Garnelenart. ist P. serratus. In einer Studie wurden Individuen dieser Art an unterschiedlichen Sammelorten entnommen (Abb. 2). Zur Untersuchung der genetischen. Vielfalt von Individuen hat sich der Vergleich von DNA-Abschnitten aus mitochondrialer DNA etabliert. Dazu kann das cox1-Gen herangezogen werden.
Eine Darstellungsmäglichkeit der verschiedenen Mutationen eines DNA-Abschnitts ist in Abbildung 3 gezeigt: In einem solchen Netzwerk werden unterschiedliche Varianten einer Nukleotidsequenz als Kreis dargestellt. Bei direkt verbundenen Kreisen unterscheidet sich die DNA-Sequenz in einer Base. Zusätzliche Mutationen sind in der Abbildung angegeben.
Beurteile ausgehend vom abgebildeten Netzwerk, ob die Meerenge von Gibraltar eine Barriere für die spezielle Art P. serratus darstellt.

Abb. 2: Meeeresströmungen (Pfeile) um die Meerenge Gibraltar1 und Sammelorte verschiedener Individuen der Garnelenart P. serratus2

Abb. 3: Vereinfachtes Netzwerk von cox1-Varianten von P. serratus aus unterschiedlichen Sammelorten; Kreise stehen für am Sammelort gefundene Genvarianten von cox1; die Ziffern in den Kreisen entsprechen den in der Karte (Abb. 2) angegebenen Sammelorten2
[4 BE]
1.3
Um die verschiedenen DNA-Sequenzen innerhalb des cox1-Gens einer Population zu ermitteln, muss der entsprechende DNA-Abschnitt vor dem Sequenzieren mithilfe der PCR vervielfältigt werden.
Erläutere anhand einer Beschreibung des PCR-Verfahrens unter Berücksichtigung der Vorgänge auf Teilchenebene, weshalb bei der PCR zwei verschiedene Primer nötig sind.
Erläutere anhand einer Beschreibung des PCR-Verfahrens unter Berücksichtigung der Vorgänge auf Teilchenebene, weshalb bei der PCR zwei verschiedene Primer nötig sind.
[6 BE]
1.4
Im Folgenden ist die DNA-Basensequenz des codogenen Strangs eines Abschnitts im cox 1-Gen dargestellt:
Leite mithilfe der Code-Sonne (Abb. 5) die Aminosäuresequenz ab, für die die dargestellte Basensequenz codiert.

Abb. 4: DNA-Basensequenz eines Ausschnitts des codogenen Strangs im cox1-Gen

Abb. 5: Codesonne
[4 BE]
1.5
Die Garnelenart P. elegans weist die in Abbildung 6 gezeigten Karyogramme auf:
Beschreibe jeweils zwei Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Karyogrammen von P. elegans und den Karyogrammen des Menschen.

Abb. 6: Karyogramm eines Weibchens (a) und eines Männchens (b) der Art P. elegans3
[4 BE]
2
Als Mangrovenkrabben werden verschiedene Krebsarten bezeichnet, welche an das Leben in Mangrovenwäldern angepasst sind. Nach ihrem vorwiegenden Aufenthaltsraum können die Arten in verschiedene Gruppen eingeteilt werden: nicht-baumbewohnend (Boden), überwiegend an Baumstämmen lebend (Stamm) sowie in den Baumkronen lebend (Krone). In Abbildung 7 ist die stammesgeschichtliche Verwandtschaft verschiedener Mangrovenkrabbenarten dargestellt.
Beurteile, ob die Verhaltensweisen stamm- bzw. kronenbewohnend jeweils das Ergebnis einer konvergenten Entwicklung sein könnten.

Abb. 7: Stammbaum verschiedener Mangrovenkrabbenarten unter Angabe ihrer jeweiligen Zugehörigkeit zur Boden-, Stamm-, oder Kronen-Gruppe4
[5 BE]
3
Die im Süßwasser vorkommenden Kiemenfußkrebse der Art Daphnia magna können von parasitären Bakterien befallen werden. Einige Individuen sind gegen diese Bakterien resistent. Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung können sich weibliche Daphnien auch ohne Geschlechtspartner vermehren und Klone als Nachkommen erzeugen. Da Daphnien keine Geschlechtschromosomen besitzen, können dabei auch männliche Klone entstehen. In einem Kreuzungsexperiment wird die Anfälligkeit verschiedener Daphnien gegenüber einem parasitären Bakterienstamm getestet. Die Ergebnisse sind in der Tabelle festgehalten.
Tab: Anfälligkeit von D. magna gegenüber einem parasitären Bakterienstamm5

3.1
Von einem resistenten Daphnien-Individuum soll mithilfe eines Kreuzungsexperiments der unbekannte Genotyp bestimmt werden. Erläutere unter Zuhilfenahme von Kombinationsquadraten eine mögliche Vorgehensweise.
[6 BE]
3.2
Leite die Mendelsche Regel ab, die den Ergebnissen von Kreuzungsexperimen F2 zugrunde liegt.
[3 BE]
[40 BE]
Quellen:
1
Tintore, J., La Violette, P. E., Blade, I., \& Cruzado, A.: A study of an intense density front in the eastern Alboran Sea: the Almeria-Oran front. In: Journal of Physical Oceanography. 18. Jg. 1988, Nr. 10, S. 1384-1397.
2
Weiss, R., Torrecilla, Z., González-Ortegón, E., González-Tizón, A. M., Martinez-Lage, A., \& Schubart, C. D.: Genetic differentiation between Mediterranean and Atiantic populations of the common prawn Palaemon serratus (Crustacea: Palaemonidae) reveals uncommon phylogeographic break. In: Journal of the Marine Biological Association of the United Kingdom. 98. Jg. 2018, Nr. 6, S. 1425-1434.
3
Torrecilla Pérez, Z., Martinez-Lage, A., Perina Cedrón, A., González-Ortegón, E., \& González-Tizón, A. M.: Comparative cytogenetic analysis of marine "Palaemon" species reveals a X1X1X2X2 / X1X2Y sex chromosome system n "Palaemon elegans". In: Frontiers in Zoology. 2017, Nr. 14, Art. 47, S. 1-9.
4
Fratini, S., Vannini, M., Cannicci, S., \& Schubart, C. D.: Tree-climbing mangrove crabs: a case of convergent evolution. In: Evolutionary Ecology Research. 7. Jg. 2005, Nr. 2, S. 219-233.
5
Luijckx, P., Fienberg, H., Duneau, D., \& Ebert, D.: Resistance to a bacterial parasite in the crustacean Daphnia magna shows Mendelian segregation with dominance. In: Heredity. 108. Jg. 2012, Nr. 5, S. 547-551.
2
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1.1
Entstehung unterschiedlicher Garnelenarten der Gattung Palaemon:
Vermutlich wurde die ursprüngliche Population der heute im Mittelmeer und Atlantik vorkommenden Palaemon-Arten irgendwann durch die Meerenge von Gibraltar voneinander getrennt. Diese geografische Barriere und die damit verbundene reproduktive Isolation führte dazu, dass der Genpool beider Gruppen voneinander getrennt war. In den nun getrennten Populationen traten unterschiedliche Mutationen und Rekombinationsereignisse auf. Das sorgte zusätzlich dafür, dass die genetische Ausstattung der getrennten Populationen auseinanderdriftete. Auch die Umweltbedingungen im Mittelmeer und Atlantik unterscheiden sich. Dabei fand eine Anpassung an unterschiedliche ökologische Nischen statt (Einnischung). Somit wirkten unterschiedliche Selektionsdrücke auf die Arten, und es kam zu Speziation und genetischer Divergenz.
1.2
Meerenge von Gibraltar als geografische Barriere:
Abbildung 2 zeigt die verschiedenen Fundorte von Individuen der Art P. serratus. Die Fundorte sind dabei über ein insgesamt recht großes Gebiet verteilt. Abbildung 3 zeigt ein Netzwerk unterschiedlicher cox1-Varianten von P. serratus an den jeweiligen Fundorten.
Betrachtet man Abbildung 3, so lassen sich grob zwei Gruppen erkennen, die genetisch weiter auseinander liegen. Auf der einen Seite liegen dabei die Arten an Standort 3 und 5, auf der anderen Seite, getrennt durch mindestens 60 Mutationen, die Arten 1, 2, 4 und 6. Während die Arten 1-4 im Atlantik vorkommen, wurden die Arten 5 und 6 im Mittelmeer gefunden. Da Arten (wie zum Beispiel 3 und 5), die nicht im gleichen Ozean vorkommen, genetisch ähnlicher sein können, als Arten, die im gleichen Ozean vorkommen, ist davon auszugehen, dass die geografische Barriere der Meerenge nicht ausschlaggebend für die Speziation der Arten war. Vermutlich sind die spezifischen, am Standort gegebenen Umweltbedingungen der entscheidende Faktor für die Entwicklung von P. serratus. So sind die Standorte 3 und 5 beispielsweise beide eher exponiert, und vermutlich stärkeren Strömungen ausgesetzt. Die Standorte 1 und 6 sind beide recht geschützt zwischen zwei Landmassen. Vermutlich herrschen dort also ähnliche Umweltbedingungen, weshalb sich die Arten an diesen Standorten ähneln, auch wenn sie geografisch voneinander getrennt sind.
1.3
Beschreibung des PCR-Verfahrens:
- Denaturierung: Die Doppelhelix wird bei einer Temperatur von ca. 95 °C in ihre beiden Einzelstränge aufgespalten. Das liegt daran, dass bei dieser Temperatur die Wasserstoffbrücken zwischen den einzelnen Basenpaaren aufgelöst werden.
- Hybridisierung: Hier werden bei 55 bis 60 °C Primer komplementär an die zu vervielfältigenden Abschnitte angelagert. Man benötigt dabei zwei Primer. Ein Primer passt jeweils nur zu einer komplementären Sequenz auf dem Zielstrang. Er bietet den Ansatzpunkt für die Polymerase, die in 3'
5'-Richtung den Strang abliest. Da die DNA antiparallel ist, wird für jeden Strang ein eigener Primer benötigt.
- Polymerisation: Die sogenannte Taq-Polymerase synthetisiert bei 72 °C ausgehend von dem zuvor gebundenen DNA-Primer einen zum Matrizenstrang komplementären DNA-Strang.
- Dieser Zyklus wird so oft wiederholt, bis die gewünschte Menge des zu replizierenden DNA-Abschnittes entstanden ist. In der Regel umfasst dies etwa 20 bis 40 Zyklen.
1.4
Sequenzen des cox1-Gens:
DNA-Sequenz: 3' TAG GAA CCT CTT TAA GAC 5'
mRNA-Sequenz: 5' AUC CUU GGA GAA AUU CUG 3'
Aminosäuresequenz: Ile-Leu-Gly-Glu-Ile-Leu
1.5
Vergleich des Karyogramms von P. elegans und Mensch:
2
Verhaltensweisen als Ergebnis einer konvergenten Entwicklung:
Die Verhaltensweise „stammbewohnend“ ist kein Ergebnis einer konvergenten Entwicklung. Am Stammbaum lässt sich erkennen, dass der letzte gemeinsame Vorfahr dieser Gruppe stammbewohnend war. Die Eigenschaft „bodenbewohnend“ ist erst sekundär bei den Arten Clistocoeloma villosum und Clistocoeloma merguiense entstanden ist. Damit wurde das Merkmal „stammbewohnend“ von einer gemeisamen Ursprungsart übernommen.
Das Merkmal „kronenbewohnend“ tritt in verschiedenen phylogenetischen Gruppen auf. Dabei haben sich die Entwicklungslinien der Arten mit diesem Merkmal evolutionär schon früher getrennt. Das Merkmal trat dann später in der Gruppe von Aratus pisonii und Armases elegans sowie bei der Art Parasesarma catenatum unabhängig voneinander auf. Damit ist es das Ergebnis einer konvergenten Entwicklung.
3.1
Ermittlung des unbekannten Genotyps bei Daphnien:
An der Tabelle lässt sich ablesen, dass das Allel für die Resistenz gegen den Parasiten dominant ist. In der F1-Generation sind alle Individuen resistent. Daher muss dieses Allel dominant gegenüber dem anfälligen sein.
Ein phänotypisch resistentes Daphnien-Individuum kann entweder homozygot oder heterozygot in Bezug auf das resistente Allel sein. Damit kann es den Genotyp Ra (R: Resistent; a: Anfällig) oder RR haben. Über eine Rückkreuzung mit einem homozygot anfälligen Individuum, lässt sich bestimmen, welcher Genotyp vorliegt.
Kombinationsquadrat für heterozygotes Individuum
Allele | R | a |
---|---|---|
a | Ra | aa |
a | Ra | aa |
Kombinationsquadrat für homozygotes Individuum
Für den Fall, dass das Individuum heterozygot ist, wird ein Verhältnis von 1:1 (Resistent : Anfällig) in der F1-Generation erwartet. Ist das Individuum homozygot, so sind alle Nachkommen gemäß der Uniformitätsregel heterozygot, und somit resistent gegen den Parasiten.
Allele | R | R |
---|---|---|
a | Ra | Ra |
a | Ra | Ra |
3.2
Mendelsche Regel als Grundlage des Kreuzungsexperiments:
In der F2-Generation kann ein Verhältnis von 21:79 (Anfällig : Resistent) beobachtet werden. Das entspricht etwa einem Verhältnis von 1:3. Damit liegt dem Kreuzungsexperiment F2 die 2. Mendelsche Regel (Spaltungsregel) zugrunde. Sie besagt, dass durch eine Kreuzung der Mischlinge der F1-Generation in der F2-Generation auch Merkmale der Eltern in einem festen Zahlenverhältnis wieder auftreten.