C1 Neptungras
Hinweis: Der Fachausschuss wählt jeweils eine Aufgabe aus den Aufgabenblöcken A, B und C zur Bearbeitung aus.
Marine Seegraswiesen zählen zu den ökologisch wichtigsten Lebensräumen unserer Erde. Sie sind bedeutende Kohlenstoffdioxid-Senken und gelten als „Hotspots“ der Biodiversität, da sowohl zwischen als auch auf den Seegräsern eine artenreiche Flora und Fauna lebt. Von den fünf im Mittelmeer natürlich vorkommenden Seegräsern bildet das Neptungras (Posidonia oceanica) die ausgedehntesten Wiesen.
1
Das Neptungras besteht aus bis zu 100 cm langen grünen Blättern, einem horizontal verlaufenden Sprossachsensystem und Wurzeln, die die Pflanze im Weichboden verankern. Es wächst in Zonen von bis zu 40 m Tiefe. Nachfolgend sind der Bau einer Neptungras-Pflanze (Abb. 1) sowie die Intensität des Sonnenlichts in unterschiedlichen Wassertiefen angegeben (Abb. 2).

Abb. 1: Skizze einer Neuptungras-Pflanze1

Abb. 2: Intensität des Sonnenlichts in Abhängigkeit von der Wassertiefe2
1.1
Folgende Skizzen zeigen einen Blattquerschnitt eines Neptungrases und zum Vergleich einen Querschnitt eines Laubblattes einer Landpflanze in lichtmikroskopischer Vergrößerung (Abb. 3).
Erkläre die unterschiedliche Verteilung der Chloroplasten.

Abb. 3: Blattquerschnitt einer Neptungras-Pflanze aus 25 m Tiefe (A) sowie einer Rotbuche (B)3
[5 BE]
1.2
Zusätzlich zu dem im Meerwasser gelösten Kohlenstoffdioxid nutzt das Neptungras auch Hydrogencarbonat-Ionen als Kohlenstoffatom-Quelle. Abbildung 4 zeigt schematisch die Transportvorgänge an der Zellmembran von Neptungras-Zellen.

Abb. 4: Transportvorgänge an der Zellmembran von Neptungras-Zellen.4
1.2.1
Stelle den Fotosyntheseabschnitt, der Kohlenstoffdioxid als Ausgangsstoff benötigt, schematisch dar.
[7 BE]
1.2.2
Beschreibe die in Abbildung 4 gezeigten unterschiedlichen Transportvorgänge und erläutere Funktion und Bedeutung des Enzyms Carboanhydrase für die Fotosyntheserate.
[8 BE]
2
In Neptungraswiesen vor der italienischen Mittelmeerinsel Elba wird die Sauerstoffproduktion während des Tagesverlaufs gemessen. Ausgewählte Ergebnisse dieser Messungen sind in Abbildung 5 dargestellt:
Interpretiere die Untersuchungsergebnisse. Leite begründet die Tageszeiten ab, bei denen der Lichtkompensationspunkt in der Neptungraswiese erreicht wurde.

Abb. 5: Sauerstofffreisetzung einer Neptungraswiese, gemessen im Tagesverlauf; Die Ziffern im Liniendiagramm geben jeweils die Stunden des Tages an.5
[9 BE]
3
Der Mensch trägt z. B. durch Aquakulturen massiv zum Rückgang der Neptungrasbestände bei. In Aquakulturen werden u. a. Fische kontrolliert aufgezogen. Dieses sogenannte „Aquafarming“ gewinnt wegen der Überfischung der Meere zunehmend an Bedeutung. Die Nahrungsreste und Ausscheidungen der in Käfigen gehaltenen Zuchtfische überdüngen das angrenzende Meerwasser. Zusätzlich werden durch die Haltung auch Medikamente oder Schwermetalle z. B. aus Algenvernichtungsmitteln vom Säubern der Käfige freigesetzt. All diese Schwebstoffe reduzieren den Lichteinfall und setzen sich schließlich im Sediment ab. Durch die Überdüngung des Meerwassers mit organischen Stoffen kann es zudem zu stark vermehrtem Algenwachstum auf Neptungras-Blättern kommen.
Die Auswirkungen von Fischfarmen auf den Eintrag organischer Stoffe und auf die Bewuchsdichte der nur sehr langsam wachsenden Neptungras-Wiesen wurden in Studien vor der Mittelmeerinsel Korsika untersucht. Ausgewählte Ergebnisse sind in Abbildung 6 und folgender Tabelle dargestellt.
Die Auswirkungen von Fischfarmen auf den Eintrag organischer Stoffe und auf die Bewuchsdichte der nur sehr langsam wachsenden Neptungras-Wiesen wurden in Studien vor der Mittelmeerinsel Korsika untersucht. Ausgewählte Ergebnisse sind in Abbildung 6 und folgender Tabelle dargestellt.

Abb. 6: organische Stoffe im Sediment in der Nähe einer Aquakultur vor Korsika6
Tab. : Durchschnittliche Anzahl der Triebe pro m2 einer Neptungras-Wiese bei Korsika (10 m Tiefe) in der Nähe von Aquakulturen6

3.1
Beschreibe die in Abbildung 6 und der Tabelle dargestellten Ergebnisse und diskutiere den Betrieb von Aquakulturen aus ökologischer Sicht.
[7 BE]
3.2
Erläutere zwei weitere anthropogene Einflüsse, die fur den Rückgang von Neptungras-Wiesen verantwortlich sein könnten.
[4 BE]
[40 BE]
Quellen:
1
Drew, E. A., \& Jupp, B. P. (1976). Some aspects of the growth of Posidonia oceanica in Malta. Undenwater research, S. 357-367.
2
Sommer, U., \& Sommer, U. (1998). Marine Lebensgemeinschaften IV: Benthos der Sedimente. Biologische Meereskunde, 301-351, S. 24.
3
Strasburger, E., Noll, F., Schenck, H., \& Schimper, A. F. W. (1904). Lehrbuch der Botanik. Fischer, S. 430.
4
Mohr, H., \& Schopfer, P. (2019). Pflanzenphysiologie. Springer-Verlag, S. 264.
5
Koopmans, D., Holtappels, M., Chennu, A., Weber, M., \& De Beer, D. (2020). High net primary production of Mediterranean seagrass (Posidonia oceanica) meadows determined with aquatic eddy covariance. Frontiers in Marine Science, 7, S. 118.
6
Pergent-Martini, C., Boudouresque, C. F., Pasqualini, V., \& Pergent, G. (2006). Impact of fish farming facilites on Posidonia oceanica meadows: a review. Marine Ecology, 27(4), S. 310-319.
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1.1
Verteilung der Chloroplasten beim Neptungras und bei der Rotbuche:
Beim Neptungras sind die Chloroplasten symmetrisch zwischen der linken und rechten Hälfte des Blattquerschnitts verteilt. Bei der Rotbuche befinden sich die meisten Chloroplasten an der Blattoberseite. Beim Neptungras entscheidet die Strömung darüber, welche Blattseite dem Sonnenlicht zugewandt ist. Daher besitzt die Pflanze an beiden Seiten Chloroplasten. Die Blätter der Rotbuche sind immer mit der Blattoberseite dem Sonnenlicht zugewandt. Zur Blattunterseite nimmt die Dichte der Chloroplasten ab. Im Gegensatz zum Neptungras, befinden sich aber auch Chloroplasten in tieferen Blattschichten. Der Blattquerschnitt der Neptungras-Pflanze stammt von einer Pflanze in 25m Wassertiefe. Aus Abbildung 2 geht hervor, dass die Lichtintensität in dieser Tiefe im Vergleich zur Oberfläche stark reduziert ist. Nur wenn die Lichtintensität ausreichend hoch ist, können Chloroplasten in tieferen Schichten noch effizient Lichtstrahlung absorbieren. Daher besitzt das Neptungras-Blatt nur eine Zellschicht mit Chloroplasten auf jeder Blattseite.
1.2.1
Lichtunabhängige Reaktion der Fotosynthese:
In der lichtunabhängigen Reaktion der Fotosynthese wird Kohlenstoffdioxid zu Glucose reduziert. Dieser Teil der Fotosynthese findet im Stroma der Chloroplasten statt.
Kohlenstoffdioxid diffundiert in Pflanzen durch Stomata durch die Blätter in die Chloroplasten
Verbrauch der in der Lichtreaktion gewonnenen ATP-Moleküle und Reduktionsäquivalente NADPH
Das Enzym Rubisco katalysiert die Addition von CO2 an Ribulose-1,5-bisphosphat (Kohlendioxid-Fixierung)
Einleitung des Calvin-Zyklus
Spontaner Zerfall der instabilen Zwischenstufe in zwei Moleküle 3-Phosphoglycerat
Nach Phosphorylierung und Reduktion durch GAPDH entsteht GAP
Regeneration von Ribulose-1,5-bisphosphat.
1.2.2
Transportvorgänge an der Membran von Neptungras-Zellen:
In Abbildung 4 ist die Verteilung und der Transport verschiedener Moleküle zwischen Zellmembran und Lumen in Neptungras-Zellen dargestellt. Aufgenommenes CO2 kann dabei durch die Zellmembran ins Zellinnere diffundieren. Die Gewinnung von CO2 wird auch durch das Enzym Carboanhydrase katalysiert. Dazu wird HCO3-, das sich zwischen Zellwand und Zellmembran befindet, im Symport mit H+-Ionen aktiv ins Innere der Zelle befördert. Während die H+-Ionen unter ATP-Verbrauch in die Membran zurück transportiert werden, katalysiert die Carboanhydrase die Umsetzung von HCO3- und H+ zu H2O und CO2.
Bedeutung der Carboanhydrase für die Fotosyntheserate:
Das Enzym Carboanhydrase ist für die Bereitstellung von CO2 aus HCO3- und H+ zuständig. Als Substrat von RubisCO spielt CO2 eine zentrale Rolle bei der Fotosyntheserate, da diese steigt, wenn mehr CO2 vorhanden ist. Durch die Kontrolle des HCO3- und H+-Umsatzes kann die Carboanhydrase die Fotosyntheserate direkt beeinflussen.
2
Interpretation der Untersuchungsergebnisse:
Abbildung 5 zeigt die Sauerstofffreisetzung in mmol*m-2*d-1 in Relation zur fotosynthetisch aktiver Strahlung in µmol Photonen * m-2*s-1. Die Ziffern im Liniendiagramm stehen dabei für die Stunden des Tages, zu denen ein bestimmter Wert gemessen wurde. Befindet sich die Linie unterhalb der x-Achse, so ist die Sauerstofffreisetzung negativ, was mit einer Sauerstoffaufnahme durch die Pflanze gleichzusetzen ist. Bei einer gewissen Tageszeit morgens bzw. abends wird die x-Achse geschnitten. Diese Punkte sind die Lichtkompensationspunkte. In der Abbildung lassen sich dabei die Uhrzeiten 6:40 und 18:50 abschätzen. Zwischen 6:40 und 18:50 Uhr ist die fotosynthetisch aktive Strahlung ausreichend hoch, und es wird Sauerstoff freigesetzt. Davor und danach ist zu wenig Sonnenlicht vorhanden, um Sauerstoff zu produzieren. In dieser Zeit nimmt die Pflanze Sauerstoff auf. Es lässt sich außerdem erkennen, dass Nachmittags mehr Sauerstoff freigesetzt wird, als Vormittags, auch wenn die fotosynthetisch aktive Strahlung beispielsweise um 11 Uhr höher ist, als um 15 Uhr. Das kann daran liegen, dass die Umweltbedingungen am Nachmittag vermutlich besser für eine effiziente Fotosynthese sind. Am Nachmittag ist die Lichtqualität (mehr direktes Licht und weniger Streulicht) für die Pflanze günstig. Durch die höheren Temperaturen kann auch der Gasaustusch besser ablaufen. Das kann ein Grund für die höhere Sauerstofffreisetzung am Nachmittag sein.
3.1
Betrieb von Aquakulturen aus ökologischer Sicht:
Abbildung 6 zeigt die prozentuale Konzentration organischer Stoffe bei unterschiedlichen Abständen zu den Käfigen in Metern. In unmittelbarer Nähe der Käfige beträgt die Konzentration knapp 8 %. Bei einem Abstand von 20 m sind es 3 % und bei einem Abstand von 80 m immer noch etwa 1,5 %. Die Vervierfachung des Abstands, bewirkt also nur eine Halbierung der Konzentration organischer Stoffe im Sediment.
In der Tabelle ist die durchschnittliche Anzahl der Triebe pro m2 einer Neptungras-Wiese in 10 m Tiefe bei unterschiedlichen Abständen zu Käfigen einer Aquakultur dargestellt. In unmittelbarer Nähe zu den Käfigen, bilden die Pflanzen keine Triebe aus. In einem Abstand von 80 m sind es 250 und in einem Abstand von 300 m sind es 313. In einer gesunden Wiese liegt die Anzahl der Triebe zwischen 349 und 573.
Die Beobachtungen zeigen, dass Aquakulturen einen großen Einfluss auf das Wachstum der Neptungras-Wiesen haben. Die Konzentration organischer Stoffe nimmt auch in einiger Entfernung zu den Aquakulturen nur langsam ab. Organische Stoffe trüben das Wasser und fördern die Ausbreitung von schnell wachsenden Algen. Diese konkurrieren mit dem langsam wachsenden Neptungras-Wiesen um die durch die Wassertrübung ohnehin limitierten Ressourcen. Die Neptungras-Pflanzen bilden daraufhin weniger Triebe aus, als in nicht belasteten Gewässern.
Der Betrieb von Aquakulturen ist in Hinblick auf die Gesundheit des Ökosystems damit kritisch zu betrachten. Durch die von Aquakulturen freigesetzten organischen Stoffe, Medikamente und Schwermetalle wird die Umgebung stark belastet. Unter dem Rückgang der Neptungras-Wiesen leiden auch andere Arten, denen die Wiesen als Lebensraum oder Nahrungsgrundlage dienen. Damit stellen Aquakulturen eine Gefährdung des gesamten Ökosystems dar.
3.2
Anthropogene Einflüsse als Grund für den Rückgang der Neptungras-Wiesen:
- Klimaerwärmung: Menschen stoßen immer mehr CO2 aus, was den Treibhauseffekt begünstigt. Durch die Erwärmung der Erde steigen auch die Temperaturen in den Weltmeeren. Standortgebundene Pflanzen leiden besonders stark unter schwankenden oder konstant erhöhten Temperaturen. Dadurch können Neptungras-Wiesen zusätzlich gefährdet sein.
- Tourismus: Im Mittelmeer finden regelmäßig Bootstouren entlang der Küste statt. Abfallstoffe aus der Schiffahrt sowie Müll und Sonnencreme von Touristen gelangen dabei in den Ozean. Auch diese Stoffe können für eine Anreicherung organischer Stoffe und Schwebstoffe sorgen, was Neptungras-Pflanzen belastet.