C2 Webspinnen
Die Webspinnen (Araneae) stellen die zweitartenreichste Ordnung innerhalb der Spinnentiere dar. Sie leben überwiegend räuberisch und ergreifen ihre Beutetiere mit kräftigen Kieferklauen, die mit Giftdrüsen in Verbindung stehen.
1
Die Sydney-Trichternetzspinne (Atrax robustus) jagt kleinere Wirbeltiere, aber auch Insekten. Diesen wird beim Biss das Gift Atracotoxin injiziert. Die Giftwirkung wurde an isolierten Axonen von Schaben untersucht. Hierbei wurde das Aktionspotential an den Axonen jeweils vor der Gabe von Atracotoxin und 10, 30 sowie 60 Sekunden danach gemessen. Die Ergebnisse sind in Abbildung 1 dargestellt.

Abb. 1: Aktionspotentiale isolierter Schabenaxone
a: ohne Giftgabe, b: 10 Sekunden nach Giftgabe, c: 30 Sekunden nach Giftgabe, d: 60 Sekunden nach Giftgabe nach: Grolleau F. et al.: Electrophysiological analysis of the neurotoxic action of a funnel-web spider toxin ..., Journal of experimental biology 204, 711–721 (2001).
a: ohne Giftgabe, b: 10 Sekunden nach Giftgabe, c: 30 Sekunden nach Giftgabe, d: 60 Sekunden nach Giftgabe nach: Grolleau F. et al.: Electrophysiological analysis of the neurotoxic action of a funnel-web spider toxin ..., Journal of experimental biology 204, 711–721 (2001).
1.1
Erstelle eine beschriftete Skizze eines Schabenneurons.
(5 BE)
1.2
Erläutere den Verlauf von Kurve d in Abbildung 1 mithilfe der Ionentheorie.
(8 BE)
1.3
Erkläre die Wirkung des Giftes Atracotoxin auf die Beutetiere innerhalb der ersten 60 Sekunden unter Zuhilfenahme von Abbildung 1.
(5 BE)
2
Männliche Listspinnen (Pisaura mirabilis) fangen Insekten, wie z. B. Fliegen, umwickeln diese mit Spinnfäden und streifen mit diesen umher. Entdecken sie ein arteigenes Weibchen, so präsentieren sie diesem das eingesponnene Insekt als „Geschenk“ und kommen vorsichtig näher. Bleiben die Weibchen ruhig und nähern sich dem Geschenk, beginnen die Männchen unmittelbar mit der Kopulation.
2.1
Interpretiere das beschriebene Verhalten unter Textbezug aus ethologischer Sicht.
(6 BE)
2.2
Plane ein Experiment, mit dem untersucht werden kann, ob die Körpergröße dafür ausschlaggebend ist, dass Listspinnen-Weibchen von Männchen als Geschlechtspartnerinnen erkannt werden.
(4 BE)
2.3
Listspinnen-Männchen werden gelegentlich bei Paarungsversuchen von den Weibchen gefressen. Forschende haben dieses Verhalten in einer Untersuchung genauer analysiert und Ergebnisse gewonnen (Abb. 2).

Abb. 2: Untersuchungsergebnisse zu Kannibalismus bei Listspinnen
nach: Toft, S., Albo M. J.: The shield effect: nuptial gifts protect males against pre-copulatory sexual cannibalism. In: Biology letters (2016).
2.3.1
Stelle eine Kosten-Nutzen-Analyse für das Fangen eines Geschenktieres durch das Listspinnen-Männchen unter Einbezug der Untersuchungsergebnisse (Abb. 2) auf.
(5 BE)
2.3.2
Die Fälle von Kannibalismus bei der Untersuchungsgruppe u+ in Abbildung 2 erfolgten ausschließlich nach der Paarung. Diskutiere die Auswirkungen dieses Verhaltens auf die Fitness der Spinnen-Männchen und der Spinnen-Weibchen.
(3 BE)
2.4
Wie die allermeisten Spinnenarten lebt auch die Listspinne als Einzelgänger. Nenne je zwei Vor- und Nachteile des Lebens als Einzelgänger.
(4 BE)
(40 BE)
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1.1
Schabenneuron

1.2
Verlauf der Kurve d in Abbildung 1
Kurve d in Abbildung 1 zeigt den Verlauf eines Aktionspotenzials 60 Sekunden nach Gabe des Gifts Atracotoxin. Das Aktionspotenzial verläuft zunächst normal. Ausgehend von Ruhepotenzial löst ein Reiz das Überschreiten des Schwellenwertes aus. Es kommt zur Depolarisation mit Anstieg des Membranpotenzials auf +30 mV. Ausgelöst wird die Depolarisation durch das Öffnen spannungsgesteuerter Natrium-Ionenkanäle. Positiv geladene Natriumionen strömen daraufhin entlang ihres Konzentrationsgefälles ins Zellinnere. Kurz vor Erreichen des Maximums werden im Normalfall erste Natrium-Ionenkanäle inaktiv. Spannungsabhängige Calciumkanäle öffnen, und positiv geladene Calciumionen strömen aus der Zelle hinaus. Dadurch wird eine Repolarisation hervorgerufen. In Kurve d ist die Repolarisation allerdings unvollständig, sodass das Membranpotenzial bei einer Spannung über dem Schwellenwert verbleibt. Das liegt daran, dass durch das Gift die Natriumkanäle dauerhaft geöffnet bleiben.
1.3
Wirkung von Atracotoxin
In Abbildung 1 sind Aktionspotenziale ohne Giftgabe, bzw. 10, 30 und 60 Sekunden nach Verabreichung dargestellt. Man kann erkennen, dass schon 10 Sekunden nach Gabe des Giftes die Repolarisation deutlich verlangsamt ist. Nach 30 Sekunden ist die Verzögerung noch stärker, und 60 Sekunden nach Verabreichung wird das Ruhepotenzial gar nicht mehr erreicht. Das führt zu einer dauerhaft erhöhten Spannung am Axon. Für das Beutetier hat das ein Verkrampfen der Muskulatur zur Folge, wodurch es auch zu Atemstörungen mit Todesfolge kommen kann. Der schrittweise Anstieg der Giftteilchen kann damit erklärt werden, dass erst mit der Zeit die Konzentration des Giftes an der Nervenzelle hoch genug ist, um die Repolarisation zu verhindern.
2.1
Interpretation des beobachteten Verhaltens
Die männlichen Listspinnen handeln instinktiv. Als Voraussetzung für dieses Verhalten dient eine Motivation, in diesem Fall die Kopulation, die die Tiere zu dem ungerichteten Appetenzverhalten bewegt. Dabei streifen die Spinnen mit ihrer eingewickelten Beute umher, bis sie auf ein Weibchen treffen. Die Begegnung stellt den Signalreiz dar, der bei dem Männchen zu der gerichteten Appetenz (Taxis) führt. Dem Weibchen wird dann die Beute als Geschenk präsentiert. Nährt sich das Weibchen dem Geschenk, so stellt dies den Schlüsselreiz dar, der bei dem Männchen die Endhandlung (Kopulation) hervorruft.
2.2
Planung eines Experiments
Soll untersucht werden, ob die Körpergröße dafür ausschlaggebend ist, dass Listspinnen-Weibchen von Männchen als Geschlechtspartnerinnen erkannt werden, so können Spinnenattrappen verwendet werden. Wenn ein paarungsbereites Männchen das gerichtete Appetenzverhalten zeigt, ist das ein Zeichen dafür, dass die Körpergröße die Erkennung begünstigt. Durch die Spinnenattrappe wird verhindert, dass beispielsweise Pheromone des Weibchens die Erkennung auslösen.
2.3.1
Kosten-Nutzen-Analyse für das Fangen eines Geschenktieres
In Abbildung 2 ist dargestellt, wie viele Männchen unter verschiedenen Bedingungen prozentual gefressen wurden. Wurden die Weibchen gefüttert, und erhielten ein Geschenk durch das Männchen, wurden letztere nie durch das Weibchen gefressen. Wurden sie gefüttert, bekamen aber kein Geschenk von dem Männchen, wurden die Männchen in etwa 11 % aller Fälle gefressen. Im ungefütterten Zustand der Weibchen wurden Männchen mit Geschenk in etwa 7 % aller Fälle gefressen, ohne Geschenk waren es schon 35 %. Aus diesen Daten geht hervor, dass das Fangen eines Beutetiers als Geschenk die Wahrscheinlichkeit für den Kannibalismus deutlich herabsetzt. Das ist ein eindeutiger Nutzen für das Männchen. Die Kosten liegen in dem erhöhten Energieaufwand, der durch Fangen, Einspinnen und Transport des Geschenks entsteht.
2.3.2
Auswirkungen von Sexualkannibalismus auf die Fitness der Spinnen
Wird das Spinnenmännchen nach der Fortpflanzung vom Weibchen gefressen, so ist seine direkte Fitness verschlechtert, da es sich nicht mehr mit anderen Weibchen paaren kann. Es ist jedoch denkbar, dass auch das Männchen von diesem Verhalten profitiert. Steht dem Weibchen durch den Kannibalismus mehr Nahrung zu Verfügung, dann ist dessen Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht, und möglicherweise überleben auch mehr Jungtiere. Für das Weibchen stellt der Kannibalismus einen Vorteil dar, da sich ihre Nährstoffversorgung verbessert, und sie sich besser um ihre Jungtiere kümmern kann.
2.4
Vor- und Nachteile des Lebens als Einzelgänger
- Vorteile: Eine verringerte Konkurrenz um Nahrungsressourcen, Partner und Versteckmöglichkeiten, sowie eine geringere Gefahr für Kannibalismus und Infektionen sind vorteilhaft für die Spinnen.
- Nachteile: Die Spinnen müssen sich aktiv auf Partnersuche begeben, und können sich nicht kollektiv gegen Fressfeinde wehren, oder gemeinsam auf die Jagd gehen.