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Aufgabe 4 - Verfassen eines Essays

Verfassen eines Essays

Thema:
„Was darf Satire? Alles?“
Aufgabenstellung:
  • Verfasse einen Essay zu diesem Thema. Nutze dabei das Material.
Material 1
Was darf die Satire?
Kurt Tucholsky (* 1890 - † 1935) unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel
Frau Vockerat: „Aber man muß doch seine Freude haben können an der Kunst.“
Johannes: „Man kann viel mehr haben an der Kunst als seine Freude.“
Gerhart Hauptmann
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Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland
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auf dem Sofa uund nimmt übel.
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Satire scheint eine durchaus negative Sache. Sie sagt: „Nein!“ Eine Satire, die zur
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Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine. Die Satire beißt, lacht, pfeift
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und trommelt die große, bunte Landknechtstrommel gegen alles, was stockt und
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träge ist.
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Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der Charakterlose
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schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist,
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einer, der heute den angreift und morgen den.
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Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht,
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und nun rennt er gegen das Schlechte an.
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Die Satire eines charaktervollen Künstlers, der um des Guten willen kämpft, ver-
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dient also nicht diese bürgerliche Nichtachtung und das empörte Fauchen, mit dem
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hierzulande diese Kunst abgetan wird.
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Vor allem der Deutsche macht einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit
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dem Darstellenden. Wenn ich die Folgen der Trunksucht aufzeigen will, also dieses
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Laster bekämpfe, so kann ich das nicht mit frommen Bibelsprüchen, sonder ich
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werde es am wirksamsten durch die packende Darstellung eines Mannes tun, der
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hoffnungslos betrunken ist. Ich hebe den Vorhang auf, der schonend über die Fäul-
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nis gebreitet war, und sage: „Seht!“ - In Deutschland nennt man dergleichen „Kraß-
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heit“. Aber Trunksucht ist ein bösartiges Ding, sie schädigt das Volk, und nur scho-
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nungslose Wahrheit kann da helfen. [...]
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Übertreibt die Satire? Die Satire muß übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach
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ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar
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nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leidern die Gerechten mit den Un-
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gerechten. [...]
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Wir sollten nicht so kleinlich sein. Wir alle - Volksschullehrer und Kaufleute und
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Professoren und Redakteure und Musiker und Ärzte und Beamte und Frauen und
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Volksbeauftragte - wir alle haben Fehler und komische Seiten und kleine und gro-
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ße Schwächen. Und wir müssen nun nicht immer gleich aufbegehren („Schlächter-)
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meister, wahret eure heiligsten Güter!“), wenn einer wirklich einmal einen guten Witz
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über uns reißt. Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein. Das ist kein rechter
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Mann und kein rechter Stand, der nicht einen ordentlichen Puff vertragen kann. Er
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mag sich mit denselben Mitteln dagegen wehren, er mag widerschlagen - aber er
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wende nicht verletzt, empört, gekränkt das Haupt. Es wehte bei uns im öffentlichen
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Leben ein reiner Wind, wenn nicht alle übel nähmen.
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So aber schwillt ständischer Dünkel zum Größenwahn an. Der deutsche Satiriker
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tanzt zwischen Berufsständen, Klassen, Konfessionen und Lokaleinrichtungen ei-
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nen ständigen Eiertanz. Das gewiß recht graziös, aber auf die Dauer etwas er-
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müdend. Die echte Satire ist blutreinigend: und wer gesundes Blut hat, der hat auch
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einen reinen Teint.
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Was darf die Satire?
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Alles.

Anmerkung zum Autor:
Kurt Tucholsky (* 1890 - † 1935): deutscher Journalist und Schriftsteller
Aus: Kurt Tucholsky, „Gesammelte Werke“. Bd. 2: 1919–1929, hrsg. v. M. Gerold-Tucholsky
und F. J. Raddatz: Reinbek bei Hamburg 1975 (Rowohlt Verlag), S. 42–44.
Material 2
Definition
1
Satire [lat. satira, älter satura, eigtl. „mit versch. Früchten gefüllte Schale“] Litera-
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turgattung, die durch Spott, Ironie, Übertreibung, bestimmte Personen, An-
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schauungen, Ereignisse oder Zustände kritisieren oder verächtlich machen will. Sie
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kann sich mit allen literar. Formen verbinden. [...] Wort- und Bild-S. verbinden sich
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in den im 19. Jh. aufkommenden satirischen Zeitschriften.

Aus: Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden. 19. Bd., Mannheim 1992, S. 210.
Material 3
Ist die „heute show“ Quatsch oder Aufklärung?
1
In einer umfangreichen Studie untersuchte der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler
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die „heute show“ und stellt sie in die Satire-Tradition des deutschen Fernsehens. Im
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Rahmen dieser Studie hat Gäbler auch ein Interview mit dem Publizisten Hugo Mül-
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ler-Vogg geführt. Hier ein Auszug:
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Gäbler: Wo im politischen Spektrum würden Sie die „heute show “ verorten?
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Müller-Vogg: Anders als die meisten Kabarettisten hat die „heute show“ keine poli-
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tische Agenda. Sie fügt sich aber bestens in den medialen Mainstream ein: links
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von der Mitte. Was sich u.a. daran zeigt, dass die Linke kaum vorgeführt wird, die
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AfD dagegen ständig.
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Gäbler: Die „heute show“ durfte im Bundestag nicht drehen - eine richtige Ent-
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scheidung?
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Müller-Vogg: Ja, weil das Parlament kein Karnevalsverein und kein Zirkus ist.
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(Dass mancher Politiker dies bisweilen selbst vergisst, steht auf einem anderen
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Blatt.)
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Gäbler: Würden Sie Politikern empfehlen, als Gast in die „heute show“ zu gehen?
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Begründen Sie Ihre Meinung.
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Müller-Vogg: Wenn Politiker die Entertainer-Qualität wie Gregor Gysi oder Wolf-
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gang Kubicki meinen, diese Publicity nötig zu haben - bitte sehr. Politiker ohne
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Clown-Gen sollten die „heute show“ dagegen meiden.
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Gäbler: Was würden Sie an der „heute show“ verändern?
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Müller-Vogg: Es gehört zur „Masche“ der „heute show“, ihre „Reporter“ mit ZDF-
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Mikros auftreten zu lassen und politische Amateure wie Parteitagsdeligierte mit
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sinnfreien Fragen zu verwirren. Die Interviewer sollten Ihre Fragen deshalb immer
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mit folgendem Statement einleiten: „Meine Absicht ist es, Sie dumm, blöde und
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dämlich aussehen zu lassen. Deshalb meine Frage...“

Aus: Ist die „heute show“ Quatsch oder Aufklärung?, letzter Zugriff am 30.4.2018.
Eine andere Position nimmt die Publizistin Sandra Wahle ein:
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Die politische Lage ist ernst, aber das Fernsehen macht sich darüber lustig. Martin
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Schulz als Frontmann der CDU-Coverband, kurz darauf Horst Seehofer, Innenmi-
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nister de Maizière - immer wieder geraten Politiker aller Parteien in die humoristi-
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sche Schusslinie der „heute-show“. Um die Gags der „heute-show“ zu verstehen, ist
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in den seltensten Fällen politisches Vorwissen nötig. Das kann doch nur zu Politik-
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verdrossenheit führen, oder?
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„Nein“ sagt eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung. Im späten Abendprogramm von
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ARD, ZDF und den dritten Programmen haben sich solche Sendungen etabliert. Am
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26. Mai 2009 flimmerte die „heute-show“ zum ersten Mal über die Bildschirme und
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ist bis heute die erfolgreichste Polit-Satire im deutschen Fernsehen - jedoch mit
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zunehmender Konkurrenz.
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Politische Satire ist Kult und das nicht erst seit kurzer Zeit. Unter dem Titel „Quatsch
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oder Aufklärung?“ beschäftigt sich die Forschergruppe um Jupp Legrand mit der
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Frage, ob politische Satire Politikverdrossenheit hervorruft.
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Dabei wird vor allem die „heute-show“ mit all ihren Figuren in den Blick genommen.
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Demnach könnte die „heute-show“ eine „Einstiegsdroge“ für politische Informatio-
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nen sein.
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Bei Personen, die politische Satire im Fernsehen rezipieren, ist die Wahrscheinlich-
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keit groß, dass sie sich im Anschluss über einen Politiker oder einen politischen
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Sachverhalt informieren.
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Die in den Sendungen dargestellten Missstände wecken das Interesse der Zu-
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schauer und die Motivation, sich weiter mit diesem Sachverhalt zu beschäftigen und
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diesem auf den Grund zu gehen.
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Eine gewiss optimistische Sichtweise, die in Zeiten abnehmender Wahlbeteiligung
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Hoffnung macht. Eine Bereicherung für die deutsche Fernsehlandschaft sind politi-
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sche Satire-Sendungen ohnehin.

Aus: Onlinequelle, letzter Zugriff am 30.4.2018.
Material 4
Was darf die Satire? Kurt Tucholsky, Jan Böhmermann und die Folgen
Stefan Neuhaus
1
Wenn sich Texte, wie es bei Satiren der Fall ist, auf zeitgeschichtliche Realitäten
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beziehen, dann handelt es sich nach Meinung der Kritiker um zweckgerichtete Tex-
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te, also um Gebrauchstexte, die in ihrer Zeit verhaftet sind, und demnach nicht um
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Kunst. Das ist ein popolärer Irrtum, denn Satiren gehören zur Literatur und für Lite-
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ratur gelten eigene Gesetze. Bereits Friedrich Schiller hat erklärt: „In der Satire wird
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die Wirklichkeit als Mangel dem Ideal als der höchsten Realität gegenübergestellt.“
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Die beobachtbare Realität wird an einem Ideal gemessen und dieses Ideal drückt
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sich in der Negation, in der ironischen Überzeichnung des Gegenteils aus. [...]
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Zum Übertreibungsgestus der Satire gehört bereits seit Kurt Tucholsky, dass sie,
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mit einem juristischen Begriff gesagt, Personen der Zeitgeschichte der Lächerlich-
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keit preisgibt, lustvoll und ohne Rücksicht auf Tabus. Wichtig ist festzuhalten: Die
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Herabsetzung bezieht sich nicht auf die Person, sondern auf das, wofür sie steht.
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Die reale Person wird zur literarischen Figur, zur Repräsentation des „Schlechten“.
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Zugleich wird die Herabsetzung mindestens doppelt als Literatur, also als Kunst
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markiert, denn die Satire wird sichtbar durch den Tabubruch einerseits und die Ko-
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mik, mit der dieser Tabubruch geschieht, andererseits. Allerdings kann man Satire
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nur dann verstehen, wenn man in der Lage ist, die Rahmungen, die die Satire als
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Satire markieren, zu erkennen und die Komik des Tabubruchs wahrzunehmen.
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Wer diese beiden basalen Zuordnungsvoraussetzungen nicht kennt, kann Satire
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nicht „lesen“ und wird gegen sie opponieren - dies ist allerdings eine gewollte Pro-
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vokation. Denn die Satire wird, insbesondere als politische Satire, immer auch ge-
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tragen von der aufklärerischen und postaufklärerischen Absicht, zur Freiheit erzie-
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hen zu wollen.

Anmerkung zum Autor:
Stefan Neuhaus (* 1965): Professor für deutsche Literaturwissenschaft
Aus: Was darf die Satire? Kurt Tucholsky, Jan Böhmermann und die Folgen, letzter Zugriff am 24.11.2017.
Material 5
Satire und Karikatur
1
[...] Im Rahmen einer Satire oder einer Karikatur wird bewusst ein Zerrbild der Wirk-
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lichkeit vermittelt. Es liegt im Wesen einer Satire, dass sie übertreibt. Dem Gedan-
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ken, den sie ausdrücken will, gibt sie einen scheinbaren Inhalt, der über das wirklich
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Gemeinte hinausgeht. Der Leser oder Zuschauer wird in aller Regel jedoch erken-
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nen, welche tatsächliche Aussage hinter der Satire steht.
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Darstellungen im Rahmen einer Satire oder einer Karikatur dürfen aus diesem
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Grund rechtlich nicht nur vordergründig aufgefasst werden. Es muss zwischen dem
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Aussagekern und seiner humoristisch satirischen Ausgestaltung unterschieden
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werden. Der Aussagekern und die konkrete satirische Ausgestaltung sind jeweils
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getrennt voneinander rechtlich zu prüfen. Der Aussagekern ist rechtlich zu bewerten
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wie andere Äußerungen ebenfalls.
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Die satirische Ausgestaltung genießt hingegen presserechtlich größere Freiheiten.
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Übertreibungen und Verzerrungen sind Teil des satirischen Konzeptes. In einer Sa-
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tire eine missverständliche Formulierung zu verwenden, ist daher nicht prinzipiell
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unzulässig. Dies gilt besonders für Personen der Zeitgeschichte (Prominente) und
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Politiker. Insbesondere dann, wenn die karikierte Person durch ihr Verhalten selbst
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Anlass zur Kritik gegeben hat. Satire und Karikatur in ihrer konkreten Ausgestaltung
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sind von dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt, gegebenen-
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falls können sie sogar eine Kunstform sein, die durch die Kunstfreiheit grundrecht-
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lich geschützt ist.
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Andererseits ist auch das Persönlichkeitsrecht der karikierten Person durch das
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Grundgesetz geschützt. Es ergibt sich also ein rechtliches Spannungsfeld zwischen
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dem Schutz der konkreten Satire und dem Schutz der Persönlichkeit des Betroffe-
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nen. Eine rechtlich zulässige Satire oder Karikatur muss sich also innerhalb dieses
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Spannungsfelds bewegen. Wenn eine Satire oder eine Karikatur nicht etwas Vor-
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handenes übertreibt oder überpointiert, sondern ohne reale Grundlage in eine voll-
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kommen absurde Richtung zielt, wird in vielen Fällen das Persönlichkeitsrecht des
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Betroffenen schwerer wiegen. Die Satire ist dann unzulässig.
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Satire und Karikatur sind auch dann unzulässig, wenn sie die Grenzen des für den
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Betroffenen Erträglichen überschreiten. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn
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sie beleidigend sind. Der Betroffene muss es auch nicht dulden, dass er besonders
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obszön karikiert wird ooder durch sexuelle Darstellungen gedemütigt wird. Entschei-
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dend ist, ob die Darstellung auf die persönliche Ehre des Betroffenen abzielt oder
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auf äußere Umstände wie politische Verhältnisse.

Aus: Satire und Karikatur, letzter Zugriff am 24.11.2017.
Material 6
Neue Satzzeichen sollen Inflation von Frage- und Ausrufezeichen im Internet eindämmen!!!
Stefan Sichermann
Symbol eines Fragezeichens und eines japanischen Schriftzeichens.
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Mannheim (dpo) - Jeder weiß, dass in Internet-Chats und
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Blog-Kommentaren derjenige Recht hat, der seine Ausfüh-
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rungen durch die meisten Ausrufe- und Fragezeichen unter-
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streicht. Um diesem Trend entgegenzuwirken und Platz
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sparen zu helfen, hat der in Mannheim ansässige Duden-
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verlag die deutsche Sprache nun um zwei neue, stärkere
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Satzzeichen erweitert, die künftig gleich für ganze Gruppen
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dieser Argumentationshilfen stehen sollen: ? und ?.
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Das sogenannte „Brüllzeichen“ ? soll denselben Wert besit-
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zen wie zehn Ausrufezeichen (!!!!!!!!!!) bzw. Einsen (!!!1!!11!!), während das „Interro-
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bang“ ? für drei Fragezeichen, zwei Ausrufezeichen und noch ein Fragezeichen ste-
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hen wird (???!!?).
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„In Zeiten des ‚World Wide Web‘ muss sich die Schriftsprache an die geschaffenen
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Realitäten anpassen“, erklärte ein Sprecher des Dudenverlags gegenüber dem Pos-
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tillon. „Außerdem verschwenden Sätze auf Bild.de, in Foren oder auf Twitter wie
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‚Sarrazin hat rect !!!!!!!!!!!!!!!!!!‘, ‚Armes Deutschlant!!1!!!!!11!‘ oder ‚Was willst du den
17
eigentlich???!!?‘ wertvollen Webspace. Die neuen Satzzeichen verhindern quasi,
18
dass das Internet irgendwann voll ist.“
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Erste Internetreaktionen auf die geplanten Neuerungen reichen von ‚Super? End-
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lich, tut sich was??‘ bis hin zu ‚Wer glauben die, dass die sind ?????????? Ich
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lass mir doch nicht vorschreiben wie ich zu schreiben habe????????‘.

Aus: Neue Satzzeichen sollen Inflation von Frage- und Ausrufezeichen im Internet eindämmen!!!,
letzter Zugriff am 24.11.2017.
Material 7
Karikatur eines Satireabends mit verschiedenen Charakteren als Publikum und einem Komiker auf der Bühne.

Anmerkung zum Künstler:
Silvan Wegmann (* 1969): bekannter Schweizer Karikaturist, publiziert unter dem Kürzel Swen
Aus: Onlinequelle, letzter Zugriff am 24.11.2017.