Aufgabe 2 - Werke im Kontext
Erörterung zweier literarischer Texte („Werke im Kontext“)
Thema: E.T.A Hoffman (* 1776 - † 1822): Der goldene TopfHermann Hesse (* 1877 - † 1962): Der Steppenwolf Aufgabenstellung:
- Erörtere in einer vergleichenden Betrachtung, ob und inwieweit Safranskis Ausführungen auf Anselmus in Der goldne Topf und Harry Haller in Der Steppenwolf zutreffen.
Aus: Rüdiger Safranski: Romantik. Eine deutsche Affäre. München 2007, S. 393.
Weiter lernen mit SchulLV-PLUS!
monatlich kündbarSchulLV-PLUS-Vorteile im ÜberblickDu hast bereits einen Account?
Hier geht's zur Lektüre Der goldne Topf
Hier geht's zur Lektürehilfe Der goldne Topf
Hier geht's zur Lektürehilfe Der Steppenwolf
Hier geht's zur Lektürehilfe Der goldne Topf
Hier geht's zur Lektürehilfe Der Steppenwolf
Einleitung
- Zum Anfang der Handlung ist das Leben des Protagonisten in Der goldne Topf noch fest im bürgerlichen Leben angesiedelt, das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass er fernab einer erfüllenden Arbeit keine weiteren Träume hegt.
- Auch im Laufe des Werks verliert Anselmus nie ganz den Bezug zu seinen bürgerlichen Wurzeln, selbst, als er sich in die kreative Künstlerin Veronika verliebt, die einen starken Kontrast zu seinem sehr konventionellen Alltag darstellt.
Hauptteil
Interpretation
- Die beiden Frauenfiguren Veronika und Serpentina stehen stellvertretend für das Moralische und das Verbotene, Anselmus selbst kann sich bis zuletzt nicht für eine der beiden Seiten entscheiden, was sich negativ auf das Ich-Bewusstsein des Protagonisten auswirkt.
- Der ständige Wechsel zwischen Sehnsucht nach Stabilität und Normalität sowie auf der anderen Seite der Wunsch nach individueller Freiheit und Vervollkommnung stellt in Anselmus' Fall einen miteinander unvereinbaren Konflikt dar.
- Sich vielfach in seiner Fantasiewelt aufhaltend, entgleitet dem jungen Mann immer mehr der Bezug zur Realität und entsprechend isoliert er sich von nahestehenden Personen. Auf der anderen Seite wiederum fühlt er sich teils im heimischen und ihm wohlvertrauten bürgerlichen Refugium wohl und gut aufgehoben.
- Im Zuge der Hin- und Hergerissenheit zwischen den beiden Welten kommt es immer wieder zu Überschneidungen dieser, welche beispielsweise die Rauerin als Opfer einfordern, wovon sich Anselmus jedoch nicht abhalten lässt, weiterhin in der Ambivalenz zu leben.
- Als sich der Protagonist dann für Serpentina und Atlantis entscheidet, scheint die dunkle, fantasievolle Seite gesiegt zu haben. Safranskis Kommentar lässt sich dahingehend auf Anselmus übertragen, als dass der Autor auf der einen Seite das wilde Träumen hoch gegriffener Ziele und Wünsche befürwortet, doch gleichzeitig warnt er davor, dass mit einer blinden Jagd nach unerreichbaren Träumen der Sinn des Lebens ebenso verwirkt sei, wie niemals etwas zu wagen.
- Sanfranski kann in Bezug auf den Protagonisten so verstanden werden, dass er Anselmus Entscheidung, nach Atlantis zu gehen als letzten Versuch deutet, seine intellektuelle und geistige Freiheit und Kreativität zu schützen, da sie in der damaligen Monotonie des Bürgertums zugrunde gehen würde.
- Harry Haller ist zwar wie Anselmus von ebenso umherirrender Natur, jedoch hat er sich mit der inneren Zerissenheit zwischen Wunschvorstellung und dem Abbild der Realität bereits arrangiert.
- Haller geht sogar so weit, dass er sich über diese Ambivalenz als Mensch beschreibt, was nicht zuletzt an seinem Name Steppenwolf, welchen er sich selbst gegeben hat, sichtbar ist.
- Der destruktive Anteil Hallers Persönlichkeit ist schwer zu übersehen, was dazu führt, dass er sich zum Außenseiter macht, am Rande der Gesellschaft steht, ohne jegliche soziale Anbindung. Er verteufelt das Bürgertum und ertränkt seine inneren Befindlichkeiten im massiven Alkoholismus.
- Harry Hallers Besuch beim Professor darf als Klimax seiner Feldzugs gegen die konventionelle Bürgerlichkeit verstanden werden. Die nun darauffolgend aufkommenden Glaubenssätze, niemand würde ihn verstehen und er sein Dasein auf dieser Welt sei aussichtslos und sinnlos, verfestigen sich in Haller zu akuten Gedanken, sich selbst das Leben nehmen zu wollen.
- Sanfranskis Aussage, Imagination könne selbstzerstörerische Züge annehmen, trifft in dem Moment auf Haller zu, bevor seine Rettung Hermine herbeieilt, die neben Maria und Pablo dafür sorgt, dass Haller wieder aus seinem verschwommenen Zustand der Egozentrik und verschobenen Wahrnehmung der Realität aufwacht.
- Was Harry Haller für kurze Zeit wieder an Lebenslust durch Hermine erfährt, indem sie mit ihm tanzt, lacht und ihn ihren Freunden vorstellt, ist jedoch nicht von Dauer für den Protagonisten in Der Steppenwolf.
- Als Hermine ihn etwa ins Magische Theater mitnimmt, (S. 181) erlebt Harry dort bewusstseinserweiternde Erfahrungen, die ihn zeitweilig innerlich entspannen lassen, doch welche ebenso schnell wieder zuneige gehen. Harry empfindet es als ständigen Kampf, zwischen seinen verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen und Bedürfnissen hin- und hergerissen zu sein und ein enormes Schamgefühl überschattet neue aufregende Erlebnisse und die Entdeckung neuer Charaktereigenschaften.
Vergleich
- Auf Safranskis Zitat bezogen könnte man konstatieren, dass Anselmus ständig in seinem Leben mit verarmenden und zerstörerischen Tendenzen konfrontiert ist.
- So erfährt der Protagonist in Der goldne Topf durch das Zusammensein mit Veronika, dass seine kreative Seite in den Hintergrund rückt und seine Fantasie sowie sein Vorstellungsvermögen in Veronikas Beisein kläglich verkümmert.
- Auch zerstörerische Elemente lassen sich in Anselmus' Leben finden. Beispielsweise leidet sein Sozialleben unter der ständigen sozialen Isolation, in welcher er sich teils selbst verschuldet, teils fremdverschuldet wiederfindet.
- Es ist möglich, Anselmus' Eintritt in die fantasievolle Welt der Serpentina auf zweierlei Weise zu deuten. Auf der einen Seite empfindet der Protagonist das Eintauchen in eine völlig neue, nahezu märchenhaft anmutende Sphäre als Geschenk. Auf der anderen Seite jedoch stellt das damit einhergehende Abschwören der bürgerlichen realen Welt eine Art Verlust dar, der auch als Zerstörung interpretiert werden könnte.
- Harry Haller dagegen steht zwar kurz vor der eigenen körperlichen sowie mentalen Selbstzerstörung, bevor ihn seine Mitmenschen davor bewahren, einen unwiderruflichen Schritt zu gehen. Doch eine (geistige) Verarmung sucht man beim Protagonisten aus Der Steppenwolf vergeblich. Dafür ist Haller zu verkopft und sich seiner Gedanken viel zu bewusst.
Schluss
- Die Erörterung zeigt auf, dass sowohl Anselmus als auch Harry Haller in einem ständigen Konflikt zwischen ihrer Sehnsucht nach Stabilität und Normalität und ihrem Wunsch nach individueller Freiheit und Vervollkommnung stehen.
- Beide Charaktere sind hin- und hergerissen zwischen ihren Fantasiewelten und der Realität, was zu einer Isolation von anderen Menschen führt. Während Anselmus sich letztendlich für seine Fantasiewelt entscheidet, arrangiert sich Haller mit seiner inneren Zerrissenheit und lebt am Rande der Gesellschaft.
- In beiden Charakteren ist außerdem erkennbar, dass das Streben nach unerreichbaren Träumen sowohl befreiend als auch selbstzerstörerisch sein kann. Es wird deutlich, dass eine Balance zwischen Träumen und Realität notwendig ist, um ein erfülltes Leben zu führen.