Vorschlag B1 – Materialprüfungsverfahren mittels Pendelschwingungen
Materialprüfungsverfahren sind in der Industrie nötig, um bestimmte Zertifizierungen zu erhalten. Ein Verfahren zur Prüfung von Oberflächen basiert auf einem Pendel
1
Im Folgenden soll zunächst ein Fadenpendel der Länge
mit einer punktförmigen Masse
und der Schwingungsdauer
untersucht werden (Material 1). Es gilt die Kleinwinkelnäherung, sodass von einer harmonischen Schwingung ausgegangen werden kann. Das Pendel wird aus der Ruhelage ausgelenkt und zum Zeitpunkt
losgelassen. Die Schwingung wird als ungedämpft betrachtet.
Material 1: Schematische Darstellung eines Fadenpendels
1.1
Zeichne in Material 1 an der mit
gekennzeichneten Stelle die Kraftpfeile der wirkenden Kräfte im richtigen Größenverhältnis ein und beschrifte diese mit den Bezeichnungen Rückstellkraft
, Gewichtskraft
und Fadenkraft
(4 BE)
1.2
Zeige, dass bei der Auslenkung des Pendels um die Strecke
für die Rückstellkraft gilt:
mit der Richtgröße
(5 BE)
1.3
Leite ausgehend von der Formel
aus Aufgabe 1.2 eine Differenzialgleichung für eine ungedämpfte harmonische Schwingung her.
Leite daraus mit einem geeigneten Lösungsansatz das Zeit-Beschleunigung-Gesetz und damit eine Formel zur Berechnung der Schwingungsdauer
eines ungedämpften Fadenpendels her.
(6 BE)
1.4
Berechne die Länge des Pendels und die Amplitude der Schwingung für einen Auslenkungswinkel von
[zur Kontrolle:
]
(5 BE)
1.5
Erläutere, insbesondere unter Betrachtung der Zeitpunkte
und
die Energieformen und ihre Umwandlung im Laufe einer halben Schwingung.
(4 BE)
1.6
Berechne die maximale kinetische Energie und die maximale Geschwindigkeit des Pendels unter Verwendung der Werte aus Aufgabe 1.4.
Begründe anhand einer Formel, dass die maximale Geschwindigkeit des Pendels nicht von seiner Masse abhängt.
(7 BE)
1.7
Erkläre qualitativ, wie sich die Schwingungsdauer ändert, wenn das Pendel auf dem Mond schwingen würde.
Beschreibe, wie man den Ortsfaktor des Mondes mithilfe des Pendels bestimmen könnte.
Erkläre, wie man ohne die Verwendung besserer Messgeräte die Genauigkeit der Messung erhöhen könnte.
(4 BE)
2
Mit einem speziellen Verfahren wird die Oberfläche eines Materials geprüft. Hierbei wird ein genormtes Pendel mit zwei Auflagekugeln aus Edelstahl auf der Probe, deren Oberfläche geprüft werden soll, positioniert (Material 2). Das Pendel wird um einen Winkel
ausgelenkt und zum Zeitpunkt
losgelassen. Die Messung ist mit Abschluss derjenigen vollständigen Schwingung beendet, in der der maximale Auslenkungswinkel erstmals einen Wert
unterschreitet. Die Anzahl der vollständigen Pendelschwingungen bis zu diesem Zeitpunkt wird Pendelhärte der Oberfläche genannt (Information zum Begriff der Pendelhärte siehe Material 3). Dabei beträgt die für die Messung relevante Pendellänge
und die Periodendauer wiederum
. Die Messung beginnt mit einem Auslenkungswinkel von
und endet nach Unterschreiten des Winkels
. Die Variable
beschreibt die zeitabhängige horizontale Auslenkung des Pendels.
Die Messwerttabelle in Material 4 zeigt die Abhängigkeit der Amplitude
von der Zeit während dieser Messung.
: Anzahl der Schwingungen;
: Amplitude der
-ten Schwingung
Material 2: Aufbau eines Oberflächenhärtemessgeräts
Material 3: Information zum Begriff der Pendelhärte
Das hier betrachtete Messverfahren wird üblicherweise zur Beurteilung des plastischelastischen Verhaltens von Beschichtungen, also z.B. von Lacken, Farben oder Grundierungen verwendet. Alle Beschichtungen zeigen ein elastisches Materialverhalten und sind somit nicht „hart“ wie man das im ersten Moment denken könnte. Der Begriff der Härte ist auf diesem Gebiet nach DIN 55945 definiert als „der Widerstand einer Beschichtung gegen eine mechanische Einwirkung wie z.B. Druck, Reiben oder Ritzen“. Dazu werden verschiedene Testverfahren genutzt, eines davon basiert auf dem in Material 2 gezeigten Aufbau.Material 4: Messwerttabelle
| 0 | 0,051 |
| 20 | 0,044 |
| 40 | 0,038 |
| 60 | 0,033 |
| 80 | 0,028 |
| 100 | 0,024 |
2.1
Erkläre unter Beachtung des in Material 2 gezeigten Aufbaus, wie es zu der in Material 4 dargestellten Abnahme der Amplitude mit der Zeit kommt.
(2 BE)
2.2
Bei einer gedämpften harmonischen Schwingung gilt für den zeitlichen Verlauf der horizontalen Auslenkung die Formel
Begründe, dass für
die Formel
gilt.
Zeige mithilfe dieser Formel und unter Verwendung aller Messwerte, dass die mittlere Dämpfungskonstante (auch Abklingfaktor genannt)
beträgt.
(6 BE)
2.3
Berechne unter Verwendung des Startwerts für
in Material 4 die Zeit bis zum Ende der Messung sowie die Pendelhärte der Probe.
(5 BE)
2.4
Für zwei Proben wird die Pendelhärte nach obigem Verfahren bestimmt, dabei werden die Messungen nicht im Vakuum durchgeführt, jedoch unter sonst streng vergleichbaren Bedingungen. Das Pendel ist in einer abgeschirmten Box untergebracht, sodass störender Luftzug verhindert wird.
Erörtere, wie die unvermeidliche Luftreibung die Vergleichbarkeit der Versuchsergebnisse beeinflusst und ob diese Messmethode unter diesen Umständen überhaupt geeignet ist, verschiedene Proben miteinander zu vergleichen.
(2 BE)
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1.1
1.2
Für die Rückstellkraft
gilt:
Für sehr kleine Winkel kann die gebogene und eigentlich von dem Pendel zurückgelegte Strecke
ungefähr mit der Strecke
gleich gesetzt werden, so dass gilt
1.3
Differenzialgleichung für eine ungedämpfte harmonische Schwingung
Zeit-Beschleunigung-Gesetz
Aus der hergeleiteten Differenzialgleichung folgt:
Es ist eine Funktion s(t) gesucht, deren zweite Ableitung der Ursprungsfunktion s(t) multipliziert mit einem konstanten Vorfaktor ergibt. Bekannte Funktionen, die diese Bedingung erfüllen, wären beispielsweise die Exponentialfunktion, die Sinusfunktion oder die Kosinusfunktion. Ein möglicher Ansatz für diese Differenzialgleichung mit der gegeben Anfangsbedinung
ist:
Bestimmung von
durch Einsetzen in die Differenzialgleichung:
Die Schwingungsgleichung für das Pendel lautet:
Das Zeit-Beschleunigungsgesetz erfolgt durch zweimaliges Ableiten nach der Zeit:
Schwinungsdauer
Es gilt für
1.4
Gegeben:
Gesucht:
Lösung: Umstellen der hergeleiteten Gleichung aus 1.3 ergibt für die Länge des Pendels
:
Einsetzen der Werte liefert:
Die Amplitude
berechnet sich mithilfe des Kreisumfanges
des Kreises, der die Länge
des Pendels als Radius hat.
Einsetzen der Werte liefert:
1.5
Das Fadenpendel hat kinetische und/oder potentielle Energie, die jeweils während der Bewegung ineinander umgewandelt werden.
Bei
befindet sich das Fadenpendel an seinem Umkehrpunkt, dem Punkt maximaler Auslenkung. Die gesamte Energie besteht aus potentieller Energie
da die Geschwindkigkeit des Pendels an dieser Stelle gleich Null ist und es somit keine kinetische Energie besitzt.
Sobald das Pendel losgelassen wird, wandelt es seine potentielle Energie in kinetische Energie um. Das Pendel bewegt sich folglich mit einer Geschwindikeit
und verliert gleichzeitig an Höhe.
Bei
geht das Pendel durch seine Ruhelage. Es befindet also in seiner minimalen Höhe
Folglich ist die potentielle Energie gleich Null. Die gesamte potentielle Energie aus dem Umkehrpunkt wurde also in kinetische Energie umgewandelt, so dass diese hier maximal ist. Das Fadenpendel bewegt sich hier mit seiner maximale Geschwindigkeit.
Nachdem das Pendel durch seine Ruhelage geschwungen ist, bewegt es sich weiter in Richtung seines zweiten Umkehrpunktes bei
Die Energieverteilung an dem zweiten Umkehrpunkt entspricht der Situation an dem ersten Umkehrpunkt bei
Die gesamte kinetische Energie aus dem Durchgang durch die Ruhelage hat sich in potentielle Energie umgewandelt. Da die Höhe des Pendels der Ausgangshöhe entspricht, sind auch die potentielle Energien beider Umkehrpunkte gleich groß, also Null.
1.6
Gegeben:
Gesucht:
Lösung:
1. Schritt: Herleitung
Die Höhe
entpricht hierbei dem Höhenunterschied zwischen der maximalen Auslenkung und der Ruhelage des Pendels. Zur Berechnung von
darf die Näherung
verwendet werden, da es sich um kleine Auslenkungswinkel
handelt. Mit dem Satz des Pythagoras folgt für
:
2. Schritt: Maximale kinetische Energie berechnen
Einsetzen des Zusammenhangs von
in die Formel für die maximale kinetische Energie liefert:
3. Schritt: Maximalgeschwindigkeit berechnen
Einsetzen der Werte liefert:
Es gilt:
Begründung
Da sich die Masse
herauskürzt, ist die Formel für die Geschwindigkeit unabhängig von der Masse des Fadenpendels.
1.7
Pendelschwingung auf dem Mond
Für die Schwinungsdauer
gilt:
Da
im Nenner steht, wird
größer für ein kleineres
Somit ist die Schwindungsdauer auf dem Mond größer als auf der Erde.
Ortsfaktorbestimmung
Umstellen nach
der Formel für die Schwinungsdauer liefert:
Um den Ortsfaktor des Mondes zu bestimmen, wird die Schwinungsdauer experimentell bestimmt. Außerdem die Länge des Pendels gemessen. Mithilfe einer Stoppuhr wird die Schwingungsdauer bestimmt, die das Pendel nach dem Auslenken um einen kleinen Winkel des Pendels aus der Ruhelage benötigt. Die Formel der Schwingungsdauer wird nach
umgestellt. Dann die Werte eingesetzt
Genauigkeitserhöhung der Messung
Um den Messfehler zu verringern, bietet es sich an mit einem Mittelwert der Schwinungsdauer zurechnen. Dafür muss das Experiemnt wiederholt werden.
Auch das Verlängern der Pendellänge
sorgt für genauere Messungen, da so die Schwinungsdauer erhöht wird und die Zeiten exakter bestimmt werden können.
2.1
Das Abnehmen der Amplitude mit der Zeit ist den Reibungsverlusten und den Verformungsverlusten verschuldet. Durch diese Verluste verringert sich die maximale potentielle Energie und die maximale kinetische Energie mit der Zeit.
Die Reibungsverluste entstehen durch die Reibung an den Auflangepunkten auf der Prüfplatte während der Pendelbewegung. Ein Teil der Bewegungsenergie wird folglich in Wärmeenergie umgewandelt. Auch der Luftwiderstand führt zu Reibungsverlusten durch Umwandlung von Bewegungsenergie in Wärmeenergie.
Die Verformungsverluste entstehen durch die Reaktion des Materials der Prüfplatte auf die mechanische Einwirkung. Ein Teil der Bewegungsenergie wird dabei in Wärmeenergie und Verformungsarbeit umgewandelt.
2.2
Die horizontale Auslenkung
des Pendels ist nach der Zeit
nicht mehr gleich der Auslenkung zum Startzeitpunkt
aufgrund der Reibungs- und Verformungsverluste. Für die Auslenkung
nach der Zeit
gilt folglich für den harmonischen, gedämpften Oszillator:
Einsetzen der Werte liefert für die Dämpfungskonstanten
:
Für den Mittelwert
gilt:
| 0 | 0,051 | |
| 20 | 0,044 | 5,27 |
| 40 | 0,038 | 5,25 |
| 60 | 0,033 | 5,18 |
| 80 | 0,028 | 5,35 |
| 100 | 0,024 | 5,38 |
2.3
Es gilt für die horizontale Auslenkung von dem kleinsten Winkel der Messung
Einsetzen der Werte liefert:
Es gilt nach Teilaufgabe 2.2:
Einsetzen der Werte liefert:
Die Messzeit beträgt folglich:
Nach ungefähr
Sekunden ist die Messung fertig.
2.4
Der Einfluss des Luftwiderstands auf die Amplituden der Pendelbewegung ist sehr gering, da der Auslenkungswinkel
sehr klein ist und die Schwingungsdauern
sehr groß sind. Der Luftwiderstand verändert die Ergebnisse unterschiedlicher Proben in etwa gleichem Maße. Folglich ist der Vergleich unterschiedlicher Messungen vertretbar.