Genregulation
Genregulation bei Prokaryoten
Unter dem Begriff Genregulation versteht man die Beeinflussung der Genexpression. Es werden dabei immer nur die Gene exprimiert, deren Produkte unter den jeweiligen Umweltbedingungen benötigt werden. Die Genregulation stellt daher eine Reaktion auf Veränderungen des inneren oder äußeren Milieus dar. In den 1960er Jahren wurde durch französische Forscher das sogenannte Operon-Modell eingeführt. Es dient der Beschreibung der Genregulation bei Prokaryoten. Als Operon wird dabei eine funktionelle Einheit aus Strukturgenen, dem Promotor und dem Operator bezeichnet.- Strukturgene: Gene, die für Strukturproteine codieren. Sie sind hintereinander auf der DNA angeordnet.
- Promotor: Befindet sich vor den Strukturgenen. Der Promotor stellt die Bindungsstelle für die RNA-Polymerase dar.
- Operator: Liegt vor den Strukturgenen, und bildet die Bindestelle für Repressoren. Bindet ein Repressor am Operator, so kann die RNA-Polymerase nicht an den Promotor binden, und die Transkription der Strukturgene wird blockiert. Der Repressor wird wiederum von einem Regulatorgen kontrolliert, das sich in einiger Entfernung vom Operator befindet.
Substratinduktion
Die Bakterienart Escherichia coli kann sowohl Glukose als auch Laktose als Kohlenstoffquelle verarbeiten. Dabei ist Glukose das beliebtere Substrat. Steht keine Glukose in der Umgebung zur Verfügung, kann E. coli auf die Laktoseverwertung umschalten. Dafür müssen bestimmte Enzyme hergestellt werden, die den Abbau von Laktose katalysieren. Die Gene für diese Enzyme werden nur dann hoch exprimiert, wenn Laktose in der Umwelt vorhanden, und Glukose abwesend ist. Da Laktose selbst die Expression der Gene für ihren Abbau einleitet, spricht man von der Substratinduktion.- Keine Laktose vorhanden: Der aktive Repressor besetzt den Operator, die RNA-Polymerase kann die Strukturgene nicht ablesen, und es wird kein Enzym produziert.
- Viel Laktose vorhanden: Durch Laktose wird der Repressor in seiner räumlichen Konformation verändert, und dadurch inaktiviert. Die RNA-Polymerase kann problemlos an den Promotor binden und Laktose abbauende Enzyme synthetisieren.

Abb. 1: Regulation des Laktose-Operons
Endproduktrepression
E. coli kann die Aminosäure Tryptophan mithilfe von fünf unterschiedlichen Enzymen selbst synthetisieren. Die Gene dafür befinden sich im Tryptophan-Operon. Wenn genug Tryptophan in der Umwelt vorhanden ist, werden die Enzyme für dessen Synthese nicht benötigt. Das Endprodukt Tryptophan hemmt daher die Synthese der Enzyme, man spricht von der Endproduktrepression.- Viel Tryptophan vorhanden: Herrscht ein Überangebot von Tryptophan, lagert sich Tryptophan an den Repressor an. Der Repressor wird dadurch aktiviert, und bindet an den Operator. Die RNA-Polymerase kann nicht mehr an den Promotor binden, und die Transkription der Strukturgene wird verhindert.
- Kein Tryptophan vorhanden: Der Repressor ist inaktiv, und der Operator wird nicht von ihm besetzt. Die RNA-Polymerase kann an den Promotor binden, und die Transkription von den Strukturgenen des Operons gewährleisten. Dadurch werden die Enzyme, die für den Aufbau von Tryptophan notwendig sind, synthetisiert.

Abb. 2: Regulation des Tryptophan-Operons
Genregulation bei Eukaryoten
Auch bei Eukaryoten wird die Aktivität von Genen und deren Produkten reguliert. Diese Prozesse sind in der Regel sehr komplex. Die Regulation kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Zum einen kann die Aktivität eines Genproduktes auf Proteinebene kontrolliert werden. Proteine können beispielsweise durch Protein-Protein-Interaktionen in ihrer Struktur verändert werden, und ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr ausüben. Auf Translationsebene kann entschieden werden, welche mRNAs überhaupt und wie häufig an den Ribosomen in ein Protein übersetzt werden. Bei der Prozessierung kann es zu alternativem Spleißen kommen. Je nachdem, wie die prä-mRNA gespleißt wird, ist die Funktion des resultierenden Proteins verändert. Am wichtigsten ist jedoch die Regulation auf Transkriptionsebene. Es kann direkt Einfluss auf die Transkription genommen werden. Dabei verstärken sogenannte Enhancer die Transkriptionsrate, wohingegen sogenannte Silencer die Transkriptionsrate abschwächen. Enhancer und Silencer sind regulatorische DNA-Sequenzen, die durch Interaktion mit dem betrachteten Gen dessen Transkriptionsrate positiv oder negativ beeinflussen. Eine weitere Möglichkeit der Regulation auf Transkriptionsebene ist die Genregulation über allgemeine Transkriptionsfaktoren. Sie regulieren die Bindung der RNA-Polymerase an den Promotor. Allgemeine Transkriptionsfaktoren lagern sich gemäß dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an die sogenannte TATA-Box an. Die TATA-Box befindet sich innerhalb der Promotorregion, stromaufwärts des Gens und reguliert die korrekte Positionierung der RNA-Polymerase. Auf diese Weise können Transkriptionsfaktoren die Transkriptionsrate eines Gens regulieren.
Abb. 3: Regulation der Genexpression über Transkriptionsfaktoren
Epigenetik
Unter dem Begriff Epigenetik versteht man die Beeinflussung der Genexpression durch Umweltfaktoren. Umwelteinflüsse wie Suchtmittelkonsum, Ernährung oder Traumata wirken sich auf das Erbgut aus, und können, wenn epigenetische Modifikationen die Keimzellen betreffen, an die Nachkommen vererbt werden. Epigenetische Modifikationen beeinflussen Aufbau, Struktur oder DNA-Verpackung, ohne die Basenabfolge der DNA zu verändern. Man unterscheidet folgende Modifikationen:- Histonmodifikationen: Chromatin liegt im Zellkern in unterschiedlicher Dichte vor. Sehr dicht gepacktes Heterochromatin kann nicht transkribiert werden, da es für die Proteinkomplexe der Transkription nicht zugänglich ist. Chromatin besteht aus einem DNA-Filament, das um Histone gewickelt ist. Histone weisen eine starke Wechselwirkung mit der negativ geladenen DNA auf, da sie einen hohen Anteil positiv geladener Aminosäuren (wie Lysin) enthalten. Histone können jedoch durch die Bindung chemischer Gruppen so modifiziert werden, dass der DNA-Chromatin-Komplex entweder gelockert wird (z. B. durch Histon-Acetylierung) oder verdichtet wird (z. B. durch Histon-Methylierung).
- DNA-Modifikationen: Auch auf der DNA-Ebene können Modifikationen der Basen für eine veränderte Zugänglichkeit der DNA für die Transkription sorgen. Dabei kommt es vor allem im Promotorbereich zu DNA-Methylierungen. Das Enzym Methyltransferase ist in der Lage, Cytosinbasen durch Anfügen einer Methylgruppe so zu verändern, dass sich weitere Proteine an die modifizierte Stelle anlagern, und dadurch die Transkriptionsrate vermindern. Eine hohe Methylierungsrate eines Gens sorgt also dafür, dass dieses Gen schlechter transkribiert werden kann.

Abb. 4: Modifikation an den Histonen reguliert die Zugänlichkeit von Chromatin für die RNA-Polymerase

Abb. 5: Cytosinmethylierung reguliert die Zugänlichkeit der DNA für die RNA-Polymerase
RNA-Interferenz
Durch den Prozess der RNA-Interferenz kann die Genexpression unterbunden werden. So kann zum Beispiel virale RNA noch vor ihrer Expression abgebaut werden.
Dabei wird zunächst ein doppelsträngiges RNA-Fragment vom Enzym Dicer in kurze Stücke geschnitten. Die doppelsträngigen Fragmente werden von einem Enzymkomplex aufgetrennt, und ein Fragment wird gebunden. Dieser Komplex aus Enzymen und einzelsträngigem Fragment wird RISC (RNA-induced silencing complex) genannt. Bei Kontakt von RISC mit einer mRNA, die komplementär zum Fragment im RISC ist, kann diese mRNA durch den RISC blockiert oder abgebaut werden. Dieser Prozess führt dazu, dass die Translation der mRNA gar nicht mehr oder nur sehr langsam abläuft. Folgende RNA-Konstrukte können von dem RISC gebunden werden:

Abb. 6: Ablauf der RNA-Interferenz
- micro-RNA (miRNA): In der Zelle liegen prä-miRNA-Gene vor, die für die prä-miRNA codieren. Die prä-miRNA kann sich zu Doppelsträngen zusammenfalten. Diese werden vom Dicer in kurze Fragmente geschnitten, und von einem Enzymkomplex aufgetrennt und gebunden. Der so entstandene RISC reguliert die körpereigene Genexpression.
- small interfering RNA (siRNA): Wird exogen, zum Beispiel durch eine Virusinfektion, RNA in die Zelle eingeschleust, kann sie dort vom Dicer in kleine Fragmente (siRNA) geschnitten werden. Wie bei der miRNA wird sie von einem Enzymkomplex aufgetrennt und gebunden. Auch hier kann durch Anlagerung an eine komplementäre RNA deren Transkription verhindert werden.