1. Standlied

2
Chor: Jetzt fließen die Wasser heiliger Ströme zur Quelle zurück, das Recht
3
und alles andere verkehrt sich. Männer sind tückischen Sinnes; auf
4
Schwüre bei Göttern kann man nicht bauen. Mein Ruf aber wird sich
5
wandeln, so daß meinem Geschlecht Ruhm erblüht. Das Frauengeschlecht
6
wird Achtung gewinnen. Kein schlimmer Leumund[1] wird die Frauen mehr
7
treffen.
8
Enden wird die alte Leier der Dichter, die immer von meiner Untreue
9
singen. Leider hat Phoibos[2], der Gott der Lieder, meinem Geist die Gabe
10
göttlichen Sangs zur Lyra[3] verweigert. Sonst hätte ich dem Männervolk ein
11
Gegenlied gesungen. Die lange Zeit kann viel von unserem Wesen, doch
12
auch von dem der Männer erzählen.
13
Du fuhrst vom Vaterhaus fort mit liebeglühendem Herzen, hast die
14
Doppelfelsen des Meeres durchsegelt und wohnst in fremdem Land;
15
nachdem du, vom Mann verlassen, dein Ehelager verlorst, du Arme, wirst
16
du nun schmachvoll aus dem Land vertrieben.
17
Das Ansehen des Eides ist dahin, Treu und Glauben wohnen nicht mehr im
18
weiten hellenischen Land, sind zum Himmel emporgeflogen. Du Arme hast
19
kein Vaterhaus, um Zuflucht zu finden in solcher Not. Eine andere Köngin
20
hat sich deines Bettes bemächtigt und ist Herrin im Haus.

[1] Leumund: Leumund bezeichnet den positiven oder negativen Ruf einer Person.
[2] Phoibus: Beiname des Gottes Apoll
[3] Lyra: Eine Lyra ist ein antikes Zupfinstrument, welche man oft im Zusammenhang mit der Lied- und Dichtkunst sieht.