2. Standlied
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      Chor: Wenn die Liebe zu stark über jemand kommt, bringt sie Menschen
     
    
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      nicht Ruhm, nicht Gedeihen; kommt aber Kypris mit Maß, beglückt keine
     
    
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      andere Göttin wie sie. Nie, Herrin, sende auf mich vom goldenen Bogen
     
    
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      den unentrinnbaren Pfeil, mit Liebessehnsucht vergiftet!
     
    
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      Gewogen sei mir mir das heilige Maß, die schönste Gabe der Götter! Möge
     
    
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      mir nie die schreckliche Kypris[1] den Sinn verwirren und Zank, Groll und
     
    
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      endlosen Streit wegen einer anderen Frau schicken, sondern meine Ehe in
     
    
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      Frieden segnen, klug walten über dem Lager der Frauen!
     
    
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      O Vaterland, o Vaterhaus, möcht' ich doch nie heimatlos werden und ein
     
    
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      schweres Leben in Mangel führen, das jämmerlichste aller Leiden. Das
     
    
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      Ende, der Tod raffe mich hin, bevor ich diesen Tag erlebe! Keine andere Not
     
    
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      ist so bitter wie Verlust der Heimat.
     
    
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      Das sah ich mit an und kann es, nicht nur vom Hörensagen, behaupten.
     
    
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      Denn keine Stadt und kein Freund fühlte ja Mitleid mit dir, als du das
     
    
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      schwerste aller Leiden littest. Ohne Erbarmen soll umkommen, wer nicht
     
    
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      fähig ist, die Freunde zu ehren und ihnen ein reines Herz zu öffnen; so
     
    
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      einer wird nie mein Freund sein.
     
    [1] Kypris: Beiname von Aphrodite, der Göttin der Schönheit, der Liebe und der sinnlichen Begierde.