Charakterisierung
Franz Woyzeck, der im Drama nur Woyzeck genannt wird, ist der Hauptcharakter von Büchners gleichnamigem Drama und deshalb auch die vielschichtigste und am meisten ausgearbeitete Person. Er ist 30 Jahre alt und seit 2 Jahren mit Marie Zickwolf liiert, mit der er einen etwa einjährigen Sohn namens Christian hat. Woyzeck gehört zur unteren sozialen Schicht und ist sehr darum bemüht, Geld für sich und seine kleine Familie zu verdienen. Dafür nimmt er drei weitere Nebentätigkeiten, da sein geringer Soldatenlohn nicht zum Überleben ausreicht. Er liebt Marie und Christian von ganzem Herzen und unterstützt sie nach aller Kraft. Umso schlimmer trifft ihn Maries Untreue. Von seinem Aussehen erfährt der Leser zu Beginn des Dramas nicht viel. Durch seine Teilnahme am Erbsenexperiment, durch welches er sich mehr Geld dazu verdienen möchte, magert Woyzeck stark ab, er bekommt Haarausfall und einen unregelmäßigen Puls. Zudem verstärkt das Experiment seine Halluzinationen, die ihn schließlich zum Mord an Marie verleiten.
Woyzecks Psychose
Büchner stellt seine literarische Figur Woyzeck als einen unter einer Psychose leidenden Menschen dar. Dabei bedeutet der aus dem Lateinischen stammende Fachbegriff „seelische Störung“ oder „Geisteskrankheit“. Eine Psychose kann mehrere Ursachen haben, wie körperliche Erkrankungen, sozialer Druck oder seelische Belastungen. Die Folgen einer Psychose können zeitweise oder dauerhafte Realitätsverluste, eine verzerrte Wahrnehmung oder Unzurechenbarkeit sein.
- An Woyzeck werden Symptome einer Psychose geschildert
- Ursachen einer Psychose werden durch Woyzecks Interaktion mit seiner Umwelt deutlich
- Woyzecks Tat zeigt drastische Folgen einer Psychose auf
- Maries Untreue ist dabei jedoch nicht der Auslöser, sondern die letzte Bindung, die ihn im Gleichgewicht gehalten hat und durch Untreue zerstört wird
- Schon in der ersten Szene erlebt der Leser Woyzecks Wahnvorstellungen, die mit seiner Psychose einhergehen
- Durch seine Wahnvorstellungen, die Erzählungen davon und sein getriebenes Verhalten wirkt Woyzeck auf andere abschreckend
- Wahnvorstellungen erreichen am Ende des Dramas ihren Höhepunkt, als Woyzeck Stimmen hört, die ihm dazu raten, Marie umzubringen
- Woyzeck steht unter dem sozialen Druck, was auch zu einer großen seelischen Belastung für ihn wird
- Gehört zur unteren gesellschaftlichen Schicht
- Verdient als Soldat nicht genug, um seine Familie zu ernähren
- Hat uneheliches Kind, weshalb er verspottet wird
- Nimmt sogar an gesundheitlichen Experimenten teil, um mehr Geld zu verdienen
- Gesundheitliche Experimente verstärken seine bereits bestehende Psychose jedoch noch mehr
- Woyzeck erleidet durch die Psychose Realitätsverluste und scheint nicht mehr zurechnungsfähig
- Schottet sich gegen seine Umwelt ab und nimmt nichts anderes mehr wahr, außer den Drang Marie zu töten
- Befindet sich dabei geistig in einer Art Tunnel, an dessen Ende er den Mord begehen wird
- Isolation als Symptom einer Psychose
Woyzecks Selbstwahrnehmung
- Woyzeck scheint zu ahnen, dass er durch seine Psychose verstörend auf andere Menschen wirkt
- Wendet sich Kind nur zu, als es schläft
- Ist unsicher im Umgang mit seinem Kind
- Sieht sich als gewissenhafter Ernährer der Familie, da er das Geld für die Hochzeit und zum Überleben verdienen muss
- Leidet unter innerem Zwiespalt
- Möchte sich gegen Gehässigkeit der Leute verteidigen
- Hat keine Kraft und akzeptiert schließlich die Vorwürfe an seinem unsittlichen Leben
- Woyzeck meint, dass nur reiche Menschen Tugend besitzen, er jedoch arm ist und deshalb auch nicht tugendhaft sein kann
- Woyzeck scheint unbeholfen und kann sich nicht richtig artikulieren
- Ihm fehlen die Worte, als er Marie zur Rede stellt auf der Straße
- Kann seine Gedanken und Empfindungen nicht in Worte fassen
- Verkauft seine Arbeitskraft, seinen Körper und seinen freien Willen
- Woyzeck wird zunächst zum Objekt der Wissenschaft
- Vom Arzt wird er später auf eine Ebene mit einem Hund gestellt
- Nimmt sich durch den Arzt selbst als wertlos wahr
Woyzecks Aggressionen
- Nachdem Woyzeck gegenüber der bösartige Verdacht von Maries Untreue geäußert wird, verliert er seinen letzten Halt
- Seine erste Reaktion ist Verzweiflung
- Die Verzweiflung folgt der Aggression, die Woyzeck jedoch zunächst gegen sich selbst richtet
- Spricht davon sich zu erhängen und einen eisernen Haken in den Himmel zu schlagen, was verdeutlicht, dass ihm durch den Verdacht der Boden unter den Füßen weggezogen wurde
- Durch seine ärmlichen Verhältnisse und weil er das Geld dringend braucht, kann er die Gewalt nicht gegen jene Menschen richten, die ihn demütigen und schikanieren
- Nachdem er Marie und den Tambourmajor entdeckt hat, richtet er seine Wut und Aggressionen erst gegen den Tambourmajor
- Unterliegt diesem jedoch in der Prügelei
- Dies stachelt seine Wut gegen den Tambourmajor und Marie nur noch mehr an
- Aggressionen eskalieren schließlich als er oft mit dem Messer auf Marie einsticht und sie ermordet
- Erst durch Mord kann er die innere Getriebenheit und Anspannung lösen
Woyzecks selbstzerstörerische Verbrechen
- Der Mord an Marie ist für Woyzeck einerseits ein selbstbestimmter Befreiungsschlag aus allen ihm auferlegten Zwängen
- Andererseits führt die Tat auch zu einer völligen Selbstzerstörung Woyzecks
- Verliert seine Geliebte
- Sohn wendet sich danach ebenfalls von ihm ab
- Wird später in der Gesellschaft als Mörder verachtet werden
- Vernichtet sein eigenes Leben
- Obwohl er davor fremdbestimmt ist, nimmt Woyzeck durch die Tat sein Leben selbstbestimmt in die Hand
- Wird durch Tat jedoch sofort wieder zerstört
Woyzeck als historische Person
Büchner hatte sich bei der Gestaltung seiner Figur eine reale Person zum Vorbild genommen:
- Johann Christian Woyzeck wird 1780 in Leipzig geboren, verliert jedoch sehr früh seine Eltern
- Beginnt mit 13 eine Lehre zum Perückenmacher
- Zieht ab 1798 sechs Jahre lang als wandernder Geselle durch Deutschland
- Dient während den Napoleonischen Kriegen zwölf Jahre lang in verschiedenen Armeen
- 1810 bringt Woyzecks Geliebte ihr gemeinsames Kind zur Welt, lässt sich danach jedoch auch von anderen Soldaten verführen
- Das verstört Woyzeck sehr und stürzt ihn in depressive Phasen
- Beginnt zu trinken
- Wird wegen Diebstahl zum ersten Mal straffällig
- Woyzeck wird schließlich unehrenhaft aus dem Militär entlassen, weil sein Zustand sich immer weiter verschlimmert
- Kehrt 1818 in seine Heimatstadt zurück, wo er als Arbeits- und Obdachloser leben muss
- Geht ein Verhältnis mit der seit 1813 verwitweten Johanna Christiane Woost - der Tochter seines letzten Lehrmeisters - ein
- Seine Geliebte pflegt jedoch noch weitere Liebschaften, weshalb Woyzeck sie zunächst mehrfach körperlich misshandelt und schließlich aus Eifersucht ermordet
- Woyzeck wird unmittelbar nach der Tat verhaftet
- Der Leipziger Gerichtsmediziner Hofrat Professor Johann Christian August Clarus wird mit einem psychologischen Gutachten beauftragt, um Woyzecks Schuldfähigkeit zu ermitteln
- Bescheinigt Woyzeck die volle Zurechnungsfähigkeit
- Woyzeck wird daraufhin zum Tod durch das Schwert verurteilt
- Woyzecks Verteidigung erwirkt einen Aufschub und später eine Neuaufnahme des Verfahrens
- Bewirkt jedoch nichts, Woyzeck wird wieder zum Tod verurteilt
- Ende August 1824 wird Woyzeck auf dem Leipziger Marktplatz vor 5000 Schaulustigen hingerichtet
Die von Clarus veröffentlichten Gutachten dienten Büchner als Vorlage für sein späteres Drama, wobei er sich vor allem auf das ausführlichere zweite Gutachten bezieht, welches 1825 in der
Zeitschrift für die Staatsarzneikunde abgedruckt wurde.