Aufbau

Unter der Drachenwand stellt einen Roman der Gegenwart dar. Im Folgenden wird untersucht, in welche formalen sowie inhaltlichen Merkmale Arno Geiger den Aufbau seines Werks gliedert. Zunächst einmal analysieren wir gattungsspezifische Merkmale eines Romans in dem Buch, woraufhin anschließend die Erzählperspektive der einzelnen Figuren beleuchtet wird.

Merkmale eines Romans in Unter der Drachenwand

  • Länge: Typisch für die Literaturgattung Roman ist, dass es sich hierbei um eine ausschweifende und langwierige Erzählung handelt. Das vorliegende Werk entspricht mit 480 Seiten Handlungsverlauf der ausführlichen Form eines Romans
  • Textsorte: Wenngleich bis ins 13. Jahrhundert Romane noch in Versform verfasst wurden, werden Bücher der vorliegenden Literaturgattung inzwischen weitestgehend in Prosa verfasst. Die offene Erzählweise der Prosa ermöglicht zudem einen zügigeren Lesefluss und wirkt natürlicher als die lyrische Vorgängerversion
  • Komplexität: Während beispielsweise in einer Novelle ausschließlich ein Ausschnitt aus einer Handlung beleuchtet wird, fasst ein Roman sowohl den situativen Kontext als auch zahlreiche Nebenschauplätze mit in das Erzählte ein. Exemplarisch für die umfangreiche Erzählweise wird in Unter der Drachenwand neben dem prädominanten Ort in Mondsee außerdem auch eine Vielzahl an Nebenhandlungen berücksichtigt. Arno Geiger bezieht etwa die Briefe Kurt Ritlers oder Lore Neffs mit in seinen Fließtext ein, um dem Leser eine differenziertere Sicht auf das Handlungsgeschehen zu ermöglichen
  • Fiktiv: Romaninhalte besitzen die Gemeinsamkeit, nicht auf wahren Begebenheiten zu beruhen, sondern aus frei erfundenen Themen zu bestehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Werk nicht auch in Anlehnung an historische und reale Ereignisse geschrieben werden kann. Im vorliegenden Roman stützt sich Arno Geiger zum Beispiel auf ein Bündel Briefe, welches er tatsächlich findet. Jedoch ändert der Autor im Zuge der Verschriftlichung von Unter der Drachenwand gewisse Angaben wie Namen, Herkunft und Handlungsverläufe ab, sodass es sich nicht um die 1:1 Wiedergabe realer Geschehnisse handelt
  • Protagonist: Ein Roman weist in der Regel eine Hauptfigur auf, welcher im Mittelpunkt des Erzählverlaufs steht. Die Anwesenheit weiterer bedeutender Charaktere untergräbt in diesem Fall nicht die Bedeutung des Protagonisten. Auch wenn Arno Geiger seine Hauptfigur Veit Kolbe klar als Protagonist herausstellt, wird die Handlung nicht ausschließlich aus dessen, sondern auch aus der Sicht weiterer Figuren wie Oskar Meyer, Kurt Ritler und Margots Mutter Lore beschrieben. Dennoch ist es in der Literaturgattung des Romans wichtig, dass bis auf den Hauptcharakter alle übrigen Personen als Randfiguren agieren
  • Freie Form: Im Gegensatz zu anderen Literaturgattungen besitzen Prosatexte in einem Roman einen offeneren strukturellen Aufbau sowie einen flexibleren Sprachstil. So verwundert es nicht, dass die Haupthandlung in Unter der Drachenwand, welche sich in Mondsee beim Protagonisten Veit Kolbe abspielt, immer wieder unterbrochen wird. Einschübe in Form von Briefen, die aus der Feder mehrerer Nebenfiguren entstehen, intermittieren die Haupthandlung zeitweilig

Die unterschiedlichen Erzählformen im Werk

  • Veit Kolbe: Der Protagonist des Romans erzählt seine Geschichte als Kriegsveteran, beginnend im November 1943 bis Dezember 1944. Veit berichtet in der Ich-Perspektive, die dazu führt, dass sich die Wahrnehmung des Lesers ebenso auf diese sehr subjektive Perspektive des Erzählten beschränkt. Der Hauptcharakter hält sich zu Beginn der Handlung noch in Russland, dann im Lazarett im Saarland und daraufhin hauptsächlich in Mondsee und Wien auf
  • Oskar Meyer: Nach Veit Kolbe kommt der jüdische Familienvater Oskar am zweithäufigsten zu Wort. Auch Meyer wird zum Ich-Erzähler, da seine Berichterstattung in Form zahlreicher Briefe an seine Cousine Jeanette stattfindet. Mittelpunkt seiner Erzählungen bildet die Flucht vor den Nazis, welche zunächst auch in Form eines Neuanfangs in Budapest glückt. Anfangs noch aus Wien und später dann aus der ungarischen Hauptstadt, berichtet Oskar Meyer seiner Cousine beginnend 1942 bis 1944, von den herrschenden Um- und Missständen. Dann jedoch wird Oskars Familie am 16. Juli 1944 auseinandergerissen und er sieht seine Frau und Söhne am Tag ihres Verschwindens das letzte Mal
  • Kurt Ritler: Die Briefe Nanni Schallers Cousin erstrecken sich auf 44 der 480 Seiten des Romans. Kurt beginnt an Nanni zu schreiben, als die Cousine ins Lager nach Schwarzindien geschickt wird. Die beiden gebürtigen Wiener sind heimlich ineinander verliebt, doch das Geheimnis fliegt auf und daraufhin wird Nanni von ihrem Cousin getrennt. Ritler beginnt kurze Zeit vor Ostern 1944 an seine Cousine zu schreiben und nachdem er Anfang Winter 1944 erfährt, dass seine geliebte Nanni tot aufgefunden wurde, ändert sich der Adressat seiner Briefe zu seinem Freund Ferdl
  • Lore Neff: Die besorgte Mutter Margots berichtet ihrer Tochter in Briefform aus dem hessischen Darmstadt. Lore schreibt ebenso in der Ich-Form wie auch die übrigen Erzähler in Unter der Drachenwand. Frau Neff schildert insbesondere die verschiedenen Zustände der einzelnen Familienmitglieder in Darmstadt und verbringt viel Zeit alleine, da ihr Mann Justus selbst an der Front kämpft. Beginnend im Frühsommer 1944, versendet Margots Mutter regelmäßig Schreiben an ihre Tochter und deren Säugling, teils in Unwissenheit darüber, ob die beiden noch am Leben sind

Zum zeitlichen Aufbau der Handlung

Zeitlich erstreckt sich die Handlung über eine Dauer von circa 2 Jahren. In dieser Spanne beleuchtet der Autor die Schicksale einzelner Individuen, wenngleich sich die Tragödien der Figuren teils voneinander unterscheiden. Hierbei geht Arno Geiger insbesondere auf den Leidensweg der jüdischen Familie Meyer ein, die letztendlich durch die Vorherrschaft der Nationalsozialisten zerbricht und auseinandergerissen wird. Weiterhin wird am Beispiel Lore Neffs der Kriegsalltag in einer Großstadt gezeigt, dem die verdächtig anmutende Idylle und Ruhe des Örtchens Mondsee gegenübergestellt wird. Auch wenn die Handlung größtenteils linear verläuft, unternimmt Geiger anhand der zahlreichen eingeschobenen Briefe immer wieder Rückblenden vor, die die Gradlinigkeit von Zeit und Raum ins Wanken bringt.